Dienstag, 9. März 2004

Realität des Sozialabbaus im 'roten' Wien

Mitte 2004 werden weitere Teile der Wiener Stadtverwaltung, nämlich die durchführenden und steuernden, nicht aber die gesetzlichen Aufgaben der ehemaligen Magistratsabteilungen 12 und 47 (jetzt MA 15A) im Zuge der Strukturreform 2004 "Soziale Sicherheit in Wien" ausgegliedert werden.

Betroffen davon sind
  • ein Budgetvolumen von runden € 640 Millionen
  • etwa 280 Institutionen, welche damit gefördert werden
  • direkt 600-1.000 MitarbeiterInnen
  • indirekt ca. 15.000 Beschäftigte bei den geförderten Institutionen
  • und mehrere Zehntausend Menschen, die direkt oder indirekt Leistungen aus diesen Bereichen beziehen. Dabei handelt es sich v.a. um jene Bevölkerungsgruppen, die sich ohnedies kaum mehr wehren können – z.B. Pflegebedürftige, Behinderte und SozialhilfeempfängerInnen.

Reform?


Dass bei der Organisation dieser Leistungen etwas getan werden muss, steht außer Streit. Die MitarbeiterInnen der betroffenen Bereiche wissen das schon lange. Doch ihre Vorschläge sind bis jetzt bei den zuständigen PolitikerInnen auf taube Ohren gestoßen. Die Ergebnisse einer teuren Unternehmensberatung durch Anderson Consulting hingegen werden sofort in die Tat umgesetzt. Ausgliedern ist die Lösung für jedes Problem – zumindest wenn es nach den Herrschenden in Wien geht.
Dass ähnliche 'Lösungen' – wie etwa die Private Finance Initiative oder das Public Private Partnership in Britannien – für die Betroffenen zu katastrophalen Ergebnissen geführt haben, macht da wenig, schließlich klingen Ausgliederung oder Cross-Border Leasing (also der Verkauf von öffentlichen Leistungen an Aktiengesellschaften in den USA unter Ausnutzung von Steuerschlupflöchern ebendort) allemal besser als Privatisierung, auch wenn die Ergebnisse die gleichen sind: Keine demokratische Kontrolle, drastische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen und massive Verringerung der erbrachten Leistungen. Beispiel gefällig? In Britannien bekommen über 70-jährige heute schon keine neuen Hüftgelenke mehr!
Solche Wünsche stehen auch auf dem Speisezettel der schwarzblauen Regierung. Und nun soll ein vergleichbarer Sozialabbau sogar im ach so 'roten' Wien umgesetzt werden! In Wirklichkeit ist Wien bei der Privatisierung weitaus fortgeschrittener als der Rest Österreichs. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits Ende der 1950er gesetzt. Mittlerweile wurden sogar schon die Bims und in den Bezirken 21 sowie 22 die Kanalisation im Zuge eines sogenannten Cross-Border Leasing an Briefkastenfirmen in Nordamerika verscherbelt.

Arbeitsbedingungen


Für die privat angestellten MitarbeiterInnen des Fonds Soziales Wien (FSW), wohin die genannten Bereiche ausgegliedert werden, kommt der dicke Hund erst später. Kein Kollektivvertrag, auf Grund der Fondsform keine Gültigkeit des Arbeitszeitgesetzes, eine Betriebsvereinbarung, in der wenig (derzeit praktisch nur Fragen der Arbeitszeit und einige wenige betriebliche Sozialleistungen) geregelt ist, da sich die Geschäftsführung weigert über grundlegende Bereiche (Gehaltsschema!) zu verhandeln, obwohl der Betriebsrat seit Gründung des FSW Anfang 2001 eine solche fertig ausgearbeitet und auch vorgelegt hat.
Und in Zukunft wird es nur mehr Privatangestellte geben!
In der Praxis bedeutet das Willkür bei individuellen Gehaltsverhandlungen, enorm hohe Arbeitszeiten, da in den meisten Verträgen hohe Überstundenpauschalen enthalten sind, um ein höheres Einkommen zu haben, das Fehlen einer Fülle üblicher Regelungen zur Gestaltung des Arbeitsverhältnisses (Gehaltsvorrückungen) und dadurch die perfekte Möglichkeit, die KollegInnen stark unter Druck zu setzen und gegeneinander auszuspielen. Und praktisch keine demokratische Kontrolle durch jene, welche all diese Aktivitäten finanzieren – die SteuerzahlerInnen.
Haben sich die LeistungsbezieherInnen das verdient? Haben sich die betroffenen ArbeitnehmerInnen das verdient? Hat sich Wien das verdient? Nein!

Was tun?


Überaus interessant ist auch das Agieren der beiden von der Ausgliederung direkt betroffenen Gewerkschaften. Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG), die sich in den letzten drei Jahre praktisch nicht um die Interessen der ausgegliederten Beschäftigten, geschweige denn der neuen Privatangestellten gekümmert hat, rittert nun mit der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) darum, wer in Zukunft die Interessen der Beschäftigten vertreten wird. Kein Wunder, geht es doch nun um einige hundert Gewerkschaftsmitglieder und damit auch beträchtliche Gewerkschaftsbeiträge.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass VertreterInnen beider Gewerkschaften in ihrer Funktion als GemeinderätInnen der Ausgliederung zugestimmt und in ihrer Rolle als KammerrätInnen in der Arbeiterkammer eine Resolution gegen die Ausgliederung abgelehnt haben. Nun aber, wo es um ihre eigenen bürokratischen Interessen geht, werden die Bedürfnisse der betroffenen Lohnabhängigen plötzlich 'interessant'.
In den betroffenen Belegschaften wächst der Druck, Vernetzungen entstehen und auf dieser Basis wurde in der GPA auf Initiative engagierter BetriebsrätInnen und SekretärInnen die Plattform Soziales in Wien gegründet. Ein erster Anfang ist getan und nun wird auch die Vernetzung mit den anderen betroffenen Gewerkschaften gesucht und hoffentlich gefunden. In den nächsten Wochen und Monaten wird die Plattform auf Basis eines derzeit in Entwicklung befindlichen Forderungskataloges eine Reihe von Aktivitäten entfalten.
Doch auf Dauer wird all das nicht reichen, um die neoliberale Offensive der Bosse und ihrer LakaInnen in den Parlamenten, Landtagen und Gemeinderäten zu stoppen. Dazu müssen wir selbst entlang der folgenden Forderungen aktiv werden:
  • Keine Privatisierung, keine Ausgliederungen öffentlicher Leistungen!
  • Sofortige Wiedereingliederung aller bereits ausgegliederten Leistungen wie z.B. FSW, Krankenanstaltenverbund und Verwaltung von PensionistInnenheimen in die Magistratsverwaltung unter Einschluss aller Privatangestellten!
  • Planung und Durchführung öffentlicher Sozial- und Gesundheitsleistungen unter Kontrolle der Beschäftigten und LeistungsbezieherInnen!

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