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Mittwoch, 25. Februar 2015

QuerHerumBetrachtet: Bürgerforum – interessant und dubios

Gestern hatte ich erstmals die Möglichkeit am Bürgerforum (zum Thema: "Angst vor dem Terror - das Ende von Multikulti?") live teilzunehmen und sogar auf der Seite des Studios, die Fragen stellen und Meinungen abgeben darf. Sagen konnte ich nichts, obwohl ich so oft aufgezeigt habe, dass mir jetzt noch der Arm weh tut, also mag es durchaus sein, dass aus diesen Zeilen zum Teil auch der Frust spricht.

Wenn ich die Inhalte Revue passieren lasse, dann fällt deutlich auf, dass die Anmerkungen aus dem Publikum deutlich mehr Substanz hatten als jene der PolitikerInnen in der Mitte der Arena. Diese (Strache, Mikl-Leitner, Glawischnig, Ostermayer) übertrumpften sich gegenseitig an Inhaltsleere und versuchten einmal mehr, die österreichische Bevölkerung für dumm zu verkaufen. Wenn Strache z.B. nach Jahren der Islamhetze in Wahlkämpfen und seiner üblichen Aussagen in den Medien plötzlich meint, dass er ja eh keine Problem mit MuslimInnen im Land habe, solange sich diese nur an die Regeln halten würden, dann spottet das der Intelligenz der Menschen Hohn. Und wenn die VertreterInnen der Regierungsparteien das neue Islam-Gesetz als Fortschritt zu preisen versuchen, dann ist das einfach nur unehrlich!
Was bitte soll daran OK sein, dass einer bestimmten Glaubensgemeinschaft Sonderpflichten auferlegt werden, die alle anderen nicht erfüllen müssen. Wenn z.B. der katholischen Kirche die Finanzierung aus dem Ausland verboten werden würde oder auch die Ausbildung ihrer Priester im Ausland (vatikanische Universität), dann gäbe es einen Aufschrei im Lande! Und es gibt ja in Österreich auch immer mehr Pfarrer, deren Deutsch gerade dazu ausreicht, ein paar Zeilen aus der Bibel abzulesen und das dann als Predigt zu verkaufen. Aber manche sind halt doch gleicher … und das fast 80 Jahre nachdem auch in Österreich endlich die Trennung von Staat und Kirche verankert wurde. Realität geworden ist diese bis heute nicht. Wenn z.B. der katholischen Kirche die gleichen Sonderpflichten auferlegt würden wie der islamischen Glaubensgemeinschaft, dann würden alle PolitikerInnen vor der Macht dieser Institution (insbes. des Vatikan selbst) in die Knie gehen!
Tatsächlich ist mir persönlich ja Religion herzlich egal. Ich halte sie mit dem alten Marx noch immer für das „Opium des Volkes“, welches dazu dient, von den wirklich wesentlichen sozialen Problemen abzulenken. Aber Religion muss Privatsache sein, die den Staat nichts angeht. Genau sowenig wie sich egal welche Religion in die Angelegenheiten des Staates, also von Gesellschaft und Politik, einzumischen hat.
Wenn wir von ein paar rechten Rülpsern aus dem Publikum und den paar üblichen Dummheiten über die angeblich so aggressiven muslimischen Jugendlichen absehen, dann war das Publikum mehrheitlich durchaus der Meinung, dass der Islam seinen Platz in Österreich haben muss. Das war auf eine gewisse Art durchaus wohltuend. Nicht, weil ich persönlich den Islam jetzt gut finde, sondern weil es darauf verweist, dass Religionen gleich behandelt und auch als gleich angesehen werden müssen.
Nichtsdestotrotz hat leider nur eine Frau aus dem Publikum (ich durfte dankenswerterweise neben ihr sitzen) darauf hingewiesen, dass die Probleme, die es gibt, soziale Ursachen haben. Und dieser Aspekt ist in der ganzen Diskussion sonst mehr oder weniger gar nicht mehr vorgekommen.
Wenn Jugendlichen keine Zukunft haben, präziser formuliert, ihnen diese Zukunft von einer Gesellschaft genommen wird, die tatenlos dabei zusieht wie im sechstreichsten Land der Welt über 20% der Bevölkerung armutsgefährdet sind (darunter weit über 300.000 Kinder), während die Vermögen der Superreichen ins Unermessliche wachsen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn große Teile dieser Jugendlichen diese Gesellschaft nicht als ihre sehen – vollkommen unabhängig von Religion oder politischer Orientierung. Wenn aber Teile dieser Jugendlichen noch zusätzlichen Sondergesetzen unterliegen (den diversen Spezialgesetzen für AusländerInnen), die ihnen noch weitere Möglichkeiten nehmen und noch mehr Ungleichheit schaffen, dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn diese sich noch weiter von dieser Gesellschaft entfernen und manchmal sogar die Dummheit begehen, in einen „heiligen Krieg“ zu ziehen, der ihnen eine Bedeutung gibt, welche die Tatsache zu kompensieren scheint, dass ihnen hierzulande jede Würde genommen wird.
Auch dieser Aspekt kam leider nicht zur Sprache. Mag an der Vorauswahl des Publikums liegen, das doch sehr religionsgemeinschaftslastig war. Mag auch daran liegen, wer zu Wort gekommen ist. Neben mir z.B. saß eine Muslima, die so nebenbei immer wieder sehr kluge Sachen von sich gab – dran gekommen ist sie genau sowenig wie ich, obwohl vielleicht auch sie noch heute einen Muskelkater vom vielen Aufzeigen hatte. Oder auch der Kollege in der Reihe vor mir mit einem sehr coolen Dopplereffekt-T-Shirt. Überhaupt sind Männer ohne Anzug und Krawatte praktisch nicht dran gekommen. In diesem Sinn ist es vielleicht wirklich ein „Bürger“forum, das halt nur Interesse an dem hat, was dem Klischee vom braven/der braven StaatsbürgerIn entspricht. Die offiziellen Vertreter (es waren halt wieder mal nur Männer) der Religionsgemeinschaften sind hingegen teilweise mehrmals dran gekommen, selbst wenn sie sich teilweise gar nicht zu Wort gemeldet haben.
Die Idee eines Forums, wo Normalsterbliche ohne durch geschnittene Interviews zensuriert werden zu können, live zu Wort kommen können ist gut, die Umsetzung aber bedarf der Verbesserung. Mehrere Wortmeldungen für manche, während andere gar nicht zu Wort kommen, das macht einfach schlechte Stimmung, hinterlässt ein Gefühl der Ungleichbehandlung und der Bevorzugung. Das wirkt auch so, wie wenn manche wichtiger wären.
Und vier PolitikerInnen sind einfach zu viel – die reden dann so viel (abgesehen davon, dass sie sich meist nicht an die Redezeit halten), dass einfach für die Stimme des Volkes zu wenig Zeit bleibt. Zu guter Letzt: Am Namen wäre auch zu feilen: Der Begriff Bürger(In) – auch wenn er heute im Alltag noch immer ständig falsch verwendet wird – ist sozialwissenschaftlich betrachtet noch immer gleichzusetzen mit Kapitalbesitzer(In), also denen die andere für sich arbeiten lassen und so ein gutes Leben haben. Doch in einer solchen Sendung sollen doch wohl auch die zu Wort kommen, die arbeiten müssen, um leben zu können, also arbeitende Menschen, sozialwissenschaftlich ArbeiterInnen genannt. Vox Populi also statt Bevorzugung jener, v.a. der PolitikerInnen, die ohnedies ständig die Massenmedien für ihre Botschaften zur Verfügung haben. Wie wäre es also einfach mit „Stimme des Volkes“?

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