Seiten

Sonntag, 24. April 2016

Gedankensplitter zur ersten Runde der BundespräsidentInnenwahl

Bereits nach Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses (noch ohne Briefwahlstimmen) überschlagen sich die sensationslüsternen Massenmedien in ihren Analysen, die aber alle an den wirklichen Ursachen für die Wahlentscheidung vieler Menschen vorbeigehen.

Klar ist – die Wirtschaftskrise ist auch in Österreich noch immer nicht bewältigt. Die Arbeitslosenzahlen und sinkende Reallöhne sprechen da eine eindeutige Sprache. Hier liegen auch die Ursachen für die berechtigten Ängste vieler Menschen. Sie haben Angst um ihren Arbeitsplatz, Angst vor Altersarmut, wollen eine gute Wohnung, einen sicheren Job und eine Zukunft für ihre Kinder. All das ist zutiefst verständlich. Und in all diesen Bereichen hat die Regierung kläglich versagt.

Von der ÖVP war nichts anderes zu erwarten als eine Politik für die Reichen und Superreichen auf Kosten der breiten Masse. Dass die SPÖ in den letzten Monaten bei praktisch allen Forderungen der Volkspartei nachgegeben hat, ist offensichtlich. Die derzeitige Flüchtlingspolitik spricht dabei eine deutliche Sprache. Aber auch den Verzicht auf Vermögenssteuern im Rahmen der Steuerreform werden die arbeitenden Menschen der Sozialdemokratie nicht so schnell verzeihen.

Viele KommentatorInnen werden sich jetzt auf die vermeintlichen Vorzüge und Nachteile der einzelnen KandidatInnen stürzen und das Wahlergebnis damit zu erklären versuchen, da es sich ja schließlich um eine Personenwahl handelt. Tatsächlich haben die Menschen die Politik der Regierung satt, was die Ursache des Debakels von Khol und Hundstorfer ist.

Doch wo bitte liegen die Vorteile der anderen bürgerlichen KandidatInnen? Diese sind nicht einmal unter dem Elektronenmikroskop zu erkennen. Ein Van der Bellen, der in wirtschaftspolitischen Fragen ähnlich argumentiert wie die Volkspartei ist genauso wenig eine Alternative für die Lohnabhängigen wie eine Frau Griss, die nicht einmal eine ordentliche Distanzierung vom Nationalsozialismus über die Lippen bringt.

In der SPÖ werden ab Morgen die Wogen hochgehen. Viele werden versuchen, den sozialdemokratischen GewerkschafterInnen die Schuld für die Niederlage in die Schuhe zu schieben. Nichts könnte falscher sein. Fast alle Vorzüge, die von der Löwelstraße für Hundstorfer zusammengezimmert wurden, gelten in den Kreisen aktiver GewerkschafterInnen als Todsünden, so dass er von vielen KollegInnen und GenossInnen schon lange nicht mehr als Gewerkschafter gesehen wird. Doch hier soll nicht mit „unserem Rudi“ abgerechnet werden.

Auch das übliche Gejammere über zu wenig Kommunikation mit den „Menschen da draußen“ und einen falschen Wahlkampf helfen uns ebenso wenig dabei, das Wahlergebnis zu verstehen. Die wahren Gründe dafür lassen sich in Wirklichkeit in ganz wenigen Worten zusammenfassen. Es ist die Politik der Parteispitze und insbesondere der SPÖ-Regierungsmitglieder, die für das Wahlergebnis verantwortlich sind.

In fast jeder Diskussion innerhalb der Partei, die ich in den letzten Wochen geführt habe, hat die Mehrheit der GenossInnen gesagt, dass sie nicht zur Wahl gehen werden, weil sie die Politik der Partei in der Regierung nicht länger unterstützen wollen. Ich persönlich halte es zwar nicht für richtig, dieses demokratische Grundrecht, welches wir einst hart erkämpft haben, nicht zu nutzen, aber so ist es nun einmal. Doch das lässt sich auch ganz schnell wieder ändern.

Die SPÖ muss sofort wieder Politik für die arbeitenden Menschen machen (Stichworte: echte Vermögenssteuern, Gemeindebau, Schaffung von Arbeitsplätzen durch massive Arbeitszeitverkürzung, Antikapitalismus) statt sich den Interessen des Kapitals unterzuordnen. Wie wichtig eine zumindest ansatzweise an den Prinzipien unserer Bewegung orientierte Politik ist, zeigt sich auch an den Wahlergebnissen in den einzelnen Bundesländern. Während Hofer dank der Unterordnung der SPÖ unter die Politik der FPÖ im Burgenland mit über 42% sein bestes Ergebnis einfahren konnte, erreichte er in Wien, wo die Sozialdemokratie zumindest offiziell noch jede Zusammenarbeit mit den Blauen ablehnt, keine 30%.

Also stellen wir uns einmal vor, wie es aussehen würde, wenn wir wirklich entsprechend unserer Prinzipien und Grundwerte handeln würden! Um eine solche Politik machen zu können, braucht es endlich wieder ein Programm, das sich an unseren Traditionen und der ArbeiterInnenklasse orientiert. Wenn das gelingt, dann werden sich die richtigen Personen für die Umsetzung dieses Richtungswechsels leicht finden lassen. Jetzt eine Personaldiskussion zu führen, hieße, den wirklich wichtigen Fragen auszuweichen.

Wenn diese aber offensiv angegangen werden, dann ist es noch nicht zu spät. Doch die Uhr tickt mit jeder Sekunde schneller. Wenn diese Fragen nicht bald im Sinne der Gründungsväter und -mütter der österreichischen ArbeiterInnenbewegung gelöst werden, ist die SPÖ spätestens 2018 (vielleicht mit Ausnahme Wiens) Geschichte!

In der Zwischenzeit heißt es im zweiten Wahlgang dafür zu sorgen, dass nicht einer, der sich nicht vom Faschismus distanzieren kann, in die Hofburg einzieht. Das heißt nicht, dass wir Van der Bellen aus Überzeugung wählen (in Anbetracht seiner neoliberalen Vorstellungen müssten wir uns da schon kräftig die Nase zuhalten und einige Wodkas kippen), aber wir werden jede mögliche Stimme gegen Hofer abgeben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen