Sonntag, 22. Juli 2012

Spanien liebt die BergarbeiterInnen

Von über 150.000 BewohnerInnen von Madrid wurde der „schwarze Marsch“ der streikenden Bergleute aus Asturien, Leon, Palencia und Teruel in den Straßen der spanischen Hauptstadt willkommen geheißen. Sprechchöre wie „Lang lebe der Kampf der ArbeiterInnenklasse“ und die „Internationale“ erklangen immer wieder. Die Menge rief: „Bergleute haltet aus – Spanien erhebt sich!“

Der Streik und seine Gründe


Der Marsch dauerte die ganze Nacht, erhellt durch Grubenlampen und Fackeln, an und wurde erst durch Polizeigewalt gestoppt. Bei den darauf folgenden Auseinandersetzungen haben sich erstmals Feuerwehrleute in Uniform, die in Spanien als öffentlich Bedienstete zu Hilfspolizei-Tätigkeiten gezwungen werden, auf der Seite der DemonstrantInnen beteiligt und offen gegen die Staatsgewalt gewendet.
Die den Gewerkschaften UGT und CCOO zugehörigen Kumpel befinden sich seit 6 Wochen im Proteststreik gegen die Entscheidung der konservativen Regierung, die Beihilfe für die Kohleindustrie um zwei Drittel zu kürzen. Dieser Plan kann nicht ohne Schließungen mit dementsprechenden sozialen Folgen umgesetzt werden. Über 200 Bergleute waren daher in der glühenden Hitze von Nordspanien aufgebrochen. Ihr Fußmarsch führte sie durch Städte und Dörfer nach Madrid. Weitere BergarbeiterInnen, deren Familien und BewohnerInnen der Bergbaugemeinden erreichten Madrid in über 500 Bussen. Die Bedeutung ihres Vorgehens geht aber weit über die eigene Branche hinaus. Dieser ist mittlerweile zum Symbol des Kampfes gegen den gegenwärtigen sozialen Kahlschlag geworden.
In einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs ist es kein Wunder, wenn die arbeitenden Massen jede weitere Kürzung auf ihre Kosten nicht mehr länger akzeptieren können. Spanien wird von der Rezession hart getroffen. Die Wirtschaft wuchs von 1999 bis zum Krisenausbruch 2007 im Schnitt um 3,7% pro Jahr. Seither schrumpft sie jährlich um 1%. Der unmittelbare Grund für die spanische Krise liegt in den gewaltigen Anleihen der spanischen Banken, um die Immobilienspekulation in den Boomjahren anzuheizen. Um diese Banken jetzt zu retten, müssen aus der Perspektive des Kapitals Arbeitsplätze und Sozialleistungen geopfert werden. Letztlich sollen damit nur einmal mehr die Profite jener SpekulantInnen und InvestorInnen gerettet werden, die zuerst mit ihrer Vorgehensweise die Krise überhaupt erst verursacht haben.
Nach aktuellen Schätzungen dürften die spanischen Banken bis zu 62 Milliarden Euro brauchen, um ihre Probleme zu bewältigen. Angesichts der aktuellen Zinssätze für spanische Staatsanleihen von bis zu 7% (im Vergleich dazu waren diese in Österreich letzte Woche sogar kurzzeitig negativ – die KreditgeberInnen bekamen also weniger Geld zurück als sie verborgt hatten!) ist es aber mehr als unwahrscheinlich, dass dieser Betrag ausreichen wird, auch wenn die internationale 'Gemeinschaft' schon Kredite von bis zu 100 Milliarden zugesagt hat.

Massenverarmung


Die Arbeitslosenquote in Spanien liegt derzeit bei unvorstellbaren fast 25% – bei Jugendlichen nähert sie sich gar den 50%. Wenn es so weiter geht, wird das tatsächlich eine Generation ohne Zukunft. Während für heuer noch ein Schrumpfen der Wirtschaft um 1,7% vorhergesagt wird, erwarten die sog. ExpertInnen für nächstes Jahr gar noch eine weitere Vertiefung der Rezession.
Seit 2007 sind schon bisher 3 Millionen Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft vernichtet worden. Gleichzeitig plant die Regierung allein für 2012 Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Höhe von 27 Milliarden Euro – darunter eine enorme Steigerung der Lebenshaltungskosten durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent. Weiters wird eine Sondersteuer für den Energiesektor zur Verteuerung der Stromrechnungen für die breiten Massen führen. Den ArbeiterInnen des öffentlichen Dienstes wird das Weihnachtsgeld gestrichen; den Arbeitslosen werden nach einem halben Jahr die Bezüge gekürzt. Und schließlich werden noch die Mittel der Gemeinden gekürzt, was zu einer weiteren Einschränkung von Sozialleistungen führen muss.

Was nun?


Auf Grund der Bereitschaft der Massen, den Kampf gegen ihre unerträgliche Lebenssituation aufzunehmen, kann es in Spanien offensichtlich nicht mehr so weiter gehen wie bisher. Der Marsch der Bergleute, seine begeisterte Aufnahmen auf dem Weg und in Madrid, die wiederholten Massendemonstrationen und Platzbesetzungen bei den Aktionstagen des vergangenen Jahres haben das mehr als deutlich gezeigt.
Der logische nächste Schritt wäre ein Generalstreik, der von den Massen – organisiert in national vernetzten Aktionskomitees von gewählten und jederzeit abwählbaren Delegierten – selbst durchgeführt wird. Gleichzeitig braucht ein solcher Streik politische Forderungen, die eine echte Alternative zur bisherigen Situation ermöglichen würden. Eine solche muss mit dem Sturz der gegenwärtigen Regierung beginnen und kann mit nichts weniger als dem Sturz des Kapitalismus enden, wenn die arbeitenden Menschen die Massenverarmung stoppen und sich selbst ein Leben in Würde ermöglichen wollen.

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