Lohnsteuerentlastung: Befriedigend
Mit 4,9 Milliarden Euro an Steuerentlastung fällt die Lohnsteuerreform zwar geringer aus als vom ÖGB (und dann auch der SPÖ) gefordert, aber doch deutlich höher als es sich viele KollegInnen erwartet haben. Durchgerechnet ergibt das derzeit einiges über 1.000 Euro pro LohnarbeiterIn.
Der Wehrmutstropfen an dieser Entlastung ist aber mit Sicherheit, dass die NiedrigverdienerInnen in absoluten Beträgen deutlich weniger entlastet werden als Lohnsteuerpflichtige mit einem sehr hohen Einkommen. Einzig ein paar hundert SpitzenverdienerInnen zahlen nach dem neuen Modell mehr Lohnsteuer. Letztlich steigt die Entlastung mit der Höhe des Einkommens an. Sozial wäre es umgekehrt deutlich gerechter.
Bei einem monatlichen Einkommen von 10.000 Euro brutto beträgt die Entlastung satte 2.269 Euro im Jahr. Bei 5.000 Euro brutto im Monat sind es jährlich noch immer 1.527 Euro. Wenn wir uns dann dem österreichischen Durchschnitt annähern, sinkt die Entlastung leider deutlich. Bei einem Bruttogehalt von 2.000 Euro monatlich sind es im Jahr nur mehr 882 Euro und bei einem Lohn von 1.000 Euro brutto gar nur mehr 290 Euro. In absoluten Beträgen und teilweise auch prozentuell fällt die Entlastung also immer geringer aus, je niedriger das Einkommen ist.
Trotz der Erhöhung der Negativsteuer und deren erstmaliger Einführung für PensionistInnen (was begrüßenswert ist, auch wenn die Beträge dafür viel zu gering sind) haben nämlich jene am wenigsten von der Steuerreform, die so wenig haben, dass sie eben gar keine Steuer zahlen. Sozialpolitisch wäre das aber jene Gruppe, die am dringendsten mehr Geld braucht, auch wenn das mit einer Steuerreform allein nicht lösbar ist. Dazu braucht es v.a. menschenwürdige Löhne und Pensionen.
Gerechte Lohnsteuerentlastung
Eine Lohnsteuerentlastung, die tatsächlich v.a. die NiedrigverdienerInnen begünstigen würde, hätte anders ausgesehen, jetzt einmal abgesehen davon, dass diesen ohnedies eine massive Senkung der ungerechtesten aller Steuern (die Mehrwertsteuer, die nämlich jene überproportional trifft, die am wenigsten haben) am meisten gebracht hätte.
Wenn statt der Veränderung der Einkommenssteuer alleine der Steuerfreibetrag z.B. von 11.000 Euro jährlich auf 15.000 Euro erhöht worden wäre, würden alle Menschen, die Lohnsteuer zahlen (der Einfachheit halber mit 22% Sozialversicherung gerechnet), rund 1.140 Euro (also etwas mehr als den Betrag, welchen die Regierung als durchschnittliche Entlastung nennt) mehr pro Jahr am Konto haben – egal, ob sie 100.000 Euro oder 1.500 Euro brutto im Monat verdienen. Der Betrag wäre für alle gleich, prozentuell würden aber die mit dem geringsten Verdienst am meisten profitieren.
Selbstverständlich muss dann noch die Frage beantwortet werden, wie jene profitieren, die unter 15.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Ganz einfach – die maximale Negativsteuer müsste auf den Betrag der Steuerersparnis erhöht werden, also auf die bereits genannten rund 1.140 Euro im Jahr. Die tatsächliche Negativsteuer müsste aus der Differenz der Steuerersparnis und diesem Betrag errechnet werden. Ab 15.000 Euro brutto im Jahr gäbe es also keine Negativsteuer mehr. Jemand mit einem Jahresverdienst von z.B. 13.000 Euro brutto, würde sich durch solch eine Reform etwa 570 Euro an Steuern ersparen und bekäme daher noch einmal den gleichen Betrag an Negativsteuer. Die teilzeitbeschäftigte Heimhilfe mit sagen wir 8.600 Euro brutto im Jahr bekäme die volle Negativsteuer in Höhe von 1.140 Euro im Jahr, da sie keine Lohnsteuer zahlt.
Ein solches Modell würde nicht nur den NiedrigverdienerInnen deutlich mehr Geld bringen als die jetzige Steuerreform (den SpitzenverdienerInnen aber viel weniger), sondern auch Anreize für die Politik schaffen, massiven Druck auf die Wirtschaft auszuüben, ordentliche Löhne zu zahlen, so dass weniger Negativsteuer ausgeschüttet werden muss.
Gegenfinanzierung: Genügend!
Bei der Gegenfinanzierung wird das Licht immer weniger und es kommt noch mehr Schatten dazu. Gerade die Anhebung der Mehrwertsteuer in einzelnen Bereichen ist abzulehnen. Diese Steuer ist die sozial ungerechteste. Sie macht prozentuell bei GeringverdienerInnen am meisten von ihrem Einkommen aus und bei den Superreichen am wenigsten. Jene mit wenig Geld werden aber z.B. kaum von der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Hotelzimmer getroffen, die sie sich sowieso nie leisten können. Umso mehr erschwert ihnen aber die Erhöhung dieser Steuer auf Eintrittskarten z.B. in Freibäder, Kinos und Theater den Zugang zu Sport und Kultur. Eine Gruppe, die sich ohnedies kaum sinnvolle Freizeit leisten kann, trifft diese Maßnahme also enorm.
Besonders interessant an dieser Steuerreform war ja die sog. Mittelstandsdebatte. Hatten die bürgerlichen Parteien (insbes. die Österreichische VermögensPartei) uns GewerkschafterInnen lange Zeit vorgeworfen, dass eine Vermögensfreigrenze von 1 Million oder gar 500.000 Euro viel zu gering wäre, werden nun die Steuern für die Übertragung von Grundstücken und Immobilien schon bei viel geringeren Werten höher, da diese Steuern dafür künftig richtigerweise endlich vom Verkehrswert und nicht mehr dem sog. Einheitswert berechnet werden. Als Ausgleich dafür sinkt der Steuersatz bei Immobilien bis zu einem Wert von 250.000 Euro von 2,5% auf 0,5% und steigt dafür ab 400.000 Euro auf 3,5% an. Wenigstens in einem Bereich gibt es also eine leichte Verschärfung der Progression.
Dass die Steuerbegünstigung für freiwillige Kranken- bzw. Pensionsversicherungen fallen soll, ist schlicht und einfach nur frech. Jahrelang wurde allen ÖsterreicherInnen eingeredet, dass sie doch bitte privat vorsorgen sollten, da die öffentliche Sozialversicherung nicht mehr sicher genug sei. Das wurde ihnen durch Steuerzuckerl versüßt – von der Betriebspension über die „staatlich geförderte Zukunftsvorsorge“ bis hin zu privaten Krankenversicherung, die letztlich nur der Finanzierung der Zwei-Klassen-Medizin dient. Und plötzlich wird diese ach so notwendige Eigenvorsorge, die letztlich immer nur der Profitmaximierung privater Versicherungen gedient hat, zur Melkkuh des Finanzministers.
Scheinbar eine sozialere Maßnahme ist die erhöhte Kapitalertragssteuer auf Dividenden. Doch schauen wir uns an, wer in Österreich tatsächlich Dividenden kassiert. Die (Super)Reichen haben ihre Aktienpakete meist in Privatstiftungen liegen, die ergo auch die Dividenden einstreichen und folglich von allen Steuervorteilen des Stiftungskonstruktes kassieren. Der Großteil der an der Wiener Börse gehandelt Aktien ist im Besitz von Fonds, Banken oder Versicherungen und dient zur Bedeckung all der schönen Produkte, die uns zur Sicherung unserer Zukunft angedreht werden: Von der Firmenpension bis zur Lebensversicherung – im Hintergrund befindet sich praktisch immer ein Fonds, der aus Aktien besteht. Genau diese Fonds, in denen unser sauer Erspartes liegt, werden nun also höher besteuern. Folglich werden z.B. die Firmenpensionen oder auch die Verzinsung von Lebensversicherungen weiter sinken. Es ist also ein Märchen, dass es sich bei dieser Maßnahme um eine Umverteilung von Reich zu Arm handelt. Gerade in diesem Bereich der Gegenfinanzierung zahlen wir uns die Steuerreform Großteils selbst.
Und nun zur heiligen Kuh der Neoliberalen – der seit Jahrzehnten ach so notwendigen Verwaltungsreform. Im Regelfall bedeuten Einsparungen in der Verwaltung Personalabbau. Dieser führt zu mehr Arbeitslosigkeit und damit höheren Kosten für alle SteuerzahlerInnen in Form von Sozialleistungen auf die dann nicht mehr in Arbeit stehenden Personen. Und das obwohl gleichzeitig z.B. im Bereich der Sozialeinrichtungen oder der Pflege viel zu wenig Personal vorhanden ist. Wenn hier weiter eingespart wird, bedeutet das einzig steigenden Arbeitsdruck für die Beschäftigten.
Gerade auch der Personalabbau in den Ministerien ist schon seit Jahren so verlogen, dass es stinkt. Ja, es gibt dort jetzt weniger BeamtInnen. Damit gibt es auch weniger böse Personalkosten. Dafür gibt es jetzt mehr Privatbedienstete – also gute Sachkosten, weil die ja eben nicht im öffentlichen Dienst angestellt sind und dafür viel besser verdienen als die ehemaligen BeamtInnen. Real gibt es in diesen Bereichen heute kaum weniger Personal als früher. Und das ginge auch gar nicht. Für eine gute Verwaltung braucht es ausreichend qualifiziertes Personal. Wer wartet denn schon gerne 15 Jahre auf seinen neuen Reisepass?
Die stärkere Bekämpfung des Steuerbetruges hingegen ist nur gerecht. Wir arbeitenden Menschen können bei der Steuer schließlich auch nicht betrügen – uns wird sie automatisch vom Lohn abgezogen. In diesem Zusammenhang ist auch die Registrierkassenpflicht positiv zu bewerten. In fast allen Ländern Europas ist diese schon seit vielen Jahren Standard. Österreich holt jetzt also nur lange Versäumtes nach!
Vermögenssteuern: Nicht Genügend! Setzen!
Eine gerechte Gegenfinanzierung hätte nur durch die Einführung von echten Vermögenssteuern erreicht werden können. Ob diese nun in Form von Vermögenssubstanz- oder -zuwachssteuern eingeführt worden wäre, ist eigentlich nebensächlich. An der Grundlogik unserer Profitwirtschaft ändert die Form solcher Steuern ohnedies nichts.
Im Kapitalismus kann es kein wirklich gerechtes Steuersystem geben. Trotzdem handelt es sich bei der Umverteilung von den Reichen zu den NiedrigverdienerInnen und sozial Bedürftigen schlicht und einfach um eine Gerechtigkeitsfrage. Und das ist auch die schwerste Niederlage der ArbeiterInnenbewegung im Rahmen dieser Steuerreform. Tatsächlich tragen nämlich die wirklich Reichen zur Finanzierung der Reform so gut wie nichts bei.
Wenn wir uns aber ansehen, dass ein Herr Mateschitz im weltweiten Milliardärsranking traurigerweise gerade aus den Top 100 gefallen ist und nur mehr auf Platz 101 liegt oder der Vermögenszuwachs einer in Salzburg ansässigen Privatstiftung, die im wesentlichen Eigentum von österreichischen StaatsbürgerInnen am VW-Konzern mit allem was dazu gehört verwaltet, letztes Jahre einen Vermögenszuwachs von sechs Milliarden Euro lukrieren konnte (JA! Zuwachs!), dann wird offensichtlich, dass selbst nur mit Vermögenszuwachssteuern eine doppelt so hohe Lohnsteuersenkung locker finanzierbar gewesen wäre.
Wenn wer in einem Jahr um sechs Milliarden reicher geworden ist und wir diesen Vermögenszuwachs sagen wir nur mit 50% besteuern, dann ist einerseits nicht viel und andererseits sehr viel passiert. Nicht viel ist den EigentümerInnen dieses enormen Vermögens passiert – sie sind in einem Jahr nur (sic!) um drei Milliarden reicher geworden. Sehr traurig. Die drei zusätzlichen Milliarden für das Budget wären aber z.B. drei Jahre lang die seit Jahren von den Gewerkschaften geforderte Sozialmilliarde für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der in diesem Bereich Beschäftigten.
Natürlich handelt es sich bei diesem Beispiel um die reichste Familie in Österreich. Aber es gibt gar nicht so wenige MilliardärInnen und MillionärInnen in diesem Land. Laut dem Liechtensteiner Investmenthauses Valluga sind es 82.300. Ihr Vermögen ist laut Valluga im Jahr 2013 um sieben Prozent (oder rund 24,5 Milliarden) auf 262 Milliarden Euro gegenüber dem Jahr davor gestiegen. (Wenn wir Lohnabhängigen hingegen 7% Lohnerhöhung fordern würden, was nur gerecht wäre, würden uns diese Damen und Herren einen Aufenthalt in der Klapsmühle empfehlen …) Mit einem durchschnittlichen Steuersatz von 20% auf den Vermögenszuwachs hätte also die gesamte Lohnsteuerreform finanziert werden können. Und die Reichen wären dabei noch nicht einmal ärmer geworden – nein sie würden nur etwas langsamer noch reicher.
Selbstverständlich müsste auch eine Steuer auf Vermögen progressiv sein. Schließlich ist nicht einzusehen, warum wer, der sagen wir eine Million besitzt und einen Vermögenszuwachs von 100.000 Euro hat gleich hoch besteuert werden soll, wie die schon genannte Familie, deren Vermögen letztes Jahr von 39 auf 45 Milliarden anstieg. Aber 5% kann mensch auch bei 100.000 Euro mehr im Jahr locker machen – dann blieben noch immer 95.000 mehr.
Trotz der Senkung der Lohnsteuer würden sich viele arbeitende Menschen und PensionistInnen immer noch freuen, wenn wir nur 5.000 Euro Steuern (und wir reden hier nur von der Lohnsteuer, nicht aber von alle den anderen Steuern, die dann noch zu bezahlen sind von unserem vielfach versteuerten Einkommen) zahlen müssten. Wir zahlen nämlich selbst nach der Steuerreform schon mehr als 5.000 Euro Lohnsteuer im Jahr (und das nachdem wir schon über 20% Sozialversicherung abgedrückt haben) wenn wir im Monat gerade einmal 2.900 Euro brutto verdienen – im Jahr wären das dann bei 14 Monatsgehältern knapp über 40.000 Euro.
Gerecht sieht anders aus! Oder? Nach wie vor tragen in Österreich Vermögen kaum zur Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben bei – wir Lohnabhängigen hingegen schultern diese Last fast vollständig, obwohl wir viel weniger haben als die (Super)Reichen. Österreich ist ein Hochsteuerland – für uns arbeitende Menschen und die PensionistInnen. Österreich ist gleichzeitig ein Niedrigsteuerland – für jene, die ein fettes Vermögen haben.
Grundsätzlich wird sich daran in einer Gesellschaft, in der die Profite mehr zählen als die Menschen, nichts ändern lassen. Aber ein Stückchen mehr Gerechtigkeit ist immer drin. Nach der Steuerreform ist daher vor der Steuerreform. Der Kampf geht weiter. Jetzt müssen echte Vermögensteuern her!
ÖGB: Gut
Auch wenn sich die Gewerkschaftsbewegung nicht mit all ihren Forderungen durchsetzen konnte, so wurde doch einiges erreicht. Vor allem haben ÖGB und Teilgewerkschaften bewiesen, dass sie für ihre Anliegen mobilisieren können, wenn sie denn wollen. Das ist ein starkes Zeichen und lässt auf eine bessere Zukunft hoffen. Ohne unsere gewerkschaftlichen Aktivitäten hätte es mit Sicherheit keine Steuerreform gegeben, die uns arbeitenden Menschen und den PensionistInnen wirklich etwas gebracht hätte. Das zeigt, was wir erreichen können, wenn wir nur wollen und den Konflikt nicht scheuen.
Fast 900.000 KollegInnen haben unser gemeinsames Anliegen einer Steuerreform unterstützt. Tausende BetriebsrätInnen haben sich an verschiedensten Aktivitäten beteiligt. Die österreichweite BetriebsrätInnenkonferenz war ein deutliches Signal an die Regierung, dass wir GewerkschafterInnen uns ihre Untätigkeit nicht länger gefallen lassen.
Daran gilt es anzuknüpfen. Wir sollten jetzt weitere Anliegen genauso stark kampagnisieren wie die Lohnsteuersenkung. Und Verbesserungsbedarf im Sinne der Lohnabhängigen gibt es ja mehr als genug. Auch bei der Steuerreform wäre mehr drinnen gewesen, wenn wir nach der Unterschriftenkampagne weitere Schritte wie z.B. parallele österreichweite Betriebsversammlungen oder gar einen Warnstreik gesetzt hätten. Dann wären wohl auch echte Vermögenssteuern drinnen gewesen und die Gewerkschaftsbewegung hätte sich als DIE Kraft für mehr Gerechtigkeit im Land positionieren können. Diese Chance wurde leider vertan. Daher auch nur ein Gut im Zeugnis.
Aber ein Gut ist ja oftmals der Weg zu einem Sehr gut. Wenn wir GewerkschafterInnen den mit der Kampagne „Lohnsteuer runter“ eingeschlagenen Weg fortsetzen und unsere KollegInnen regelmäßig für unsere gemeinsamen Anliegen mobilisieren, können wir zur treibenden Kraft für Veränderungen im Land werden. Wir sind viele! Wir sind stark! Wir müssen uns dieser Macht nur wieder bewusst werden und dürfen nicht wieder in der Friedhofsstille sinnloser Verhandlungen mit Regierung und Kapital versinken. Wir müssen sie unsere Macht permanent spüren lassen – mit allen erforderlichen Mitteln. Dann werden wir ihnen Albträume bescheren und die Arbeits- und Lebensbedingungen unserer KollegInnen massiv verbessern können. Also: Weiter so! Das Sehr Gut muss unser Ziel sein.
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