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Montag, 24. November 2025

Haben wir eigentlich immer schon so viel gehackelt?

Wenn wir über Arbeit reden, geht es im Wesentlichen um Arbeitszeit. Diese ist wiederum ein Teil unserer Lebenszeit. Davon will das Kapital möglichst viel haben, weil diese die Grundlage seines Profits ist. Logischerweise wollen wir auch möglichst viel davon haben – in Form von Freizeit. Doch selbst diese hat im Kapitalismus einen Zweck – die Wiederherstellung der Arbeitskraft. Unserer eigenen, aber auch der von anderen, die gerade nicht arbeiten – Kindern und Kranken zum Beispiel.

Vergangenheit

In Naturgesellschaften war die Arbeitszeit hauptsächlich von den Jahreszeiten abhängig, da letztlich alles aus der Natur selbst gewonnen wurde. Nur zu bestimmten Jahreszeiten konnte gesammelt, gejagt, gepflanzt, geerntet usw. werden. Den Rest des Jahres über konnten die so erhaltenen Rohstoffe nur weiter verarbeitet werden.

Schon früh begann infolge der durch den Übergang zu einer systematischen Landwirtschaft entstehenden Arbeitsteilung die Herausbildung einer Spaltung der Gesellschaft. Die einen produzierten und die anderen eigneten sich den Teil ihrer Produkte an, die diese  nicht brauchten um (über)leben zu können. Die einen lebten also von ihrer Arbeit, die anderen von ihrem Besitz, der das Resultat der Arbeit der anderen war und ist. Eine kleine Schicht wird also letztlich von den Vielen erhalten. Das war der großen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte, an dem sich bis heute nichts geändert hat: Die Entstehung von Klassengesellschaften.

Neben dem Wechsel der Jahreszeiten war es infolge der unzureichenden Technologie auch der Wechsel von Tag und Nacht, der den Arbeits- und damit auch den Lebensrhythmus bestimmte. Schon im Ägypten lange vor Beginn unserer Zeitrechnung, im vorrömischen Palästina oder im Aztekenreich (hier allerdings bei einer aus fünf Tagen bestehenden Woche, in welcher an 4 Tagen gearbeitet wurde) betrug laut aktuellen Forschungsergebnissen der Arbeitstag in etwa acht Stunden.

Neben den Vorgaben der Natur kam bald ein weiteres Element hinzu, das gesellschaftlicher Natur ist und die Arbeitszeit einschränkte: Religion. So durfte an Feiertagen nicht gearbeitet werden oder es musste Pausen für religiöse Verrichtungen geben. Mit der Entwicklung der Technologie konnte die Arbeitszeit dann noch weiter verkürzt werden. So arbeiteten freie Handwerker*innen im alten Rom etwa nur sechs Stunden pro Tag. Auch im mittelalterlichen Europa betrug die Arbeitszeit laut dem Stand der Forschung in der Landwirtschaft nur etwa 30 Stunden pro Woche. Und das mit viel mehr Feiertagen als heute. Allerdings ohne Urlaub.

Erst mit der zunehmenden Entwicklung dessen, was heute als Industrie bezeichnet wird, hat sich der Rhythmus der Arbeit zunehmend von den Tages- und Jahreszeiten gelöst, was ein Fortschritt wäre, wenn wir tatsächlich selbst darüber bestimmen könnten, wann wir arbeiten und wann nicht. Tun wir aber nicht. Es ist der Produktionszyklus der darüber bestimmt. Letztlich also das, was die sog. Wirtschaft gerade anbieten will. Diese diktiert daher indirekt unsere gesamte Zeit. Und damit unser Leben.

Gegenwart

Mit der Entstehung des Kapitalismus wurden diese Grenzen zunehmen verschoben. In der frühen Industrie waren Arbeitszeiten von 16 Stunden keine Seltenheit. Dadurch konnten sich die besitzenden Klassen immer mehr und mehr von der Arbeits- und damit Lebenszeit der Arbeiter*innenklasse aneignen, also immer mehr Produkte. Marx und Engels prägten dafür den Begriff der Mehrarbeit (die Arbeitszeit, die nicht für das eigene Leben notwendig ist), welche die Grundlage des Mehrwertes ist, aus dem sich wiederum der Profit speist.

Feiertage wurden abgeschafft, Sonntags- und Nachtarbeit eingeführt – die Arbeitszeit immer länger und länger. Zugunsten des Kapitals. Schließlich ist der Wert einer Ware letztlich durch die in dieser enthaltene Arbeitszeit bestimmt (vgl. dazu: MEW 23, S. 187).

Kein Wunder also, dass diese Entwicklung nicht ohne Widerstand bleiben konnte. So war die Verkürzung der Arbeitszeit eine der frühesten Forderungen der entstehenden Arbeiter*innenbewegung. Und ist bis heute eine der beiden wichtigsten – neben höheren Löhnen – geblieben. Der Kampf um den 8-Stundentag begann. Und wurde schließlich in weiten Teilen der Welt gewonnen. Und mittlerweile wieder verloren, wie z.B. die von SchwarzBlau eingeführte Möglichkeit des 12-Stundentages zeigt.

Aber wozu? Einerseits wird auf der Welt viel mehr produziert als gebraucht wird, was die Unmenge an vernichteten Waren und landwirtschaftlichen Produkten eindeutig beweist. Andererseits leben noch immer viel zu viele in Armut.

Zusätzlich verschwimmen in hoch technologisierten Volkswirtschaften die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr und mehr. Zeitlich, weil ja doch mal schnell telefoniert werden kann, wenn die Chefin lange nach Dienstschluss noch schnell was will oder der Chef noch rasch eine Mail an uns schreibt, die beantwortet werden muss. Und örtlich durch die Zunahme des Home Office, welche es dem Kapitals ermöglicht, viel Geld für Büroflächen einzusparen und somit die Ausgaben für konstantes Kapital (alles, was es nicht in Form von Löhnen ausgibt) zu senken. Dadurch kann der von Marx und Engels erkannte tendenzielle Fall der Profitrate, der die tatsächliche Ursache aller Wirtschaftskrisen ist, zeitweise aufgehalten werden.

Zukunft jetzt!

Doch auch heute gibt es noch Ausnahmen: Jene, die mit und in der Natur leben, arbeiten weitaus weniger als wir in den sog. Industrieländern. Gruppen von Jäger*innen und Sammler*innen in der Kalahari z.B. arbeiten nur 15-17 Stunden pro Woche, die ihnen ausreichen, um das zu haben, was sie zum Leben brauchen. Viele werden jetzt sagen, dass sie dafür vieles nicht haben, was wir haben. Stimmt. Dafür haben sie allerdings mehr Zeit zum Leben!

In Anbetracht der auch in Industriestaaten rapide zunehmenden Arbeitslosigkeit, die in sog. unterentwickelten Ländern ohnehin immer eine Massenrealität war, wäre es alleine schon aus sozialen Gründen hoch an der Zeit, die Arbeitszeit massiv zu verkürzen. Ebenso wie in Anbetracht der Tatsache, dass wir heute in der gleichen Zeit viel mehr leisten als früher. So hat sich etwa in Österreich die Produktivität seit der letzten Verkürzung der gesetzlichen Arbeitszeit verdoppelt. Ohne das wir arbeitenden Menschen etwas davon hatten. Diese Produktivitätssteigerung ist einzig und alleine Grundlage für immer groteskere Vermögen.

Schon in den frühen 1970ern erkannten Wissenschafter*innen, dass bei Abschaffung der Arbeitslosigkeit und Ausnutzung aller damals bestehenden technischen Möglichkeiten eine Arbeitszeit von 28 Stunden pro Woche für alle möglich wäre. Was wäre dann erst heute möglich, wenn wir die sprunghafte technologische Entwicklung seither einrechnen? Das, was es in der Kalahari immer noch gibt?

Im ersten Schritt braucht es eine gesetzliche 32-Stundenwoche mit Rechtsanspruch auf eine 4-Tagewoche. Denn die letzte Verkürzung der gesetzlichen Arbeitszeit in Österreich liegt ein halbes Jahrhundert zurück. Die meisten von uns haben also noch nie eine erlebt, während diese vorher innerhalb von rund 15 Jahren um sage und schreibe acht Stunden pro Woche verkürzt wurde.

Und dann muss die Arbeitszeit weltweit solange weiter verkürzt werden, bis alle überall Arbeit haben. Unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten selbst. Dann ist die Kalahari nicht länger eine weit entfernte Weltgegend, dann ist eine Arbeitszeit unter 20 Stunden pro Woche kein Traum mehr, sondern schnell Realität. Und wir alle können mit deutlich mehr Freizeit viel mehr (er)leben. Selbstbestimmt. Und haben dadurch mehr echte Freiheit!

Nutzen wir die Möglichkeiten, die uns der Kapitalismus gegeben hat. Aber nicht für noch mehr Profit, sondern für uns arbeitende Menschen!

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