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Donnerstag, 23. Mai 2024

Andreas Pittler: Wiener Triptychon

Ich mach heute mal eine Ausnahme und rezensiere hier eine belletristische Tetralogie von Andreas Pittler, der es immer wieder schafft, Geschichte so alltagstauglich zu übersetzen, dass wir alle daraus lernen können. Und wenn wir es täten, sogar die Fehler der Vergangenheit vermeiden könnten. Aktuell zB die Parallelen unserer Zeit zu den Jahren 1926 bis 1934, die bekanntermaßen zur dunkelsten Phase der jüngsten Geschichte geführt haben. Wer mit offenen Augen durch dieses Land geht, kann sich nur fragen: Wiederholt sich die(ser Teil der) Geschichte dieses Mal als Tragödie oder als Farce?

Mit dem Wiener Triptychon hat Pittler wieder mal eine Glanzleistung vollbracht und neben einer Sozial- bzw. Klassengeschichte Österreichs ab dem 1. Weltkrieg auch eine politische Geschichte vor allem der Organisationen der Arbeiter*innenbewegung vorgelegt.

Am Beispiel dreier Familien - einer proletarischen, einer zumindest anfangs kleinbürgerlichen, die dann absteigt und einer kapitalistischen - arbeitet er die Fortschritte der jungen Republik, vergebliche Hoffnungen und den Abstieg in der 2. Republik heraus.

Die Handlung des ersten Bandes (Wiener Kreuzweg) beginnt kurz nach der Jahrhundertwende und endet nach der Machtübernahme durch die Christlich-Asozialen mit dem sog. Anschluss.

Im zweiten Teil (Wiener Auferstehung) geht es im Wesentlichen um den unter dem Deckmäntelchen des Antikommunismus geführten Kampf der Bürokratie der ehemaligen SDAPÖ gegen jene, die nach dem Februar 1934 die Traditionen einer genuinen Sozialdemokratie aufrecht erhalten haben - die Revolutionären Sozialist*innen. Dieser Band ist bis zu deren Unterwerfung und dem Oktoberstreik sehr dicht und führt uns dann noch durch die dreckigen Machtspielchen eines Herrn Olah, gedeckt und finanziert durch die CIA. Graußig gemahnen die antisemitischen Auswüchse dieser Unperson und anderer Parteigranden.

Im letzten Teil (Wiener Himmelfahrt) regiert die Hoffnung der Kreisky-Jahre, die letztlich alle Protagonist*innen mit der Frage zurücklassen, ob ihr lebenslanger Kampf für eine bessere Welt nicht vergebens war, da es letztlich das einstmals Sozialdemokratische der SPÖ ist, das sich infolge der Packelei mit den Blaunen (und des auch in den 1970ern nach wie vor grassierenden Antisemitismus in der Partei) und der von Olah mit der Institutionalisierung der Sozialpartnerschaft endgültig eingeleiteten Unterordnung unter die Interessen des Kapitals, das gen Himmel gefahren ist.

Für alle, die sich für die SPÖ bzw. deren Niedergang, für Wien, die Geschichte der österreichischen Arbeiter*innenbwegung und auch deren Ideologiegeschichte interessieren ein Must Read. Ganz nebenbei ein Pageturner, der gerne ein paar hundet oder auch tausend Seiten mehr hätte haben dürfen.

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