Am 1.2.2012 demonstrierten wieder einmal viele Tausend Beschäftigte aus dem privaten Sozial- und Gesundheitsbereich für einen ordentlichen Kollektivvertragsabschluss. Schön langsam wird diese ritualisierte Form des Klassenkampfes auch in dieser Branche zur Tradition. Und das ist gut so! Im Gegensatz zu zahlreichen Unkenrufen haben wir Beschäftigten damit in den letzten beiden Jahren eindrucksvoll bewiesen, dass wir nicht nur kämpfen können, sondern auch wollen.
Aber werden Demos in vier Landeshauptstädten alle 1-2 Jahre mit ein paar tausend TeilnehmerInnen wirklich dazu ausreichen, die katastrophalen Arbeitsbedingungen in unserer Branche zu verbessern? Werden sie dazu reichen, die 17% Differenz zum Durchschnitt der Kollektivvertragsgehälter zu schließen?
Viele KollegInnen sind der Meinung, dass das nicht reichen wird und ich komme nicht umhin, mich dieser Meinung anzuschließen. Wem tut es schon weh, wenn ein paar Tausend von uns auf der Straße sind, während die anderen KollegInnen schön brav arbeiten gehen und dabei die Arbeit von uns DemonstrantInnen zusätzlich mitmachen? Demonstrationen sind als öffentlicher Ausdruck unseres Unmutes wichtig; wir sollten diesen daher auch in Zukunft so oft wie möglich auf die Straße tragen.
Um unsere Interessen wirklich durchsetzen zu können, wird es aber mehr brauchen! Wenn z.B. nur in allen Kindergärten des Landes – sagen wir noch gar nicht gestreikt wird, sondern nur eine ganztägige Betriebsversammlung stattfindet, dann könnten die Kinder nicht betreut werden. Sicherlich wird dies auch den betroffenen Elternteilen weh tun. Mit einem Appell an ihre Solidarität könnten wir wohl aber die überwiegende Mehrheit davon überzeugen, dass unsere Aktionen auch im Interesse ihrer Kinder und damit ihrem eigenen ist. Was aber noch viel wichtiger ist: All die betroffenen Elternteile könnten zur aktiven Solidariät aufgerufen werden, indem sie ersucht werden, ihre Kinder an diesem Tag nicht zur Oma, Schwester oder wem auch immer zu bringen, sondern mit dem Hinweis auf die Betriebsversammlung im Kindergarten selbst der Arbeit fernzubleiben. Bei Angestellten geht das sogar unter Berufung auf eine einschlägige gesetzliche Bestimmung als Dienstverhinderung durch und das Gehalt muss fortgezahlt werden. Damit würden an einem einzigen Tag zehntausende Werktätige in der Privatwirtschaft nicht arbeiten. Und an diesem einzigen Tag würde die Wirtschaft so viel an Gewinnen einbüßen, dass eine ordentliche Gehaltserhöhung für uns Beschäftigte im Sozialbereich damit wohl schon für ein ganzes Monat finanzierbar wäre.
Dabei handelt es sich selbstverständlich nur um ein Beispiel unter vielen. In der GPA-djp Wien wurde in einer Sitzung kurz vor den Demonstrationen darüber diskutiert, wie und in welcher Form sich welche Betriebe im Sozialbereich an einem Streik beteiligen können. In Anbetracht der Angst vieler Beschäftigter, ihre KlientInnen im Stich zu lassen, war das schon längst überfällig. Ein Streik im Sozialbereich ist nur möglich, wenn die sehr unterschiedlichen Formen, in denen wir arbeiten, mitbedacht werden, wenn unterschiedliche Formen des Streiks kombiniert werden und trotzdem zum gleichen Zeitpunkt mit dem gleichen Ziel stattfinden. Das darf aber keinesfalls eine Ausrede dafür sein, dass wir nicht kämpfen können!
Wenn wir das schaffen, dann können wir tatsächlich beweisen, dass wir für unsere Interessen kämpfen können. Es geht aber nicht nur um die Form des Kampfes, sondern auch um dessen Ziel. Mittlerweile befürchten viele KollegInnen, dass der Abschluss des Kollektivvertrages erst mit März erfolgen könnte. Und eine Milchmädchenrechnung belegt, dass die Geschäftsführungen dann leicht einen höheren Abschluss zugestehen könnten und es sie doch nicht mehr kostet. Ein Abschluss von 3,3% (Inflation 2011) kostet sie pro Person (ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld) für 12 Monate 39,9% eines Bruttogehalts des letzten Jahres. Ein Abschluss für nur 10 Monate (März bis Dezember) in Höhe der Forderung der Gewerkschaft von 4,1% auch nur 41% dieses Betrages.
Jeder Abschluss unter 4% wäre in Anbetracht dieser Situation schlichtweg ein Skandal. Ganz abgesehen davon, müssen wir in Anbetracht der Differenz zu den anderen Kollektivverträgen ohnedies einen rückwirkenden Abschluss für das ganze Kalenderjahr fordern, sonst werden aus den o.g. 17% schnell noch mehr werden.
Wir müssen auf die KlientInnen schauen. Ja, das ist unser Job. Wir müssen aber auch auf uns selbst schauen – sonst können wir auch auf niemanden anderen schauen. Denn: Wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich!
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