Freitag, 15. Juni 2007

Sozialminister Buchinger sagt: "Macht es selbst!"

Bei einer von BetriebsrätInnen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich, FSG-Bezirksgruppen, der Kampagne "Wir sind ÖGB", dem Funke und gewerkschaftlichen Betriebsgruppen veranstalteten Podiumsdiskussion am 14.06.2007 konnten sich rund 70 TeilnehmerInnen selbst ein Bild von den sozialpolitischen Vorstellungen der Sozialdemokratie machen.

Auf dem Podium war neben BetriebsrätInnen aus dem genannten Bereich auch Sozialminister Buchinger vertreten, welcher sich selbst gerne als linkes oder auch soziales Gewissen von Partei und Regierung darstellt.
Er selbst schreibt in seinem webblog über die Veranstaltung: "Um 19.00 Uhr nehme ich an einer Podiumsdiskussion von Betriebsratskörperschaften aus dem Bereich Soziales und Gesundheit teil. Die Diskussion ist eher kritisch. Die Fortschritte im Regierungsprogramm und seiner Umsetzung werden weniger gesehen als die Tatsache, dass "nicht alle" Maßnahmen des Sozialabbaus der Vorgängerregierung beseitigt worden sind bzw. werden. Mein Hinweis, dass wir mit dem größeren Teil der Vorgängerregierung in einer gemeinsamen Koalitionsregierung sitzen und daher die Erwartung, alles könne rückgängig gemacht werden, wohl stark überzogen sei, wird zur Kenntnis genommen."
Recht hat er sicherlich damit, dass die Veranstaltung kritisch war, wobei ich das Wort "eher" durch "sehr" ersetzen würde. Nach den Inputs von BetriebsrätInnen in welchen anfangs auf die sich laufend verschlechternden Arbeitsbedingungen und die zunehmende Betreuungskrise unserer KlientInnen im Gesundheits- und Sozialbereich eingegangen wurde, stellte der Minister die seiner Meinung nach bedeutenden Fortschritte in einer Reihe von Bereichen dar. Tatsächlich konnte dem nachvollziehbar entgegen gehalten werden, dass diese Fortschritte sehr oft nur eine Frage der Perspektive sind. Wenn z.B. viele PensionistInnen jetzt ein paar Euro mehr bekommen, und 2003 im Zuge der sog. Pensionssicherungsreform ein paar Hundert verloren haben, bleibt noch immer ein sattes Minus.
Themen in der Diskussion waren unter anderem die Mindestsicherung, die Pensionsreform, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, die Pflege zu Hause und hier besonders die Arbeitsbedingungen der PflegerInnen sowie die von der Regierung geplante Verlängerung der Amnestie für SchwarzunternehmerInnen.
Zahlreiche kritische Wortmeldungen aus dem Publikum haben sich mit diesen und auch anderen Fragen beschäftigt. Dazu zählten z.B. ein sehr emotionaler und persönlicher Beitrag zur Lage der Arbeitslosen in Österreich, die Folgen der Liberalisierung im Zusammenhang mit GATS und WTO, die Forderung nach einer menschwürdigen eigenständigen Grundsicherung für alle, auch für Jugendliche und in Ausbildung Stehende.
In einer Reihe von Fragen hat der Sozialminister den Wortbeiträgen Recht gegeben. Z.B. hat er sich den Forderungen nach einem Auslaufen der Amnestie für illegale Pflege und der Nicht-Förderung selbständiger PflegerInnen angeschlossen. Positiv war auch, dass Genosse Buchinger die Forderung nach einer Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums unterstützt.
In vielen Fragen hat er keine Antworten gegeben, etwa bei den Auswirkungen der geplanten Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern bei der Mindestsicherung oder der Forderung nach einem bundeseinheitlichen Sozialhilfegesetz, was er mit den derzeit laufenden Gesprächen mit dem Koalitionspartner begründete. Auf eine Reihe wichtiger Forderungen der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich wie jener nach einem gemeinsamen Kollektivvertrag für die Beschäftigten oder der Wiedereingliederung aller privatisierten oder ausgegliederten Sozial- und Gesundheitsbetriebe ist er leider überhaupt nicht eingegangen.
Am Schluss der Diskussion kam noch einmal richtig Stimmung auf, als eine aufkeimende SozialschmarotzerInnendiskussion damit beantwortet wurde, dass die wahren SozialschmarotzerInnen in den Chefetagen der Konzerne, in den Aufsichtsräten, Vorständen sowie Investment- und Kapitalbeteiligungsgesellschaften sitzen. Die Forderung, diese durch gerechte und umverteilungswirksame stark progressive Steuern so zur Kasse zu bitten, dass alle erforderlichen Sozial- und Gesundheitsleistungen finanziert werden können, wurde mit Szenenapplaus quittiert.
Nachdem Genosse Buchinger bei zahlreichen Forderungen nach dringend notwendigen Verbesserungen unserer Arbeitsbedingungen und damit auch der Leistungen für die NutzerInnen von Sozial- und Gesundheitsleistungen insgesamt gemeint hat, dass dazu halt die SPÖ eine klare Mehrheit braucht, oder aber immer wieder "Macht es halt selbst!" einwarf und sich auch den Druck von der Basis wünschte, haben die TeilnehmerInnen beschlossen im Herbst ein Vernetzungstreffen zu organisieren. Auf diesem sollen die besprochenen Themen und deren Bearbeitung durch die Regierung einer Evaluation unterzogen werden, auf deren Basis gemeinsame Schritte geplant werden.
Auch wenn Genosse Buchinger in solchen und zahlreichen anderen Diskussionen oft seine linkeren Vorstellungen darlegt, ist seine Praxis als Mitglied der Bundesregierung nicht von der derzeitigen Linie der SPÖ insgesamt zu entscheiden. Und diese ist eine nahtlose Fortsetzung des Kurses von SchwarzBlauOrange mit kosmetischen Korrekturen. Kein Wunder, in dieser Gesellschaft, die den Profit und nicht die Menschen in den Mittelpunkt stellt, kann keine Regierung einen grundsätzlich anderen Kurs fahren.
Zurecht merkten daher zahlreiche TeilnehmerInnen an, dass sie die sozialdemokratische Handschrift nicht erkennen können und wir uns daher selbst organisieren müssen, um unsere Arbeits- und damit auch Lebensbedingungen zu verbessern. Also packen wir's an!

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