Gestern hatte ich erstmals die
Möglichkeit am Bürgerforum (zum Thema: "Angst vor dem Terror - das Ende
von Multikulti?") live teilzunehmen und sogar auf der Seite des Studios,
die Fragen stellen und Meinungen abgeben darf. Sagen konnte ich nichts,
obwohl ich so oft aufgezeigt habe, dass mir jetzt noch der Arm weh tut,
also mag es durchaus sein, dass aus diesen Zeilen zum Teil auch der
Frust spricht.
Wenn ich die Inhalte Revue passieren
lasse, dann fällt deutlich auf, dass die Anmerkungen aus dem Publikum
deutlich mehr Substanz hatten als jene der PolitikerInnen in der Mitte
der Arena. Diese (Strache, Mikl-Leitner, Glawischnig, Ostermayer)
übertrumpften sich gegenseitig an Inhaltsleere und versuchten einmal
mehr, die österreichische Bevölkerung für dumm zu verkaufen. Wenn
Strache z.B. nach Jahren der Islamhetze in Wahlkämpfen und seiner
üblichen Aussagen in den Medien plötzlich meint, dass er ja eh keine
Problem mit MuslimInnen im Land habe, solange sich diese nur an die
Regeln halten würden, dann spottet das der Intelligenz der Menschen
Hohn. Und wenn die VertreterInnen der Regierungsparteien das neue
Islam-Gesetz als Fortschritt zu preisen versuchen, dann ist das einfach
nur unehrlich!
Was bitte soll daran OK sein, dass einer
bestimmten Glaubensgemeinschaft Sonderpflichten auferlegt werden, die
alle anderen nicht erfüllen müssen. Wenn z.B. der katholischen Kirche
die Finanzierung aus dem Ausland verboten werden würde oder auch die
Ausbildung ihrer Priester im Ausland (vatikanische Universität), dann
gäbe es einen Aufschrei im Lande! Und es gibt ja in Österreich auch
immer mehr Pfarrer, deren Deutsch gerade dazu ausreicht, ein paar Zeilen
aus der Bibel abzulesen und das dann als Predigt zu verkaufen. Aber
manche sind halt doch gleicher … und das fast 80 Jahre nachdem auch in
Österreich endlich die Trennung von Staat und Kirche verankert wurde.
Realität geworden ist diese bis heute nicht. Wenn z.B. der katholischen
Kirche die gleichen Sonderpflichten auferlegt würden wie der islamischen
Glaubensgemeinschaft, dann würden alle PolitikerInnen vor der Macht
dieser Institution (insbes. des Vatikan selbst) in die Knie gehen!
Tatsächlich ist mir persönlich ja
Religion herzlich egal. Ich halte sie mit dem alten Marx noch immer für
das „Opium des Volkes“, welches dazu dient, von den wirklich
wesentlichen sozialen Problemen abzulenken. Aber Religion muss
Privatsache sein, die den Staat nichts angeht. Genau sowenig wie sich
egal welche Religion in die Angelegenheiten des Staates, also von
Gesellschaft und Politik, einzumischen hat.
Wenn wir von ein paar rechten Rülpsern
aus dem Publikum und den paar üblichen Dummheiten über die angeblich so
aggressiven muslimischen Jugendlichen absehen, dann war das Publikum
mehrheitlich durchaus der Meinung, dass der Islam seinen Platz in
Österreich haben muss. Das war auf eine gewisse Art durchaus wohltuend.
Nicht, weil ich persönlich den Islam jetzt gut finde, sondern weil es
darauf verweist, dass Religionen gleich behandelt und auch als gleich
angesehen werden müssen.
Nichtsdestotrotz hat leider nur eine Frau
aus dem Publikum (ich durfte dankenswerterweise neben ihr sitzen)
darauf hingewiesen, dass die Probleme, die es gibt, soziale Ursachen
haben. Und dieser Aspekt ist in der ganzen Diskussion sonst mehr oder
weniger gar nicht mehr vorgekommen.
Wenn Jugendlichen keine Zukunft haben,
präziser formuliert, ihnen diese Zukunft von einer Gesellschaft genommen
wird, die tatenlos dabei zusieht wie im sechstreichsten Land der Welt
über 20% der Bevölkerung armutsgefährdet sind (darunter weit über
300.000 Kinder), während die Vermögen der Superreichen ins Unermessliche
wachsen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn große Teile dieser
Jugendlichen diese Gesellschaft nicht als ihre sehen – vollkommen
unabhängig von Religion oder politischer Orientierung. Wenn aber Teile
dieser Jugendlichen noch zusätzlichen Sondergesetzen unterliegen (den
diversen Spezialgesetzen für AusländerInnen), die ihnen noch weitere
Möglichkeiten nehmen und noch mehr Ungleichheit schaffen, dann dürfen
wir uns auch nicht wundern, wenn diese sich noch weiter von dieser
Gesellschaft entfernen und manchmal sogar die Dummheit begehen, in einen
„heiligen Krieg“ zu ziehen, der ihnen eine Bedeutung gibt, welche die
Tatsache zu kompensieren scheint, dass ihnen hierzulande jede Würde
genommen wird.
Auch dieser Aspekt kam leider nicht zur
Sprache. Mag an der Vorauswahl des Publikums liegen, das doch sehr
religionsgemeinschaftslastig war. Mag auch daran liegen, wer zu Wort
gekommen ist. Neben mir z.B. saß eine Muslima, die so nebenbei immer
wieder sehr kluge Sachen von sich gab – dran gekommen ist sie genau
sowenig wie ich, obwohl vielleicht auch sie noch heute einen Muskelkater
vom vielen Aufzeigen hatte. Oder auch der Kollege in der Reihe vor mir
mit einem sehr coolen Dopplereffekt-T-Shirt. Überhaupt sind Männer ohne
Anzug und Krawatte praktisch nicht dran gekommen. In diesem Sinn ist es
vielleicht wirklich ein „Bürger“forum, das halt nur Interesse an dem
hat, was dem Klischee vom braven/der braven StaatsbürgerIn entspricht.
Die offiziellen Vertreter (es waren halt wieder mal nur Männer) der
Religionsgemeinschaften sind hingegen teilweise mehrmals dran gekommen,
selbst wenn sie sich teilweise gar nicht zu Wort gemeldet haben.
Die Idee eines Forums, wo
Normalsterbliche ohne durch geschnittene Interviews zensuriert werden zu
können, live zu Wort kommen können ist gut, die Umsetzung aber bedarf
der Verbesserung. Mehrere Wortmeldungen für manche, während andere gar
nicht zu Wort kommen, das macht einfach schlechte Stimmung, hinterlässt
ein Gefühl der Ungleichbehandlung und der Bevorzugung. Das wirkt auch
so, wie wenn manche wichtiger wären.
Und vier PolitikerInnen sind einfach zu
viel – die reden dann so viel (abgesehen davon, dass sie sich meist
nicht an die Redezeit halten), dass einfach für die Stimme des Volkes zu
wenig Zeit bleibt. Zu guter Letzt: Am Namen wäre auch zu feilen: Der
Begriff Bürger(In) – auch wenn er heute im Alltag noch immer ständig
falsch verwendet wird – ist sozialwissenschaftlich betrachtet noch immer
gleichzusetzen mit Kapitalbesitzer(In), also denen die andere für sich
arbeiten lassen und so ein gutes Leben haben. Doch in einer solchen
Sendung sollen doch wohl auch die zu Wort kommen, die arbeiten müssen,
um leben zu können, also arbeitende Menschen, sozialwissenschaftlich
ArbeiterInnen genannt. Vox Populi also statt Bevorzugung jener, v.a. der
PolitikerInnen, die ohnedies ständig die Massenmedien für ihre
Botschaften zur Verfügung haben. Wie wäre es also einfach mit „Stimme
des Volkes“?
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