Freitag, 14. November 2025

Frankreich: Resozialdemokratisierung und taktische Ver(w)irrung

Am 16. Oktober 2025 stimmten die Abgeordneten des Parti Socialiste (PS) entgegen der bei der Wahl im Rahmen des Bündnisses Nouvelle Front Populaire (NFP) gegebenen Versprechen gegen einen Misstrauensantrag gegen die Regierung Lecornu und ihren Sparhaushalt. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn wir uns bewusst machen, dass diese Partei längst alles über Bord geworfen hat, was sozialdemokratisch ist – außer dem Namen.

Diese Abkehr von den politischen Prinzipien der Arbeiter*innenbewegung ist ein wesentlicher Grund für den Aufstieg von La France Insoumise (LFI), welche mittlerweile die Hauptpartei der organisierten Arbeiter*innenklasse in Frankreich ist. Der rasante Aufstieg von LFI ab 2017 ist Ausdruck der politischen Polarisierung, die durch die Weltwirtschaftskrise von 2008 und die darauffolgende Sparpolitik ausgelöst wurde. Das im Wesentlichen klassisch sozialdemokratische Programm von LFI hat bei Millionen junger Menschen und und in der Arbeiter*innenklasse Begeisterung erzeugt, was dazu führte, dass sich Millionen Wähler*innen sowohl vom PS als auch der KP ab- und LFI zuwandten.

Um diesen politischen Prozess zu verstehen, dürfen wir nicht vergessen, dass diese Stärkung einer echten Linken mit einem weiteren Aufstieg der Rechtsradikalen vom RN einherging. Frankreich nähert sich also dem historischen Normalzustand an, welcher dadurch gekennzeichnet ist, dass es real keine politische Mitte gibt und auch nicht geben kann. Es gibt jene, die auf Seiten des Kapitals stehen und jene, die auf Seiten der Arbeiter*innenklasse stehen. Eine Mitte dazwischen, egal ob sich diese selbst so oder als staatstragend bezeichnet, ist unmöglich. Politisch gibt es Links und Rechts. Entweder Oder!

Der Aufstieg der Rechtsradikalen wäre nicht möglich gewesen, wenn diese nicht auch von Teilen der Arbeiter*innenklasse gewählt worden wäre, die bei der Linken keine Alternative (mehr) zu einem sich permanent verschlechternden Leben erkennen konnten. Weil es diese nicht mehr gab. In Form von LFI gibt es diese nunmehr wieder.

Allerdings hat diese recht junge politische Formation einen entscheidenden Fehler gemacht, indem sie bei den letzten Wahlen unter verschiedenen Namen mit den diskreditierten (ehemaligen) linken Parteien PS und KP und sogar den Grünen gemeinsam kandidierten. Ohne dieses Bündnis wäre nicht nur der PS mehr oder weniger aus dem Parlament verschwunden, LFI mit weitaus mehr Mandaten ausgestattet, sondern vor allem wäre es La France Insoumise mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gelungen, einen bedeutenden Teil der Nichtwähler*innen für sich zu gewinnen. Viele sind einfach nicht mehr bereit, ihre Stimme für jene zu verschwenden, die für den Fortbestand eines Systems stehen, dass ihnen tagtäglich mehr Armut und Elend bringt. Auch nicht, wenn diese „nur“ gemeinsam mit jenen kandidieren, die eine echte Alternative werden könnten.

Der „Bruch“, den LFI zurecht fordert, muss also nicht nur einer mit den bürgerlichen Parteien und dem System Macron sein, sondern tatsächlich einer mit allen Parteien, die diesen an der Macht halten. Es muss letztlich also ein Bruch mit jeder Form von Sparpolitik, Aufrüstung und dem Kapitalismus selbst sein. So würden LePen und Co in die Defensive gedrängt, da sie de facto gegen all das sind, obwohl es der Stimmung in der Arbeiter*innenklasse zutiefst widerspricht. Nur so kann es also gelingen, einen rechtsradikalen Wahlerfolg zu verhindern.

Allerdings wird dazu der beste aller Wahlkämpfe alleine nicht ausreichen. LFI muss endlich damit beginnen, tatsächlich mit der Klasse gemeinsam zu kämpfen. Zuallererst für ein Ende der Sparpolitik und der Umgestaltung Frankreichs zur Kriegswirtschaft. Dann ist vieles möglich bei den voraussichtlich bald kommenden vorgezogenen Wahlen.

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