Montag, 7. Mai 2012

Griechenland: Sparpaket abgewählt

Die Parlamentswahlen in Griechenland haben einen politischen Erdrutsch gebracht. In der politischen Landschaft ist (fast) kein Stein auf dem anderen geblieben. Ein Umbau des traditionellen Parteiensystems, wie er sich einst in Italien über fast ein Jahrzehnt hingezogen hat, könnte am Peloponnes innerhalb von nur einer Wahlperiode vonstatten gehen. Und besonders erfreulich ist die sich abzeichnende Trendwende. Nach Jahrzehnten der Rückwärtsbewegung zeigt das griechische Wahlergebnis einen eindeutigen Trend in Richtung Links.

Die Linke zusammen konnte 138 Mandate bzw. fast 45% der Stimmen auf sich vereinen. Innerhalb der Linken hat es eine massive Verschiebung weg von der traditionellen Partei der griechischen ArbeiterInnenklasse – der sozialdemokratischen PASOK – hin zu Parteien gegeben, die zwar auch eine reformistische Politik verfolgen, aber immerhin auf die Stimme des Volkes hören und daher von Anfang an den von EU und IWF diktierten Sparkurs zu Gunsten des internationalen Großkapitals abgelehnt haben. Die PASOK steht – sollte sie sich nicht in nächster Zeit zu einem Kurswechsel durchringen – wohl kurz vor der endgültigen Niederlage ihrer reformistischen Politik: Bei einer Wahl von rund Axel Magnus% auf ca. 13% abzustürzen, muss ihr erst einmal eine andere Partei nachmachen.
Interessant ist hier aber auch, dass diese massiven Stimmverluste sich kaum bei der zweiten traditionellen Partei der griechischen ArbeiterInnenklasse – der stalinistischen KKE – niedergeschlagen haben; diese konnte nicht einmal 1% gewinnen. Ein neuer Beweis, dass das stalinistische Zerrbild der Ideen von Marx und Engels ausgedient hat, was auch die Chance in sich birgt, diese in den Reihen der ArbeiterInnenbewegung in ihrer ursprünglichen Form wiederzubeleben.
Im Gegensatz dazu hat das linke Wahlbündnis SYRIZA deutliche 12% gewonnen und liegt nun mit 17% auf Platz 2 hinter der bürgerlichen ND (Neue Demokratie), die aber auch keine 19% mehr schafft. Wenn wir den Großraum Athen-Piräus-Attika betrachten, wird das Wahlergebnis von SYRIZA noch eindrucksvoller. In diesem politischen und wirtschaftlichen Zentrum des Landes, welches über mehr als die Hälfte der Bevölkerung des gesamten Landes verfügt, hat SYRIZA alle Wahlkreise gewonnen. In Piräus und  zahlreichen Wahlkreisen Athens hat diese sogar mehr Stimmen gewonnen als ND und PASOK zusammen.
Auch die erstmals kandidierende demokratische Linke, welche sich erst 2010 von der SYN (der wichtigsten politischen Gruppierung innerhalb von SYRIZA) abgespalten hatte, konnte auf Anhieb über 6% erzielen. Hätte es die erwähnte Spaltung nicht gegeben, wäre es durchaus möglich gewesen, dass das linke Wahlbündnis bei den Wahlen auf Platz 1 gelandet wäre.
Interessant an diesen beiden Gruppierungen ist, dass sich diese erstens immer schon klar gegen den Kapitalismus ausgesprochen haben und zweitens im Vergleich zu anderen bekannten Parteien ein relativ demokratisches interes Parteiregime leben. Immer wieder kommt es dort – im Gegensatz etwa zur SPÖ – vor, dass sich die Basis in politischen Fragen gegen die Parteispitze durchsetzt und letztere diese Niederlagen dann akzeptiert und die beschlossene Linie in die Praxis umsetzt.
Alles in allem ist das Wahlergebnis innerhalb der Linken ein eindeutiges Warnsignal für all jene sozialdemokratischen Parteien, die die Politik des Kapitals ohne Murren umsetzen – von Wien bis London und von Lissabon bis Oslo. Sollten sie nicht endlich damit beginnen, ihre Politik an den Interessen ihrer sozialen Basis in der ArbeiterInnenklasse zu orientieren, dann droht ihnen ein Schicksal wie der PASOK – Kräfte wie die SYRIZA könnten überall wie Pilze aus dem Boden sprießen!
Traditionell keine Rolle spielen in Griechenland die Grünen. Zu wenig ist es in Griechenland dem Reformismus und der bürgerlichen Journaille gelungen, den Massen einzureden, dass sie doch mittlerweile keine arbeitenden Menschen mehr seien, sondern jetzt zur 'Mittelschicht' gehörten. Insofern gibt es entsprechend der tatsächlichen Klassenspaltung in modernen Industriegesellschaften hier keinen Platz für kleinbürgerliche Parteien und die politische Auseinandersetzung konzentriert sich auf jene Parteien, die eine der beiden gesellschaftlichen Hauptklassen repräsentieren: Arbeit oder Kapital. Das ist für jede politische Partei heute die Frage, die sie für ihre jeweiligen WählerInnen beantworten muss. Wer versucht, sich darum zu drücken, wird auf dem Misthaufen der Geschichte landen!

Bürgerliche in der Krise


Für die Bürgerlichen ist es eine nahezu vernichtende Niederlage, dass ihre historische Hauptpartei auf unter 20% geschrumpft wurde. Noch dazu gibt es am Horizont keine erkennbare Alternative. Abspaltungen von der ND wie aktuell die „Unabhängigen Griechen“ hat es immer wieder gegeben – sie haben aber selten lange überlebt. Und die radikale Rechte ist zu schwach, um wirklich eine Alternative für die Bürgerlichen darzustellen. Abgesehen davon ist diese Option in einem Land mit solch einer ausgeprägten antifaschistischen und revolutionären Tradition wie Griechenland heute einfach zu gefährlich.
Der Wehrmutstropfen dieser Wahl ist trotzdem sicherlich die Stärkung der extremen Rechten Chrysi Avgi mit fast 7% und 21 Mandaten; gleichzeitig hat aber eine andere Partie der extremen Rechten (LAOS) ihre 15 Mandate und auch fast 4% der Stimmen verloren. Insgesamt geht die extreme Rechte also nur leicht gestärkt aus den Wahlen hervor – ihre Zunahme bei den Mandaten ist darauf zurückzuführen, dass über 19% der GriechInnen für Parteien gestimmt haben, die aufgrund undemokratischer Prozenthürden nicht ins Parlament einziehen konnten.
Das Geschreibsel der bürgerlichen Massenblätter vom Wahlsieg der Extremen kann also nur damit erklärt werden, dass diese wie immer die Interessen der Massen, die sich für einen Kurswechsel nach Links ausgesprochen haben, für unrichtig erklären wollen. Nicht zum ersten Mal begehen sie dabei den fatalen Fehler, jene Kräfte, die nicht in der politischen Mitte angesiedelt sind, in einen Topf zu werfen und so der Rechten den Boden zu bereiten, wie es z.B. in Deutschland vor der Machtergreifung Hitlers der Fall war.
Tatsächlich aber ist die Politik der herrschenden Klasse abgewählt worden. Ihr größtes Problem ist daher, dass durch die Fülle der im Parlament vertretenen Parteien eine stabile Regierung zur Fortsetzung des Sparkurses mehr als unwahrscheinlich ist. Trotz des enorm undemokratischen Wahlsystems - so bekommt die Partei mit den meisten Stimmen automatisch 50 Mandate dazu (!) - hat die ND noch nicht einmal ansatzweise eine Mehrheit im Parlament. Selbst die bisherige Sparkoalition aus PASOK und ND hat mit 149 (nach der letzten Wahl 241!) Mandaten (von 300) keine Mehrheit.
Diese Wahl zeigt deutlich, was eigentlich abgewählt wurde: Der Sparkurs auf Kosten der Massen, der die Reichen immer reicher macht! Es wird Zeit, dass die Parteien der ArbeiterInnenbewegung und unsere Gewerkschaften verstehen, dass wir nicht mehr bereit sind, eine Politik auf unsere Kosten ohne Widerstand zu akzeptieren – ob am Peloponnes oder in den Alpen. Wir leisten Widerstand! Und wenn das nicht reicht, dann werden so wie in Griechenland die Parteiensysteme grundsätzlich umgebaut werden. Keine Partei kann sich heute noch sicher fühlen. Für oder gegen die Massen – das ist die Frage, die über ihr Schicksal entscheidet.

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