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Freitag, 1. Mai 2009

Ois wiad schee - so a Schmäh

Von der Gemeinde Wien ausgegliederte Sozialbetriebe sollten sich vernetzen. Bevor Mitte 2006 die Suchtarbeit aus dem "Fonds Soziales Wien" (FSW) in die "Sucht- und Drogenkoordination Wien gemeinnützige GmbH" (SDW) ausgegliedert wurde, gab es nur mehr das Gelbe vom Ei.

Eine supertolle Betriebsvereinbarung würde es geben, ganz schnell, und selbstverständlich Berge an betrieblichen Sozialleistungen, die KollegInnen würden alle besser verdienen, alle Rechte des Betriebsrates eingehalten. Die Sonne würde quasi nie mehr untergehen - so zumindest klangen die Schalmeientöne der späteren Geschäftsführer der SDW. Nach mehr als zweieinhalb Jahren sieht die Bilanz der grauen Realität aber etwas anders aus.
Der folgende Gast-Kommentar von mir wurde erstmals am 27.04.2009 auf der website der KIV veröffentlicht.

Realität


Von den genannten Versprechungen ist bis heute keine einzige verwirklicht worden. Betriebsvereinbarung gibt es noch keine einzige - nicht einmal jene, welche vom in der SDW zur Anwendung kommenden BAGS-Kollektivvertrag verpflichtend vorgesehen sind.

Elektronischen Arbeitszeiterfassung


Dafür hat die Geschäftsführung der SDW aber gerade die Schlichtungsstelle beim Arbeits- und Sozialgericht angerufen, um eine Betriebsversammlung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung zu erzwingen.
Hierzu gilt es anzumerken, dass diese Betriebsvereinbarung von der Belegschaft eindeutig abgelehnt wird. Auf mehreren Betriebsversammlungen hat die Belegschaft über ihren Standpunkt dazu abgestimmt und eine solche Betriebsvereinbarung bisher immer ohne Gegenstimme abgelehnt.

"Er möge doch klagen"


Realität ist also, dass die Geschäftsführung erzwingt, was ihre zur Verwirklichung ihrer Ziele passt, die Wünsche der Belegschaft allerdings eiskalt ignoriert. Die Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind in dieser Firma weniger wert als das Papier der Gesetzbücher, auf dem sie niedergeschrieben sind.
Wenn der Betriebsrat diese einfordert, antwortet die Geschäftsführung entweder, dass es so etwas in der SDW nicht gäbe, oder, dass sie hier halt anderer Rechtsmeinung sei als der Betriebsrat.
Die Suche nach Kompromissen ist genauso erfolgversprechend wie jene nach dem Stein der Weisen im Mittelalter, da die Geschäftsführung dem Betriebsrat bei unterschiedlichen Rechtsauffassungen schlicht und einfach nahelegt, er möge doch klagen, um die Meinungsunterschiede einer Klärung zuzuführen.
Ungleichheit: Von Essensmarken bis Arbeitszeit
Tatsächlich verschärfen sich auf dieser nichtbestehenden kollektiven Rechtsbasis die Ungleichheiten permanent. Das fängt bei Essensmarken an (die KollegInnen, die schon beim FSW waren, haben sie - die anderen nicht) und hört bei der Arbeitszeit auf.
Die alten FSWlerInnen haben 40-Stunden und eine halbe Stunde bezahlte Mittagspause, jene, die neu hinzugekommen sind, haben auf Basis des BAGS-Kollektivvertrages 38 Stunden ohne bezahlten Pause.
Manche KollegInnen, die der Geschäftsführung aus welchem Grund auch immer wichtig sind, bekommen viel mehr Geld als im Kollektivvertrag vorgesehen, andere können am Kollektivvertragslohn sitzen bleiben, bis sie in Pension gehen, wenn sie denn so lange in der SDW bleiben würden; aber dazu kommen wir später.

Besser verdienen


Aber ach, hier gab es nämlich doch eine Verbesserung. Über 90 Prozent der KollegInnen, welche bereits beim FSW waren, verdienten in der SDW schnell deutlich besser. Rein zufälligerweise war dies aber nicht der Großzügigkeit der Geschäftsführung geschuldet, sondern der Tatsache, dass sofort mit Gründung der SDW der BAGS-Kollektivvertrag zur Anwendung kommen musste.
Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden - der BAGS ist kein besonders guter Kollektivvertrag, schon gar nicht, was die Bezahlung angeht, aber er liegt halt trotzdem weit über dem, was die KollegInnen im Zeitalter der Einzelverträge im FSW verdient haben.

Arbeitsdruck & Personal


Gleichzeitig steigt auch der Arbeitsdruck kontinuierlich. In manchen Abteilungen müssen einzelne Berufsgruppen heute um bis zu 50 Prozent mehr KlientInnen betreuen als früher. Der bescheidene Personalzuwachs, den es gibt, kann mit den steigenden Leistungsanforderungen bei weitem nicht Schritt halten, und wer sich dagegen zur Wehr setzt, wird hinausgemobbt - von der Administrationskraft bis zur Abteilungsleitung.
Nicht weiter verwundern wird es die LeserInnen, dass der einzige Bereich, in dem das Personal in nicht einmal zwei Jahren fast verdreifacht wurde, das Büro des inhaltlichen Geschäftsführers ist.

Verweildauer und Fluktuation als Alarmsignale


Tatsächlich sieht es ob der hohen Fluktuation so aus, als ob die Firma für die meisten KollegInnen nur eine Notlösung wäre, bis sie etwas Besseres gefunden haben, was scheinbar nicht besonders schwer ist. Bei einer Belegschaft von rund 75 Personen haben nämlich an die 30 KollegInnen in 32 Monaten das sinkende Schiff verlassen.
Die durchschnittliche Verweildauer im Betrieb liegt (die Zeiten der übernommenen KollegInnen bei FSW bzw. PSD schon mitgerechnet) bei den KollegInnen, welche aufgehört haben, auf Basis der zur Verfügung stehenden Zahlen bei knapp unter zwei Jahren und würde noch weit niedriger liegen, wenn nicht zuletzt ein Kollege, der seit Anfang der 1980er beim PSD war, in Pension gegangen wäre.
Verweildauer und Fluktuation als Alarmsignale dafür, dass in der Firma etwas nicht stimmt, obwohl beides in der sog. Managementlehre zu den Basics gehört - nicht in der SDW. Als Betriebsrat wissen wir nicht einmal, ob diese dramatischen Zahlen der Geschäftsführung schon aufgefallen sind.
Die Liste der Grausamkeiten ließe sich noch sehr lange fortsetzen, die genannten Beispiele sprechen aber eine solch deutliche Sprache, dass dies wohl nicht erforderlich ist. Wenden wir uns daher den Chancen und Grenzen der Betriebsratsarbeit in einer KleingmbH zu.

Betriebsratsarbeit


Je kleiner ein Betrieb, eine Belegschaft werden, desto leichter ist es für die jeweilige Geschäftsführung, die Interessen der Beschäftigten zu ignorieren.
Die Durchsetzungsmacht einer Belegschaft bzw. eines Betriebsrates sinkt ebenso mit der Betriebsgröße wie die Unterstützung seitens der Gewerkschaft (die in unserem Fall aber ehrlich gesagt trotz der Kleinheit des Betriebes noch ziemlich gut ist).
Ich kann daher nur davor warnen, auch nur eine Sekunde lang den Versprechen diverser Geschäftsführungen zu glauben, dass kleine Betriebe immer die persönliche Kommunikation ermöglichen, wodurch alle Probleme ganz schnell und individuell gelöst werden können, da ja eh alle jederzeit zur Geschäftsführung kommen könnten ...

Die Realität ist genau umgekehrt


Zur Geschäftsführung vorzudringen ist für die meisten KollegInnen in etwa so wahrscheinlich wie der sprichwörtliche Lotto-6er.
Auf Grund der Kleinheit des Betriebes ist es statt dessen aber viel leichter, ein Klima permanenter Angst zu schüren (KollegInnen die ihre Meinung sagen, werden ziemlich schnell persönlich von Führungspersonen persönlich abgewertet), so dass die KollegInnen ihre Anliegen gar nicht erst artikulieren.
Und wenn der Betriebsrat mit diesen Anliegen zur Geschäftsführung geht, wird er damit abgeschast, dass diese ja nur seine Meinung wären, weil von den KollegInnen noch niemals solche Wünsche artikuliert worden seien ...

Rechte werden nicht eingehalten


Die Arbeit eines Betriebsrates unter solchen Bedingungen ist alles andere als einfach. Wie bereits ausgeführt, werden dessen gesetzliche Rechte im Wesentlichen nicht eingehalten.
Zum Beispiel behauptet die Geschäftsführung tatsächlich, dass es in der SDW keine Versetzungen gibt, nur um diese dem Betriebsrat nicht melden zu müssen. Mich würde dann aber schon interessieren, wieso Kollegin X dann von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr im Bereich A sitzt, sondern in der Abteilung B.
Gleichzeitig wird der Betriebsrat massiv in seiner Tätigkeit kontrolliert, die im FSW für diese Arbeit zur Verfügung stehende Zeit und Freiheit wird mit allen Mitteln eingeschränkt, Betriebsratsbüro gibt es trotz gegenteiliger Versprechungen natürlich keines, was dazu führt, dass Einzelgespräche mit KollegInnen im Betrieb praktisch unmöglich sind, ...

Demokratische Diskussionskultur


Tatsächlich kann ein Betriebsrat unter diesen Bedingungen fast nichts durchsetzen. Einzig die kollektive Stärke der gesamten Belegschaft kann es. Diese wiederum hängt
  • von der Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder,
  • von der Bereitschaft der Belegschaft zu politischen Aktionen und
  • davon ab, dass es eine möglichst demokratische Diskussionskultur gibt. Wenigstens in diesem Bereich war die SDW für die KollegInnen ein deutlicher Fortschritt. Es gibt eine eigene Betriebsrats-Website mit Diskussionsforum, in welchem die KollegInnen in geschütztem Rahmen ihre Meinungen äußern können, da ihre wahre Identität nur dem Administrator der Website bekannt ist.
Alle wesentlichen Fragen werden auf Betriebsversammlungen (2008 zum Beispiel hat es sieben gegeben) diskutiert und abgestimmt, wobei sich der Betriebsrat selbstverständlich an die Ergebnisse dieser Abstimmungen hält.

Was tun?


Aber das ist nur die Basis. Bis dato hat die Geschäftsführung trotzdem alle Anliegen der Belegschaft kaltlächelnd ignoriert.
  • Unterschriftenlisten,
  • offene Briefe der Belegschaft,
  • E-Mails von Betriebsversammlungen,
  • Schreiben von Betriebsrat und Gewerkschaft
haben alle nichts gefruchtet.
Jetzt müssen weitere Schritte folgen
Wir überlegen daher seit längerem, den Konflikt mit der Geschäftsführung auf die Ebene der politisch Verantwortlichen zu heben bzw. in die Öffentlichkeit zu tragen. Sicherlich haben wir dabei den Vorteil, dass Sucht ein solch sensibles Thema ist, dass sowohl Medien als auch alle politischen Parteien sofort darauf anspringen.
Sonst wäre es uns 2004 (damals war der Autor Betriebsratsvorsitzender im FSW) im Rahmen der Plattform "Soziales in Wien" (ein Zusammenschluss von Gewerkschaften und Betriebsratskörperschaften, welche von der Ausgliederung der MAs 12 und 47 betroffen waren) wohl auch nicht gelungen, einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss zu erreichen, welcher den FSW zur Verhandlung einer Betriebsvereinbarung zwang.
Auf eigene Stärken besinnen
Das zeigt, dass wir Beschäftigten uns auf unsere eigenen Stärken besinnen müssen. Wenn wir alle gemeinsam für eine Sache einstehen, kann jede Geschäftsführung auf dieser Welt nur mehr zusehen. In Argentinien z.B. wird seit Jahren ein Krankenhaus sehr erfolgreich von den Beschäftigten selbst geführt, nachdem das Management davongejagt wurde.
Auch wenn wir leider davon hierzulande noch weit entfernt sind, können wir Beschäftigten gemeinsam doch noch immer fast alles erreichen, wenn wir den Mut zur direkten kollektiven Aktion aufbringen. Wenn wir das nicht tun, haben wir schon verloren.
Regelmäßig vernetzen
Eines muss uns aber auch bewusst sein: Gerade wegen der Kleinheit vieler Sozialbetriebe ist es für eine Belegschaft alleine sehr schwer, etwas durchzusetzen.
Die Belegschaften und Betriebsratskörperschaften aller von der Gemeinde Wien ausgegliederten Sozialbetriebe sollten sich daher regelmäßig vernetzen,
  • um ihre Anliegen zu besprechen,
  • Forderungen aufzustellen und
  • Methoden zu ihrer Durchsetzung zu erarbeiten.
Nur so werden wir wohl langfristig die permanenten Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen verhindern können.

Ein- statt ausgliedern


Und diese Verschlechterung hat mit der ersten Ausgliederung begonnen. Daher kann - auch wenn bei der Gemeinde Wien selbst vieles im Argen liegt - das Endziel nur darin bestehen, dass alle ausgegliederten Betriebe inklusive der heute privatrechtlich dort Beschäftigten wieder in die öffentliche Hand eingegliedert werden!

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