Dienstag, 11. Oktober 2011

Brasilien: Kampf der Feuerwehrleute in Rio de Janeiro

In der brasilianischen Provinz Rio de Janeiro protestieren die Beschäftigten der Feuerwehr seit 9. April 2011 gegen ihre schlechte Bezahlung. Sie haben mehrere Demonstrationen und Kundgebungen organisiert und vor einem Monat ein Lager vor dem Provinzparlament errichtet. Sie wollen die Regierung dadurch zwingen, ihren Forderungen nachzugeben.

Die Feuerwehrleute in Rio beziehen den niedrigsten Lohn aller brasilianischen Provinzen, obwohl Rio eine der reichsten davon ist. Ein Feuerwehrmann verdient dort etwa 1.000 Real im Monat - das sind ungefähr 400 Euro. In Anbetracht der hohen Lebenshaltungskosten ist das ein Armutslohn. Vor kurzem erst hat es die nationale Regierung abgelehnt, per Gesetz landesweite Mindestlöhne für Feuerwehrleute einzuführen. Noch empörender ist allerdings, dass die Regierung bis heute jegliche Verhandlungen über die berechtigten Forderungen der KollegInnen verweigert. Einzig der Gouverneur von Rio, Sergio Cabral, der in seiner Wahlkampagne versprach, den öffentlichen Dienst aufzuwerten und zu fördern, hat inzwischen eine 5,8%ige Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt – in Anbetracht der Hungerlöhne ein inakzeptabler Tropfen auf den heißen Stein.
Im Juni hatten die Beschäftigten die Hauptfeuerwehrwache in Rio besetzt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Militärpolizei verschaffte sich daraufhin gewaltsam Zutritt zum Gebäude, setzte Tränengas gegen die ArbeiterInnen ein und nahm 439 Leute fest. Mehrere Personen, selbst Kinder, wurden verletzt. Die Festgenommenen wurden in die Nachbarstadt Niterol gebracht und ihnen wurden einen Tag lang Nahrung, Trinkwasser und medizinische Versorgung lang verweigert. An den darauf folgenden Tagen kam eine massive Solidaritätskampagne in Gang, als sich in der Stadt Tausende an Demonstrationen gegen die Unterdrückung und zur Unterstützung der Feuerwehrleute beteiligten. Die Regierung musste daraufhin ihre Anklagen gegen sie fallen lassen und sie wenige Tage später frei lassen.
Am 13. September wurden dann zwei Führer des Kampfes, Benvenuto Diacolo und Capitao Marquesine verhaftet und zwei Tage lang eingesperrt, als sie einen Protest vor dem Regierungspalast anführten. Sie wurden des Ungehorsams beschuldigt, was rechtlich möglich ist, weil die Feuerwehrleute als Abteilung des Militärs gelten. Sie werden also nicht als ZivilistInnen behandelt, sondern fallen unter das Militärrecht. Das bedeutet auch, dass ihnen einige Grundrechte vorenthalten werden, darunter das Streik- und Gewerkschaftsrecht. Wenn sie aber nicht streiken dürfen, müssen sie ihre Maßnahmen auf Kundgebungen, Demonstrationen u.a. beschränken. Dies macht es der Regierung selbstverständlich leichter, ihre Forderungen nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Außer einem Mindestlohn von 2.000 Real fordern die Feuerwehrleute auch die Bezahlung der Fahrt zur und von der Arbeit sowie ein Ende des Bonussystems, das von den ChefInnen willkürlich gehandhabt wird. Dies ist der erste Kampf der brasilianischen Feuerwehrleute seit vielen Jahren. Angeheizt wurde die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zusätzlich durch die enorme Inflation in Folge der in der Stadt stattfindenden Fußballweltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016.
Die Beschäftigten der Feuerwehr dürfen keine Gewerkschaft gründen. Deshalb haben sie eine Vereinigung namens SOS Bombeiros ins Leben gerufen, die wie eine Gewerkschaft operiert, aber offiziell nicht als solche geführt wird. Das politische Bewusstsein der kämpfenden KollegInnen hat sich wie immer in solchen Kämpfen massiv weiterentwickelt. Ein Streikender stellte etwa fest, dass der Mangel an Koordinierung zwischen den verschiedenen Protestbewegungen eines der Hauptprobleme sei. So laufen etwa die Kampagne zur Verbesserung des Bildungswesens und jene gegen die Privatisierung des Gesundheitssystems völlig unkoordiniert nebeneinander. Auch die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung in CUT, Conlutas und Intersindical schwächt die ArbeiterInnenbewegung, da die Gewerkschaften nicht willens sind, ihre Kämpfe zu koordinieren.
Dieser Kampf zeigt aber nicht zuletzt die weit verbreitete Unzufriedenheit der Lohnabhängigen mit dem herrschenden System, ein Phänomen, dass es auch in anderen Branchen gibt (und nicht nur in Brasilien) und in Zukunft sicherlich zu weiteren Arbeitskämpfen führen wird.

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