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Freitag, 6. November 2009

Streik an der Uni, Streik in der Fabrik ...

Die Besetzung von Hörsälen löste österreichweit großes Echo aus und genießt enorme Solidarität. Will die Bewegung siegreich sein, muss sie einen Schritt weitergehen.

Die Geschwindigkeit, mit der sich die politische Situation in Österreich derzeit entwickelt, hat sich in den vergangenen Wochen enorm beschleunigt. Die zentralen Faktoren dazu waren die Wahlniederlagen der SPÖ, die zunehmenden Klassenkonflikte aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskrise und nicht zuletzt die völlig überraschenden Uni-Proteste. Was mit dem Slogan "Uni brennt" begann, hat das Potential zu einem sozialen Flächenbrand zu werden. Ob Werner Faymann dann noch immer grinsen wird?
Als einige hundert StudentInnen am 22. Oktober das Auditorium Maximum der Universität Wien besetzten, war dies wie das berühmte Streichholz im Benzinfass. Die österreichische Gesellschaft war und ist mit Widersprüchen überladen, für die in den ehrwürdigen Hallen des Parlaments schon längst keine Lösungen mehr gefunden werden kann. Die Regierung machte 100 Milliarden Euro für die Banken locker und will uns ein Jahr später glauben machen kein Geld für Universitäten, Arbeitslose und StudentInnen mehr übrig zu haben. Der SPÖ laufen aufgrund dieser Politik scharenweise die WählerInnen davon, was zur tiefsten Krise der Sozialdemokratie seit 1945 führt. Vizekanzler Pröll (ÖVP) wittert angesichts des angeschlagenen Gegenübers in der Regierung die Chance und drückt den Turbolader des Sozialabbaus, indem er von ihm und dem Kapital gewünschte Kürzungen bei Sozialleistungen durch das "Transferkonto" vorzubereiten versucht. Mit der Forderung nach Abschaffung der Hacklerregelung reizt die ÖVP die Geduld der ArbeiterInnenbewegung bis aufs Letzte. Die Regierung befindet sich in einer Sackgasse, so die ÖVP. Gemeinsames Vorgehen gibt es nur bei der Novelle des Fremdenrechts, wo die Regierungsparteien unter dem Trommelfeuer von FPÖ und BZÖ die Menschenrechte mit Füßen treten, indem sie eines der rassistischsten Fremdengesetze der Welt beschließen.
Die Arbeitgeber nützen die Krise und die damit verbundene Angst vieler Menschen um den Arbeitsplatz zu einer nochmaligen Steigerung der Ausbeutung und zu einer Verhandlungstaktik in den KV-Verhandlungen, die mit Fug und Recht als Kriegserklärung bezeichnet werden kann. Die nicht gerade für ihren klassenkämpferischen Kurs bekannte Gewerkschaft der MetallarbeiterInnen ist gezwungen Betriebsrätekonferenzen einzuberufen, weil die Arbeitgeber die Verhandlungen über eine Lohnerhöhung de facto blockierten. Währenddessen organisiert die Gewerkschaft der DruckerInnen öffentliche Kundgebungen und Demo, weil die Arbeitgeber den Kollektivvertrag aufbrechen und Lohnkürzungen durchsetzen wollen.
Die Situation auf den Unis spitzte sich indessen zu: Die Abschaffung der Studiengebühren führte zu einer Steigerung der InskribientInnenzahlen und damit zu einer weiteren Überflutung der Hörsäle. Gleichzeitig versucht die Regierung den Bologna-Prozess bis zur letzten Akademie umzusetzen, und die ersten Universitäten kündigten an, nicht mehr alle StudentInnen zum Master-Studium zuzulassen. Die Lebensperspektiven tausender, wenn nicht zehntausender Studierender wurden damit bedroht.
Die österreichische Bourgeoisie zog die Ausgebeuteten und Unterdrückten, ArbeiterInnen, Angestellte, Jugendliche in den letzten Jahren soweit am Nasenring durch die Gegend, wie es SPÖ- und Gewerkschaftsführung gerade noch unterstützten. Die größten politischen Frechheiten schienen widerstandslos durchzugehen. Das beste Beispiel lieferten die Universitäten, wo der neoliberale Umbauprozesse von der Masse der StudentInnen jahrelang geschluckt wurde. Der Krug geht aber solange zum Brunnen, bis er bricht. Dieser Punkt scheint an den Unis nun erreicht zu sein. Die Uni-Proteste haben sich auf ganz Österreich ausgeweitet und werden von breiten Bevölkerungsschichten mit großer Sympathie gesehen. Dies gilt vor allem seit der Großdemo vom 28. Oktober, als 30000 Menschen in Wien auf die Straße gingen. Besonders bemerkenswert ist die offene Solidarität der Gewerkschaften, und selbst Kanzler Faymann sieht sich gezwungen "Verständnis" zu zeigen. Diese Bewegung trägt das Potential in sich zum Referenzpunkt für alle Gruppen zu werden, die sich derzeit im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne befinden.
All die oben beschriebenen Auseinandersetzungen tragen denselben Charakter: Es geht um den Kampf gegen die Umverteilung von unten nach oben, gegen Entrechtung, allgemein gesprochen gegen die Auswirkungen des kapitalistischen Systems, die heute jede und jeden negativ erfassen. Naheliegend ist es daher, auch die Kämpfe dagegen zu vereinheitlichen! Es braucht gemeinsame Massenaktionen, die erstens die berechtigten Anliegen der sich bereits in der Auseinandersetzung befindenden Schichten öffentlich sichtbar machen, zweitens den Druck auf Arbeitgeber und Regierung erhöhen und drittens neue Schichten anziehen können. Die gemeinsam Klammer für Studierende, MetallerInnen, DruckerInnen, SchülerInnen und KindergartenpädagogInnen lautet: Wir zahlen Eure Krise nicht! Es muss die vereinigte Kraft der ArbeiterInnenklasse und der Jugend auf die Straße getragen werden, es braucht einen gemeinsamen Streiktag! Für diese Losung treten wir sowohl an den Universitäten, den Schulen und in den Gewerkschaften ein.
Ein entscheidendes Element für die Entwicklung des Klassenkampfes in Österreich war bisher das Fehlen einer glaubwürdigen und weithin sichtbaren Kraft auf der Linken, die den sich entwickelnden Bewegungen eine politische Perspektive geben hätte können. Die MarxistInnen haben immer argumentiert, dass eine derartige Kraft nur im Zuge der vor sich gehenden Differenzierungsprozesse in der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften entstehen kann. Die ersten konkrete Ansätze zur Herausbildung eines linken Flügels in der SPÖ, die SPÖ-Linke, ist in diesem Sinne eine nicht zu unterschätzende Entwicklung der letzten Wochen. Das Gelingen dieses Projekts wird maßgeblich darüber entscheiden, ob der vor unser aller Augen stattfindende politische Prozess längerfristige Auswirkungen haben kann.

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