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Mittwoch, 11. November 2009

QuerHerumBetrachtet: Können 89% wirklich irren?

Die Ergebnisse einer neuen Studie der BBC gehen in Anbetracht der Wirtschaftskrise hart mit dem herrschenden System ins Gericht: 89% der international 29.000 Befragten sind mit dem Kapitalismus unzufrieden, die Hälfte davon tritt für eine stärkere Regulierung der Märkte ein und ein Viertel fordert gar eine neue Wirtschaftsordnung. Dass eine solche nur abseits des Kapitalismus möglich ist, erkennen heute sogar politisch vollkommen Blinde.

Die Rechtfertigungsmaschinerie des Kapitals in Wissenschaft und bürgerlichen Massenmedien hat jene, die den Kapitalismus lieber Heute als Morgen verschwinden sehen wollen, bisher gerne ins linkslinke Eck verbannt. Wenn aber fast 90% von fast 30.000 Befragten dieser Meinung sind, dann wird sich diese Argumentation nicht mehr langen halten lassen. Die Kapitalismuskritik ist - wie die Ergebnisse dieser Studie beweisen - in den Worten der Herrschenden in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Jene, die schon bisher zu den sog. WachstumsverliererInnen zählten, also die Überausgebeuteten in den armen Ländern und die Beschäftigten in den Billiglohnbranchen in den reichen Ländern, haben das schon lange gewusst. Interessant an der vorliegenden Studie ist aber insbes., dass Frankreich und Brasilien zu den kapitalismuskritischsten Ländern zählen, eine der Weltmächte und eine der bedeutendsten wirtschaftlich aufstrebenden Nationen also.
In einer anderen Meinungsumfrage, die jüngst im "Spiegel" veröffentlicht wurde, erklären 73% der Ostdeutschen, dass die marxistische Kritik am Kapitalismus noch immer stimmt. Und die müssen es ja wirklich wissen, haben sie doch die Karikatur des Sozialismus in der DDR, aber auch den Kapitalismus in der BRD erlebt. Ebenfalls 43% der Ostdeutschen haben vor ca. einem Jahr (Oktober 2008) in einer Umfrage der "Super Illus" eine sozialistische Wirtschaft verteidigt, "weil diese die Schwächsten vor Finanzkrisen und anderen Ungerechtigkeiten schützt". Kein Wunder ist es daher auch, dass über die Hälfte der Befragten die sog. Bankenrettungspakete ablehnt. Umfragen in dieser Gruppe von Menschen sind sicherlich von besonderer Brisanz, weil diese heute - 20 Jahre nach dem Fall der Mauer - sicherlich nicht für die Wiederherstellung des undemokratischen DDR-Systems mit seinem stalinistischen Totalitarismus eintreten, sehr wohl nach 20 Jahren Kapitalismus aber ganz genau wissen, wie viel soziale Sicherheit wert ist und dass diese in einer kapitalistischen Wirtschaft unmöglich ist.
Selbst wenn die der Bourgeoisie eigenen Forschungseinrichtungen im Namen eines der bedeutendsten bürgerlichen Fernsehsender der Welt (die britische BBC war ja bisher nicht gerade als kapitalismuskritisch bekannt) noch viele solcher Studien erstellen (zahlreiche weitere mit ähnlichen, wenn auch nicht so deutlichen Zahlen in den genannten Fragen hat es in den letzten Jahren ohnedies bereits gegeben), werden die Herrschenden aber trotzdem nie von selbst kapieren, dass ihr System abgewirtschaftet hat und kosmetische Reformen nichts mehr bringen werden. Dazu wird es schon - wie der Volksmund so schön sagt, die leichten Schläge auf den Hinterkopf brauchen, die das Denkvermögen erhöhen. Und diese Schläge müssen wir Lohnabhängigen ihnen versetzen - in der einzig möglichen Form, die uns zur Verfügung steht: Klassenkampf.
Heute gibt es erstmals seit Jahrzehnten wieder die Chance, dass die Kapitalismuskritik eine materielle Kraft wird, sich organisatorischen Ausdruck in sozialen Bewegungen, Klassenkämpfen und antikapitalistischen Strömungen in den Gewerkschaften und ArbeiterInnenparteien verschafft. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass diese große Chance nicht erneut verpufft. Etwas anderes können wir uns schlicht und einfach nicht mehr leisten!

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