Samstag, 3. März 2007

Jungbrunnen für die Gewerkschaften: Demokratie und Basisgruppen

Viele KollegInnen fragen sich nach dem ÖGB-Kongress, wie es jetzt weiter gehen soll. Nachdem die SpindoktorInnen der Gewerkschaftsspitze keine Lösungen gefunden haben, wie eine zukunftsträchtige Strategie für die hiesige Gewerkschaftsbewegung aussehen könnte, ist es an der Zeit, das Rad nicht immer neu erfinden zu wollen, sondern in der reichen Geschichte der ArbeiterInnenbewegung danach zu suchen.

ÖGB-Kongress


Viele KollegInnen haben schon vor dem Kongress erkannt, dass kein wirklicher Reformwille herrscht. Kein Wunder, sind doch die handelnden Personen seit vielen Jahren dieselben. Selbst jene an der Basis, die nach den Regionalkonferenzen und der Mitgliederbefragung noch auf Reformen gehofft hatten, wurden schließlich vom Kongress bitter enttäuscht.
Die Ergebnisse lassen sich kurz zusammenfassen: Reform abgesagt! Keine Demokratisierung, sondern Scheinmöglichkeiten der Mitsprache ohne Entscheidungsbefugnis als „Test“, gewerkschaftsübergreifende Basisstrukturen ersatzlos gestrichen, Fortschreibung des Systems Verzetnitsch, dessen ehemalige HandlangerInnen nun das Sagen haben.

Beispiel


Tatsächlich zeigen aber selbst die Ergebnisse der Mitgliederbefragung vor dem Kongress, was die wenigen Beteiligten wirklich wollen: Demokratisierung aller Entscheidungsstrukturen, Möglichkeit der Mitarbeit an der Basis und eine kämpferische Gewerkschaft. Kein Wunder also, dass die Basis nun selbst damit beginnt, sich neue Organisationsstrukturen zu schaffen.
Mittlerweile haben sich in zwei Betrieben des Wiener Sozialbereiches sogenannten Betriebsgruppen gebildet, wie es sie noch vor ca. zwei Jahrzehnten in hunderten wenn nicht tausenden Betrieben in Österreich gegeben hat. Um in der Geschichte fündig zu werden, mussten wir also gar nicht so lange zurück gehen. Auch in anderen Ländern gibt es diese gewerkschaftlichen Betriebsgruppen auch heute noch in praktisch jedem größeren Betrieb. Diese funktionieren ganz anders als der ÖGB. Sie zielen auf die aktive Mitarbeit möglichst vieler Mitglieder ab. Im Betrieb des Autors z.B. – welcher klein ist – nehmen an den monatlichen Treffen rund 10% der Belegschaft teil. Diskutiert werden hier nicht nur innerbetriebliche Fragen, sondern auch die Gewerkschaftsbewegung, internationale Solidarität, die Auswirkungen von Maßnahmen der Regierung auf die Beschäftigten und die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung.
Gleichzeitig sind sie für die darin aktiven BetriebsrätInnen ein wichtiges Element zur regelmäßigen Diskussion mit den aktivsten Teilen der Belegschaft. Dort werden nach dem Mehrheitsprinzip gemeinsam Positionen entwickelt, was letztlich auch verhindert, dass die Betriebsräte, wie es in vielen Betrieben der Fall ist, von der Belegschaft abgehoben werden.
Der Vorschlag zur Etablierung von Betriebsgruppen wurde mittlerweile auch in die GPA eingebracht, als im zuständigen Wirtschaftsbereich für Wien der alljährliche Schwerpunkt Mitgliedergewinnung präsentiert wurde. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass KollegInnen viel eher aktiv oder auch Gewerkschaftsmitglied werden, wo sie volle Mitspracherechte haben. Gefallen hat dieser Vorschlag der Bürokratie nicht, auch wenn er selbstverständlich nicht offen abgelehnt werden konnte. Das zeigt zweierlei. Erstens sind der Bürokratie  passive Mitglieder ohne demokratische Rechte wichtiger als mehr (und erst recht aktive) Mitglieder. Zweitens müssen wir die neue Gewerkschaftsstruktur selbst von unten aufbauen.

Vernetzung


Daher wurde beim letzten Treffen der Kampagne „Wir sind ÖGB“ ein betriebsübergreifendes Treffen im Wiener Sozialbereich angedacht, welches die Auswirkungen der Regierungspolitik auf unsere Arbeitsbedingungen diskutieren wird. Ziel dieses Treffens ist einerseits eine kontinuierliche Vernetzung der bestehenden Betriebsgruppen, andererseits aber auch die Möglichkeit zur Beteiligung von KollegInnen aus Betrieben, wo es solche (noch) nicht gibt, was im Idealfall zum Impuls für die Etablierung von Betriebsgruppen auch in diesen Betrieben werden kann.
Das Demokratisierung und Basisorganisation für einen wirklich neuen ÖGB unbedingt erforderlich sind, ist klar. Die Betriebsgruppen zeigen, dass wir heute schon selbst damit beginnen können. Je mehr demokratische Betriebsgruppen es gibt und je stärker sich diese vernetzten, desto mehr wird die Bürokratie unter Druck geraten und schließlich den politischen Vorstellungen ihrer eigenen Basis weichen müssen. Das wäre dann der Anfang einer wirklichen ÖGB-Reform.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen