Samstag, 4. November 2006

Freund(erlwirt)schaft: Der BAWAG-Refco-Skandal

Bawag-Sprecher Thomas Heimhofer: "Refco war nach dem Börsengang und bis vor wenigen Tagen mehr als drei Milliarden Dollar wert, ... Wenn die Vorwürfe stimmen, dann sind alle, auch die Bawag, Opfer von betrügerischen Handlungen geworden." Kann das wirklich stimmen?

Die Fakten sind schnell aufgezählt. Die BAWAG-PSK, die sich in den letzten Jahren durch sehr riskante Geschäfte hervorgetan hat, ist voll in die Bilanzfälschungsaffäre des weltgrößten Börsenmaklers verwickelt. 425 Millionen Euro hat sie verborgt – 75 Millionen an Refco selbst und 350 an den Dritteleigner Bennet. Als Sicherheit dafür stellte dieser seinen Aktienbesitz an Refco zur Verfügung. Dieser war vor einigen Tagen noch über eine Milliarde US-Dollar wert, heute wird er gerade noch auf 280 Millionen Euro geschätzt. Ein satter Verlust für die BAWAG, selbst wenn der Wert nicht noch weiter einbricht, was zu erwarten ist.
Doch gibt es eine Reihe von pikanten Details: Die BAWAG hat von 1999 bis 2004 10% von Refco besessen, ehemalige Spitzenmanager der BAWAG sind ins Topmanagement von Refco gewechselt, die bürgerliche Regierung will jetzt die Staatsgelder von der angeblich roten BAWAG abziehen.
Und schließlich kommt der entscheidende Punkt: Die BAWAG befindet sich zu 100% im Besitz des ÖGB, gehört also letztlich den rund 1,5 Millionen österreichischen Gewerkschaftsmitgliedern. Und das ist selbst im Kapitalismus, wo solche Geschäfte und auch solche Verluste eigentlich nichts Ungewöhnliches sind, der springenden Punkt. Und genau damit versuchen die bürgerlichen Parteien derzeit politisches Kleingeld gegen den ÖGB zu machen.

Kapital und die Spitzen der ArbeiterInnenbewegung: Eine offene Affäre


In der Lebensrealität vieler ehemaliger SpitzenpolitikerInnen oder SpitzenmanagerInnen verwischt sich der Widerspruch von Arbeit und Kapital zusehends. Zahlreiche österreichische Beispiele belegen das: Vranitzky vom Topmanager zum Minister und später Bundeskanzler, Klima ebenso und dann wieder retour, Ruttensdorfer von der OMV in die Politik und retour usw. Diese Verhaberung der Bürokratie von SPÖ und ÖGB mit der Wirtschaft ist es auch, die dafür mitverantwortlich ist, dass beide auf Dauer keine Politik für die Lohnabhängigen machen, sondern immer wieder der beste Verwalter des Kapitals an der Regierung sind.
Die österreichischen Gewerkschaften haben so wie in vielen anderen Ländern auch in ihrer Geschichte Kooperativen (Konsum) und Genossenschaften (Wohnbau) gegründet, um durch die solidarische Finanzierung, die Lebenslagen ihrer Mitglieder zu verbessern. Daran ist nichts falsch.
Gleichzeitig haben die österreichischen Gewerkschaften aber auch ein Wirtschaftsimperium aufgebaut, das seinesgleichen sucht – von Verlagen über Hotelketten bis hin zu einer Bank, also dem Inbegriff des Finanzkapitals. Dort gibt es viele einträgliche Jobs. Und gleichzeitig tut der ÖGB dabei genau das, was er eigentlich entsprechend seiner Geschichte und Gründungsidee bekämpfen sollte: Profit machen.
Wie sollen schließlich die schlechten Arbeitsbedingungen wirklich bekämpft werden, wenn es in den eigenen Betrieben kaum besser ausschaut? Wie soll der Kapitalismus bekämpft werden, wenn Teile des Apparats damit beschäftigt sind, KapitalistIn zu spielen?

Was nun?


An Kooperativen und Genossenschaften, die der ÖGB im Interesse seiner Mitglieder betreibt, ist nichts auszusetzen. Profitorientierte Unternehmen sind aber nicht im Interesse der Mitglieder, sondern im Interesse des Profits – und sie wurden noch dazu mit unseren Mitgliedsbeiträgen gegründet, um heute SpitzenmanagerInnen fette Gehälter zu sichern. So etwas dürfte eine Gewerkschaft eigentlich gar nicht besitzen! Tatsache ist nun aber, dass der ÖGB zahlreiche solcher Firmen besitzt. Sie zu verkaufen, wäre Verschwendung.
Daher:
  • Für die Fortführung aller gewerkschaftseigenen Betriebe unter der Kontrolle ihrer Beschäftigten und von dafür von der Basis gewählten GewerkschafterInnen – diese sollen auch demokratisch über die künftige Geschäftspolitik bestimmen, nicht die ungewählten ManagerInnen!
  •  Für die Wahl aller Leitungspositionen durch die Beschäftigten! Durchschnittslöhne auch für die heutigen ManagerInnen!
  • Verwendung aller Überschüsse dieser Firmen ausschließlich im Interesse der Lohnabhängigen!

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