Im Zentrum der Politik standen bis jetzt die Bankenrettungspakete. Auf den ersten Blick erscheinen diese als Rückkehr des Keynesianismus, der Vater Staat wieder eine gebührende Rolle im Funktionieren der Ökonomie gibt. Bei genauerer Analyse zeigt sich jedoch, dass diese gigantische Staatsintervention zugunsten der Banken mit der keynesianistisch inspirierten Wirtschaftspolitik in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg nichts gemein hat. Ganz im Gegenteil.
Keynesianismus?
Die Regierungen versuchen weder die produktiven Sektoren der Wirtschaft im großen Stil anzukurbeln, noch drehen sie die Privatisierungspolitik der letzten beiden Jahrzehnte zurück. Von Verstaatlichungen des Infrastrukturbereichs (Bahn, Post, Fluglinien) und der Schwerindustrie lassen die Bürgerlichen und die Sozialdemokratie bewusst die Finger. Es gibt auch kein nennenswertes Konzept zur Hebung der Massenkaufkraft und der Inlandsnachfrage durch ein öffentlich finanziertes Beschäftigungsprogramm.
Wir stehen heute nicht vor einem neuerlichen Prozess von Verstaatlichungen und Staatsinterventionismus im klassischen Sinne, wie wir es aus kritischen Phasen in der kapitalistischen Entwicklung in der Vergangenheit kennen (New Deal unter Roosevelt, Nachkriegsjahre). Wobei wir nicht vergessen dürfen, dass diese Verstaatlichungen darauf ausgerichtet waren, die privaten Unternehmen mit billigen Rohstoffen, Vorprodukten bzw. einem effizienten Transportwesen usw. zu versorgen.
In diesen Phasen fehlte es einfach an privaten Investitionen in zentrale Bereiche der Ökonomie, was eine stärkere Rolle des Staates erforderte, ohne jedoch die Bewegungsgesetze des Kapitalismus außer Kraft zu setzen. Die Blütephase des Keynesianismus basierte auf mehreren historischen Besonderheiten. Die USA waren damals aufgrund ihrer enormen Goldreserven, ihres auch nach dem Krieg noch intakten Produktionsapparats und ihrer Stellung als KreditgeberInnen für die gesamte westliche Welt ökonomisch in der Lage, die Rolle einer Lokomotive für die Weltwirtschaft zu spielen.
Außerdem gab es die handfeste Bedrohung durch die im Krieg wirtschaftlich und militärisch erstarkte Sowjetunion und durch revolutionäre Prozesse in weiten Teilen der Welt (auch in Europa). Nur durch massive Zugeständnisse an die organisierte ArbeiterInnenbewegung konnte diese rote Gefahr gebannt werden. Das Zustandekommen des Marshall-Plans ist nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Die folgenden Jahrzehnte waren eine einzigartige Ausnahmesituation, geprägt von hohem Wirtschaftswachstum, internationaler Arbeitsteilung, wachsendem Welthandel, und konstanter Reinvestition des Mehrwerts in die produktiven Sektoren.
Entgegen der in den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie sehr beliebten Meinung, dass es jetzt eine Rückkehr zu dieser Wirtschaftspolitik braucht, zeigte sich das keynesianistische Modell aber selbst als unfähig, die im Kapitalismus angelegten Widersprüche zu lösen. Mitte der 1970er Jahre war das System von einer Überproduktionskrise und fallenden Profitraten gekennzeichnet. Als Ausweg aus dieser Krise setzte sich im bürgerlichen Lager die Ideologie des "Neoliberalismus" durch.
Diktatur des Kapitals
Wer glaubt, dass die Bürgerlichen ihre Fehler der Vergangenheit kritisch überdenken und zur Vernunft kommen, ist auf dem Holzweg. Den Staat bemühen sie nun rein, um einen Zusammenbruch des Banksystems zu verhindern und die Profite der großen Finanzinstitute zu sichern. Plötzlich ist das Schuldenmachen für den Staat wieder erlaubt. Aber nur zeitlich befristet. Finanziert werden soll das Ganze früher oder später durch Sparpakete bei den Ausgaben für Soziales, Pensionen, Bildung und Gesundheit. In Ländern wie Spanien oder Italien sehen wir das schon heute in aller Deutlichkeit. Österreich, das seit 1955 keine so tiefe Krise mehr erlebt hat, wird diesen Weg genauso gehen müssen. Die ÖVP lässt an dieser Ansicht keinen Zweifel aufkommen.
Das Bankenrettungspaket ist eine gewaltige Hypothek auf unsere Zukunft. Es werde dem Staat nichts kosten, sondern sei ein gutes Geschäft, wollte uns Noch-Kanzler Gusenbauer einreden. Mittlerweile ist klar, dass die Republik durch dieses bisher einzigartige Paket über den Weg gestiegener Zinsbelastungen auf die Staatsschuld teuer bezahlen wird. Die steigende Verschuldung der öffentlichen Hand wird über Anleihen finanziert, für die ab sofort höhere Zinsen zu begleichen sind. Wer hält diese Staatsanleihen? Es sind jene KapitaleignerInnen, die in den letzten Wochen ihr Kapital aus den Aktienmärkten abgezogen haben und nun einen sicheren Hafen suchen - auf Kosten der Mehrheit der SteuerzahlerInnen.
An diesem historischen Wendepunkt, und nichts anderes stellt diese Krise dar, entpuppen sich "freie Marktwirtschaft und Demokratie" als das, was sie in Wirklichkeit darstellen - die Diktatur des (Finanz-)Kapitals. Diese gewaltigen Rettungspakete für die Banken wurden ohne parlamentarische Debatte in einem Zusammenspiel von den Regierungen und den Spitzen des Finanzsystems ausgedealt. In dieser Frage zeigte sich einmal mehr, wo die wahren Entscheidungen in dieser Gesellschaft gefällt werden. Die Treichls, Swarovskis und KonsortInnen in den Vorstandsetagen der großen Banken und Konzerne beziehen nicht nur astronomische Gagen, sie sind auch die wahren Mächtigen. Es handelt sich dabei um eine völlig abgehobene Oligarchie, die mit den Regierungsspitzen auf das Engste verbunden ist und der Politik den Ton angibt.
Krise des Reformismus
Die kapitalistische Krise bringt aber nicht nur die BefürworterInnen der Idee des "freien Marktes" in Argumentationsnotstand. Auch der Reformismus an der Spitze der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften verliert in dieser Situation jede Berechtigung. Unter den Bedingungen der Krise verliert die Politik der Klassenzusammenarbeit ihre materielle Basis. Es gibt nichts, was am Runden Tisch groß verteilt werden könnte.
Die Sozialdemokratie glaubt, jetzt sei die Zeit gekommen für eine verstärkte staatliche Regulierung der Wirtschaft. Doch in Wirklichkeit werden die Bürgerlichen jetzt noch aggressiver ihre Interessen durchzusetzen versuchen. Für Kompromisse mit der Klasse der Lohnabhängigen gibt es jetzt keinen Spielraum mehr. Selbst die kuschelweichen Positionen der Sozialdemokratie sind in dieser Situation für das Kapital untragbar.
Die organisierte ArbeiterInnenbewegung steht nun vor einer wichtigen Entscheidung: Ordnet sie sich in der Großen Koalition und "Sozialpartnerschaft Neu" voll und ganz dem Kapital unter und nimmt sie es hin, dass die Lohnabhängigen für die Krise zahlen? Oder: Geht sie den Weg des organisierten und kollektiven Widerstands zur Verteidigung von Löhnen, Arbeitsplätzen und Lebensstandard jener, die ohnedies zu wenig haben? Selbst in Zeiten des Booms haben die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften Reallohnverluste und sinkenden Lebensstandard nicht verhindern können. Den Lohnabhängigen bleibt nur eins: Sie müssen ihre traditionellen Organisationen endlich wieder zurückerobern und zu Kampfinstrumenten machen. Unsere Antwort kann nur mehr lauten: Klassenkampf!
Es muss endlich Schluss damit sein, dass sich die Sozialdemokratie als bessere Verwalterin des Kapitalismus darstellt. Was unsere Bewegung jetzt endlich braucht, ist eine umfassende Alternative zum kapitalistischen System. Sie muss den Unterdrückten und Ausgebeuteten die Perspektive einer besseren, gerechteren Gesellschaft geben, für die es sich zu kämpfen lohnt. Nur so kann verhindert werden, dass die rechten RattenfängerInnen aus der Krise Kapital ziehen.
Der Kapitalismus zeigt jetzt wieder sein wahres Gesicht. Die Folgen für uns Lohnabhängige werden verheerend sein. Entweder wir akzeptieren fortschreitende Verarmung und zunehmende soziale Ungleichheit oder wir kämpfen für die Beseitigung des Kapitalismus, der uns keine menschenwürdige Zukunft bieten kann und wird.
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