Mit der Annahme des von den Betrieben vorgeschlagenen Kompromisses ist der Arbeitskampf der oberösterreichischen Ordensspitäler vorerst zu Ende. Das Ergebnis und die Form wie es zu Stande gekommen ist hat viele Minus- aber auch zwei enorme Pluspunkte.
Die Folgen des Kompromisses für die Beschäftigten sind nicht gerade das Gelbe vom Ei. Eine Lohnerhöhung von nur einem Prozent führt in Anbetracht der aktuellen Inflation nicht nur zu einem massiven Reallohnverlust, sondern zu einer massive Senkung des Lebenseinkommens der betroffenen KollegInnen. Die bereits jetzt erfolgte Zustimmung zu einer "moderaten Lohnerhöhung" für 2014 lässt auch für nächstes Jahr Schlimmes befürchten. Doch auch heuer haben die KollegInnen die Wünsche der Politik nach einer Nulllohnrunde ignoriert und sich einen Abschluss erkämpft. Das könnte auch 2014 wieder der Fall sein, wenn sich die Betroffenen bewusst werden, was eine "moderate Lohnerhöhung" bedeutet.
Ein großes Problem dabei werden die dann noch unterschiedlicheren Arbeitsbedingungen für neu eintretende KollegInnen sein. Diese werden nämlich in Folge des Deals deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen haben. Und je unterschiedlicher die Arbeitsbedingungen innerhalb einer Belegschaft sind, desto schwerer ist es, die Solidarität aller KollegInnen herzustellen. Unterschiedliche Arbeitsbedingungen werden von den Bossen nur all zu gern zur Spaltung der Belegschaften eingesetzt. Es gilt sie daher mit allen erforderlichen Mitteln zu verhindern.
Die Arbeitszeitverkürzung auf 39,17 Stunden pro Woche birgt enorme Gefahren in sich. Schon jetzt ist absehbar, dass die versprochene Auszahlung der Zeitguthaben am Jahresende vielen KollegInnen nichts bringen wird. Da werden die ArbeitgeberInnen doch lieber auf eine weitere Verdichtung der Arbeit setzen. Dass das möglich ist, haben die letzten Jahre eindrucksvoll bewiesen, als mit immer weniger Personal die gleiche Arbeit durch mehr Druck bewältigt werden konnte. In Frankreich konnte sogar die fast allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden nahezu ohne zusätzliches Personal bewältigt werden.
Und dann schwebt das wirkliche Damoklesschwert über der Gewerkschaftsbewegung. Auch wenn wir GewerkschafterInnen seit langem eine Arbeitszeitverkürzung fordern und uns jeder Schritt in diese Richtung freut (selbst wenn dieser so gering ausfällt, wie in diesem Fall), so ist mit diesem Kompromiss doch aller Voraussicht nach eine unserer Kernforderungen durchbrochen. Wahrscheinlich wird es sich in Anbetracht der drohenden Arbeitsverdichtung nämlich um eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohn- und Personalausgleich handeln. Und das könnte ein Dammbruch auch für andere Kollektivvertragsverhandlungen sein.
Klar ist aber, dass die Angriffe der Politik im gesamten Sozial- und Gesundheitsbereich weitergehen werden. Die KollegInnen in Oberösterreich haben gezeigt, dass sie zu kämpfen bereit sind. Warum also sollten sie es nicht wieder tun? Vor allem aber haben die KollegInnen in den acht Ordensspitälern bewiesen, dass auch im Sozial- und Gesundheitsbereich gestreikt werden kann, ohne dass die Welt untergeht. Sie haben zum Teil selbst entschieden, wo Notdienste erforderlich sind und sonst den Betrieben die Verantwortung dafür überlassen, dass nicht gearbeitet wird.
Das sollte eine Vorbildwirkung auf die gesamte Branche haben, wo nach wie vor in Teilen die Meinung vorherrscht, dass hier nicht gestreikt werden könne, weil sonst die PatientInnen und KlientInnen darunter leiden würden. Doch viele der PatientInnen haben sich nicht nur nicht über den Streik geärgert, sondern sich gar mit diesem solidarisiert. Und das ist überall möglich, wenn den Betreuten erklärt wird, warum sie für kurze Zeit nicht die gewohnten Leistungen erhalten. Das könnte einen Dammbruch in die positive Richtung bewirken, indem allen Beschäftigten des Sozial- und Gesundheitsbereichs in Österreich klar wird, dass auch sie streiken können!
Die Beschäftigten in Oberösterreich werden sicherlich die Lehren aus ihrem Arbeitskampf ziehen. Die aufgebauten Streikleitungen in jedem der betroffenen Krankenhäuser sind ein Beleg dafür, dass die KollegInnen selbst etwas tun können und nicht darauf warten müssen, bis die Betriebsratskörperschaften und die Gewerkschaftsspitze etwas für sie tut. Jetzt gilt es die Lehre aus dieser Erfahrung zu ziehen und eine permanente Vernetzung an der Basis zu etablieren.
Vor allem aber darf die positivste aller Errungenschaften dieses Arbeitskampfes nicht verloren gehen. Die Tatsache, dass der Kompromiss einer Urabstimmung unter den betroffenen KollegInnen unterzogen wurde, kann gar nicht hoch genug bewertet werden, auch wenn die Mehrheit einem gefährlichen Kompromiss zugestimmt hat. Aber das ist eben Demokratie. In letzter Konsequenz aber würden viele Arbeitskämpfe und Kollektivvertragsverhandlungen ganz anders aussehen und ausgehen, wenn die Basis demokratisch darüber entscheiden würde. Oberösterreich hat deutlich gemacht, dass Urabstimmungen eines der wichtigsten Mittel sind, um die Gewerkschaftsbewegung wieder zu stärken. Ziehen wir die Lehre daraus und machen wir Urabstimmungen zur Selbstverständlichkeit – bei jedem Arbeitskampf, bei jeder Kollektivvertragsverhandlung, bei jedem Abschluss einer Betriebsvereinbarung und überhaupt bei allem, wovon die KollegInnen betroffen sind.
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