In den Monaten nach dem Skandal rund um die BAWAG und die darauf hin auftauchenden Unzulänglichkeiten des ÖGB, mit der eigenen Geschichte ins Reine zu kommen, haben viele KollegInnen in zahllosen Betrieben und praktisch allen Gewerkschaften auf eine grundlegende Reform gehofft, damit wir endlich wieder eine Organisation haben, die den permanenten Abbau unserer Errungenschaften bekämpft. Während des sog. Reformprozesses haben wir leider erkennen müssen, dass es sich dabei nur um Theaterdonner handelt. Die wirklich heißen Eisen wurden nicht angetastet. Die Gewerkschaftsspitzen, welche den ganzen Wahnsinn zu verantworten haben, bleiben die gleichen und haben uns eine Show gezeigt, um so zu tun, als ob sie ja doch etwas verändern wollen. Zeit dafür, die Reform endlich selbst in die Hand zu nehmen!
Wer, wenn nicht wir?
Offensichtlich hat die Gewerkschaftsspitze wieder einmal dabei versagt, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Die sogenannten Reform wird alles Wesentliche so belassen wie bisher (s. dazu den Artikel auf S. 6-7). Nicht wenige werden sich denken, dass das alles eh keinen Sinn mehr hat. Auch wenn der von oben organisierte "Reformprozess" eine einzigartige Farce darstellte, so wurde doch offensichtlich, dass ein Großteil der BetriebsrätInnen und kleinen FunktionärInnen eine demokratischere, kämpferischere Gewerkschaftsbewegung will. Erstmals seit langem fanden Forderungen nach echter Gewerkschaftsdemokratie ein breiteres Echo. Diesem Wunsch nach einer demokratischen Gewerkschaftsbewegung kann nur zum Durchbruch verholfen werden, wenn sich die Basis in organisierter Form im ÖGB zu Wort meldet. Das Instrument der Betriebsgruppen erscheint uns dabei als das geeignetste Mittel.
Tatsächlich gibt es laut ÖGB-Statut in jedem Betrieb mit Gewerkschaftsmitgliedern eine gewerkschaftsübergreifende Betriebsgruppe – zumindest formal, denn real existieren diese praktisch nirgends mehr. Diese Strukturen gilt es aber in der kommenden Periode wieder zu beleben.
Wann, wenn nicht jetzt?
In mehreren Betrieben in ganz Österreich entwickelten sich angesichts der ÖGB-Krise Initiativen zur Gründung solcher Betriebsgruppen. Diese haben klarerweise zwei Aufgaben. 1. geht es um die alltägliche Verteidigung gegen Angriffe auf die Arbeitsbedingungen im eigenen Betrieb. Und gerade heute geht es 2. natürlich auch darum, eine breite Basis für den Kampf um eine wirkliche ÖGB-Reform zu schaffen.
Das bedeutet in der Praxis v.a. auch im eigenen Betrieb zu tun, was der ÖGB tun müsste, also insbesondere die vollständige Demokratisierung aller Entscheidungen und die Einbindung der gesamten Belegschaft in die Aktivitäten der Vertretung der Lohnabhängigen – egal ob dies der Betriebsrat oder die zuständige Gewerkschaft ist. Auf Betriebsebene wollen wir mit der herkömmlichen Stellvertreterpolitik durch Betriebsräte und Gewerkschaft Schluss machen.
Die Betriebsgruppen müssen zu Vorbildern werden, wo andere Belegschaften sehen können, dass es auch ganz anders geht, als es die Spitze des ÖGB heute zeigt. Auch wenn es heute noch wenige solcher Betriebsgruppen gibt, so könnten diese doch das Beispiel sein, welches eine grundlegende Veränderung einleitet. Und gerade jetzt ist diese so notwendig wie schon lange nicht. In einigen Betrieben im Wiener Sozialbereich haben sich z.B. solche Betriebsgruppen bereits gegründet. Dies kann natürlich nur der Anfang sein. Wirkliche Veränderungen – sprich den erforderlichen Druck auf die ÖGB-Bürokratie und eine demokratische Massenbewegung von unten – wird es erst geben, wenn es hunderte, ja tausende solcher Betriebsgruppen gibt.
Die Kampagne „Wir sind ÖGB“ hat es sich daher zum Ziel gesetzt, den Austausch über die Erfahrungen solcher Betriebsgruppen zu fördern und diese so bald wie möglich zu vernetzen.
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