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Donnerstag, 4. Juli 2024

Natascha Strobl und Michael Mazohl (2022): Klassenkampf von oben. Angriffspunkte, Hintergründe und rhetorische Tricks

Nach bald einem dreiviertel Jahrhundert neoliberaler Propaganda, die dazu geführt hat, dass selbst Menschen, die sich als fortschrittlich oder gar links verstehen, eben diese Propaganda der Superreichen zumindest zum Teil für bare Münze nehmen, ist es hoch an der Zeit, diese zu entlarven. Es ist diese Aufgabe, der sich die Autor*innen gestellt haben.

Klar hat das im Elfenbeinturm und der kleinen Bubble der wenigen noch ideologisch gefestigten Linken eh immer stattgefunden. Aber sicher nicht in den bürgerlichen Massenmedien, die genau von denen besessen und bestimmt werden, welche ein Interesse an dieser Verkehrung der Realitäten auf dieser Welt haben. Das vorliegende Buch stellt sich der Aufgabe, diese Realität wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Und das in allgemeinverständlicher Form, halbwegs einfacher Sprache und gut unterfüttert mit leicht verständlichen Grafiken.  

Gerade während ich diese Rezension schreibe, tobt wieder einmal die öffentliche Debatte, warum eine Arbeitszeitverkürzung notwendig (aus Perspektive der Arbeiter*innenklasse) oder unmöglich (aus Sicht des Kapitals) ist. Tatsächlich ist diese eine Verteilungsfrage, bei der es darum geht, ob wir mit unserer Arbeitszeit noch mehr Profit für das Kapital produzieren oder ob wir ihnen einen Teil davon in Form von weniger Lohnarbeit abknöpfen, was in Kapitel 1 eingängig dargestellt wird.

In einer Reihe weiterer Kapitel stellen sich die Autor*innen wesentlichen Fragen unserer Zeit bzw. der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innenklasse und zeigen auf, dass die Antworten auf diese Fragen letztlich immer eine Folge von Klassenkämpfen sind. Wer diese gewinnt, bestimmt so z.B. ob Armut wirklich bekämpft wird oder nicht, ob es ein funktionierendes Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem gibt oder nicht, wie hoch die Arbeitslosigkeit ist, wie gut oder schlecht und vor allem günstig oder teuer wir wohnen, ob die Klimakatastrophe ernsthaft bekämpft wird oder nicht und am offensichtlichsten wie hoch oder nieder unsere Sozialleistungen, Pensionen und Löhne, sind, aber auch der Reichtum der wenigen wirklich Reichen ist.

An manchen Stellen wäre eine präzisere Recherche angebracht gewesen – so wird (leider!) bei den Kämpfen um eine 35-Stunden-Woche diese der Pflege statt der Sozialwirtschaft zugeschrieben und auch das Jahr, in dem die Forderung nach dieser erstmals erhoben wurde, mit 2020 deutlich zu spät datiert (S. 28).

An anderen wäre eine Präzisierung von Begriffen schön gewesen. Auf den Seiten 254 ff wird der Begriff „Demokratie“ so wiedergegeben, wie wenn es nur eine mögliche Form davon gäbe. Dass wir heute nicht mehr darüber nachdenken, ob das politische System, in dem wir leben, wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, ist allerdings ebenfalls eine Folge des gewonnenen Klassenkampfes von oben, während es bis zum Siegeszug des Neoliberalismus in der Arbeiter*innenbewegung selbstverständlich war, ein repräsentatives parlamentarisches System, wie das, in dem wir leben müssen, nur als versteckte Form der Klassenherrschaft (vgl. dazu https://rotbewegt.at/lexikon/das-programm-von-hainfeld-1888-1889/) zu sehen.

Besonders stark ist das Buch dafür bei der Entlarvung von „Nullbegriffen“ (S. 258) wie „Mittelschicht“, welche uns in die Hirne gehämmert wurden, um zu verschleiern, dass permanent Klassenkampf stattfindet. Schließlich kann ja eine Mitte, zu er eh alle gehören, nicht gegen sich selbst kämpfen …

Meistens gibt es diesen Klassenkmapf allerdings nur von oben, während wir arbeitenden Menschen durch unsere propagandistisch erfolgreich betriebene Eingliederung in ein (zumeist nationalistisches, wie gerade anlässlich der Fußball-EM 2024) „Wir“ darauf vergessen, dass es da einige wenige gibt, die ganz andere Interessen haben als wir ganz vielen. Doch es sind diese Interessen, die bestimmen, was die Politik tut, wie es in der Arbeitswelt läuft, wie gut oder schlecht unser Leben ist.

Das Buch sei daher allen ans Herz gelegt, die dem Klassenkampf von oben – zuerst mal ideologisch, weil das die Voraussetzung für echte Arbeits- und andere Formen von Klassenkämpfen ist – etwas entgegensetzen wollen. Auch jenen die sich beim Lesen dieser Rezension oder des Buches selbst denken: „Nanonaned – hab ich eh schon immer gewusst“.

Das Buch richtet sich eben nicht (nur) an uns superschlaue ideologisch geschulte Antikapitalist*innen, sondern (vor allem) an jene, denen die Notwendigkeit eines Klassenkampfes von unten nicht mehr bewusst ist. Dem wäre nicht so, wenn wir wenigen mit dem 'richtigen Klassenbewusstsein' so genau wüssten, wie wir ihnen diese Notwendigkeit vor Augen führen und in der Folge zur Realität machen. Genau dabei leisten die in diesem leicht zu lesenden statt wie so oft intellektüll-hirnwixerischen Buch aufgebauten Argumentationslinien einen Beitrag.

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