Dienstag, 6. Juli 2004

Betriebsratsarbeit im Sinne der Beschäftigten

Die kritischen Äußerungen einiger KollegInnen gegenüber den Positionen der Plattform "Soziales in Wien", welche teilweise mit meiner Person verknüpft wurden, die bedeutende öffentliche Diskussion zu den dabei in Frage stehenden Problematiken, aber auch die Distanzierung von zwei BetriebsrätInnen von den Inhalten des Newsletters Nummer 5 der Plattform zwingen mich zu einer politischen Antwort auf diese Aussagen, was mir auch die Möglichkeit gibt, meine Vorstellungen von einer ernsthaften Vertretung der KollegInnen darzulegen, mit denen ich mich sehr lange – bewusst – zurück gehalten habe.

Ich habe lange gezögert, ob eine Antwort darauf sinnvoll ist, v.a. in Anbetracht der Art und Weise, wie die Angriffe vorgetragen wurden. Kritisiert wurden kaum die Inhalte, ja auf diese wurde von den KritikerInnen praktisch nicht eingegangen, sondern es wurde auf der Ebene der persönlichen Betroffenheit, der persönlichen Verletzung usw. argumentiert. All dies sind legitime persönliche Empfindungen, ob sie allerdings ein guter Kompass für politische Entscheidungen sind, muss ich in Frage stellen. Dabei sollte es doch mehr um Inhalte und Fakten gehen, und weniger um Empfindungen.
Ich habe mich deshalb zu einer politischen Antwort entschlossen. Diese Entscheidung ist über einige Tage gereift und hat nicht zuletzt auch mit einer Reihe von Diskussionen mit KollegInnen zu tun, welche mir einerseits bei verschiedenen Anlässen ihre volle Solidarität mit der Plattform und den Anliegen der durch diese vertretenen KollegInnen ausgedrückt, andererseits aber auch ihr Unverständnis gegenüber den Kritiken an der Plattform zum Ausdruck gebracht haben. Diese KollegInnen stehen solidarisch zu den Anliegen aller KollegInnen im Sozial- und Gesundheitsbereich, unabhängig davon, ob diese im FSW, in der Gemeinde oder bei einem privaten Träger beschäftigt sind. Andererseits haben am 06. Juli auf einer Pressekonferenz die Gewerkschaftsvorsitzenden Rudi Hundstorfer (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten) und Rudolf Kaske (Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst) sowie der Regionalgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten Wien Norbert Scheed erneut ihr volle Unterstützung für die Anliegen der Plattform, die diese Gewerkschaften ja von Anbeginn an unterstützen, zum Ausdruck gebracht.
In Anbetracht dessen habe ich mich zu dieser Antwort entschlossen. Gerade für mich als Mitglied der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) ist es nun an der Zeit, die Ebene des Gemauschels, der Wadelbeißerei und der Hinterzimmerdiskussionen zu verlassen, welche bis dato die Diskussion geprägt und den KollegInnen im FSW recht wenig gebracht hat. Es ist Zeit, die wirklich wichtigen politischen Fragen offen und für alle nachvollziehbar zu stellen!
Und hier werden manche KollegInnen vielleicht enttäuscht sein, denn ich werde nicht auf die Angriffe auf die Plattform eingehen; ich bin ein Teil der Plattform unter vielen, nämlich im Endeffekt 15.000 KollegInnen, die alle die Möglichkeit haben, auf den großen Treffen, die Linie der Plattform mitzubestimmen. Manchmal entspricht diese meinen Vorstellungen, in anderen Fragen bleibe ich wieder in der Minderheit!
Ich werde vielmehr in einer Reihe von kurzen Beiträgen der Reihe nach wesentliche Fragen der Vertretung der KollegInnen bearbeiten. Andererseits wird dies dem Wunsch einiger KritikerInnen entgegen kommen – es wird in den Beiträgen, die euch in den nächsten Tagen einer nach dem anderen zugehen werden im wesentlichen um die Frage der Vertretung der KollegInnen im FSW gehen.
Um dieses Thema zu behandeln, werde ich mich zwei großen Themenbereichen widmen. 1. Wie muss Betriebsratsarbeit heute in Österreich und im FSW aussehen, um die Lebensinteressen der KollegInnen wirklich durchsetzen zu können? 2. Wie soll die Vertretung der Belegschaft gewählt werden? Die Behandlung der letzten Frage bietet also auch bereits einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft der Betriebsratsarbeit und damit der Vertretung der KollegInnen im FSW. Bei beiden Fragen wird es nicht so sehr um konkrete Forderungen gehen, sondern viel mehr um die Art und Weise, wie Betriebsratsarbeit und die Vertretung der KollegInnen heute erfolgreich gestaltet werden können.
Diese beiden zentralen Fragestellungen werden in den nächsten Wochen in einer Reihe kleiner Beiträge zu wesentlichen Problemstellungen, welche dazu gehören, behandelt werden.
Ich freue mich zu jedem einzelnen dieser Beiträge über Anregungen, Fragen, Kritiken sowie Kommentare und bin gerne jederzeit bereit, diese zu diskutieren, individuell oder mit größeren Gruppen von KollegInnen, telefonisch, per E-Mail oder auch persönlich. Interessierten KollegInnen stelle ich selbstverständlich auch gerne das gesamte Dokument zur Verfügung, sobald es fertig gestellt ist. Anruf oder Mail genügen!

Betriebsratsarbeit heute: Das angeblich Unmögliche wagen!


Betriebsratsarbeit so wie jede Form der Vertretung von ArbeitnehmerInneninteressen stehen auf Grund der sich verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen an einem Scheideweg. Wo stehen wir? Wo positionieren wir uns? Das sind Fragen, die es nicht nur zu stellen, sondern auch zu beantworten gilt, sollen die Interessen der KollegInnen wirklich in ihrem Sinn und mit ihnen gemeinsam vertreten werden.
Diese Feststellung gilt für den FSW auf Grund der massiven strukturellen Veränderungen ganz besonders. Gleichzeitig ist es so, dass unterschiedliche Gruppen von KollegInnen ebenso unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse haben, wie Mitglieder von Betriebsrats- und Personalvertretungskörperschaften und ganz besonders natürlich der unterschiedlichen politischen Fraktionen (Gruppen), die innerhalb des FSW aktiv sind. Hier gibt es in einigen Fragen bedeutende Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Herangehensweisen, die meiner Ansicht nach nur über eine grundsätzlichen politische Diskussion der Betriebsratsarbeit im Allgemeinen und im FSW im Besonderen zu lösen sind. Genau diese Diskussion möchte ich mit diesem Beitrag in Gang setzen, da ich die bestehenden Meinungsunterschiede keinesfalls auf persönliche Aspekte zurückführen möchte, sondern sie als politische Fragen verstehe und auch so behandeln möchte.

Betriebsratsarbeit und Gesellschaft


Betriebsratsarbeit, wie jede andere Form politischer und gesellschaftlicher Betätigung, kann sich nur innerhalb der gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen bewegen. Sie muss sich daher innerhalb dieser Bedingungen und der daraus resultierenden Grenzen bewegen. Dabei gibt es einerseits bestimmte gesellschaftliche Grenzen, wie etwa die gegenwärtige Situation unserer Gesellschaft, welche auch unser aller (politisches) Bewusstsein bestimmt, sowie andererseits bestimmte rechtliche Grenzen, wie sie sich aus der bürgerlichen Rechtsordnung ergeben, wie z.B. das Arbeitsverfassungsgesetz, welches die rechtlichen Grundlagen, Pflichten und Rechte des Kollegialorgans Betriebsrat, aber auch der einzelnen BetriebsrätInnen regelt.
Die vorliegenden Thesen versuchen darzustellen, wie sich Betriebsratsarbeit auf dieser Grundlage im Interesse der Anliegen der KollegInnen verwirklichen lässt. Dazu ist es immer wieder notwendig, die von Außen vorgegebenen Grenzen zu überschreiten bzw. auszuweiten, denn Grenzen, und die Art und Weise, wie sie uns und unser Bewusstsein bestimmen, sind nichts Dauerhaftes und Endgültiges, sondern werden durch aktives Handeln von Menschen, insbesondere aber Kollektiven, wie es z.B. Gewerkschaften, die ArbeitnehmerInnen, Betriebsratskörperschaften und auch ganze Belegschaften sind, ihrerseits wiederum verändert; gleichzeitig sind auch diesen Veränderungen wiederum Grenzen gesetzt, welche sich aus dem Rahmen der derzeitigen am Gewinn und nicht am Menschen orientierten Gesellschaft ergeben und nur dauerhaft überschritten werden können, wenn diese Gesellschaft durch eine gerechtere, am Menschen und nicht dem Geld orientierte Gesellschaft ersetzt wird.
Nachdem aber Betriebsratskörperschaften kaum das geeignete Instrument für eine grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft sein können, sollten diese sich auf die Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Mitbestimmungsbedingungen der KollegInnen, die sie vertreten, konzentrieren. Selbstverständlich soll der Betriebsrat hier entlang der Mehrheitspositionen in der Belegschaft und gemeinsam mit dieser an der Umsetzung dieser Interessen arbeiten.
Wie das unter den herrschenden Verhältnissen am Besten geschehen kann, damit setze ich mich in der Folge auseinander.

Einleitung


Wenn wir von Betriebsratsarbeit sprechen, so müssen wir einige grundsätzliche Aspekte erwähnen, die scheinbar Gemeinplätze sind, in der Praxis vieler Betriebsratskörperschaften aber trotzdem eher die Ausnahme denn die Regel sind.
Betriebsratskörperschaften müssen die Interessen der Beschäftigten vertreten. Diese Interessen gehen oftmals viel weiter, als die im Arbeitsverfassungsgesetz definierten Aufgaben, die oftmals so aussehen, als ob der Betriebsrat mehr oder weniger eine Serviceagentur und ein Problemlöser in individuellen Fällen wäre. Beispielswiese können die Interessen der KollegInnen oftmals nur dann ernsthaft vertreten werden, wenn die vorm Arbeitsverfassungsgesetz vorgegebene Aufgabe des Interessenausgleiches zwischen Betrieb und Belegschaft überschritten wird. Was anderes ist zum Beispiel ein Arbeitskampf? Ein Beispiel dafür war die massive Teilnahme der Belegschaft des FSW an den öffentlichen Betriebsversammlungen gegen die asoziale Pensionsreform im letzten Jahr. Der daraus resultierende Verlust an Arbeitszeit hat sich sicherlich gegen die Interessen des Betriebes FSW gerichtet, war allerdings notwendig, um dem Interesse der KollegInnen nach einer ausreichenden und sicheren Alterssicherung politischen Ausdruck zu verleihen. Hier hat es offensichtlich zwei unvereinbare Interessen gegeben.
Zu den grundlegenden Interessen der KollegInnen zählen selbstverständlich Löhne, Arbeitszeitverkürzung, Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzsicherheit, die Organisation der Belegschaft auf betrieblicher und gewerkschaftlicher Ebene sowie die gegenseitige Solidarität mit KollegInnen in anderen Betrieben und Branchen. Wenn wir nur die hier aufgezählten Beispiele einer näheren Betrachtung unterziehen, dann wir sofort offensichtlich, dass die Aufgaben des Betriebsrates oftmals nicht mit den traditionellen Mitteln der Verhandlung mit Geschäftsführungen, der Einzelberatung und des Arbeits- und Sozialgerichtes erfüllt werden können.
Daraus ergibt sich, dass zur Realisierung der Interessen der KollegInnen eine Fülle anderer Methoden angewendet werden muss, wie z.B. Demonstrationen, Unterschriftenlisten, Vernetzung mit anderen Betroffenen, verschiedene Formen des Arbeitskampfes usw. – jeweils gemeinsam mit der Belegschaft. Die Art der eingesetzten Mittel muss dabei in einem Zusammenhang mit den Zielen und der Bedeutung der jeweiligen Frage stehen, gleichzeitig hängen diese selbstverständlich auch von der Überzeugung der KollegInnen, ihrem Interesse an der jeweiligen Frage und letztlich ihrem politischen Bewusstsein ab. Ein Generalstreik etwa für Gratiskaffee im Betrieb wäre schlicht und einfach lächerlich.
Gleichzeitig sehen wir aber an den genannten Fragestellungen auch bereits, dass sich die Interessen von UnternehmerInnen bzw. Geschäftsführungen und KollegInnen bzw. Belegschaften in praktisch allen Fragen nahezu immer grundsätzlich unterscheiden müssen. Was die eine Seite gewinnt, verliert die andere!
BetriebsrätInnen haben sich daher ganz bewusst dafür entschieden, in diesem Interessengegensatz parteiisch die Seite der ArbeitnehmerInnen, der Lohabhängigen zu vertreten. Sie stellen sich damit notwendigerweise in einer Fülle von Fragen gegen die Interessen von UnternehmerInnen bzw. Geschäftsführungen. Kompromisse sind eine notweniges Mittel bei der Verwirklichung der Interessen der KollegInnen, nicht aber der Interessenausgleich. Letzterer schafft nur die Illusion in uns Lohnabhängigen, dass es gemeinsame, gleiche Interessen von Unternehmen und Beschäftigten geben könnte.
Auf Grund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionen können Lohnabhängige und deren Vertretungen nicht die gleichen Interessen haben wie Unternehmen bzw. Geschäftsführungen, denn die eine Seite – wir beschäftigten – ermöglichen mit unserer Arbeit erst die Gewinne der Unternehmen bzw. immense Gehälter sowie Karrieren von Geschäftsführungen! Höhere Löhne z.B. bedeuten weniger Gewinn oder im Fall von öffentlich finanzierten Sozialleistungen weniger Prestige bzw. eine schlechtere Erfüllung des politischen Auftrages mit dementsprechenden Auswirkungen auf die künftigen Karrieremöglichkeiten
Betriebsratskörperschaften sind wie Gewerkschaften Defensivorgane. Sie dienen der Verteidigung grundlegender Lebensbedürfnisse der Lohnabhängigen. Und diese Verteidigung muss ohne Wenn und Aber erfolgen, da sich sonst die Lebensbedingungen ebenso kontinuierlich verschlechtern wie die Möglichkeiten in Hinkunft mehr durchsetzen zu können. Und selbst viel mehr (Lohn z.B.) ist noch immer eine defensiver Kampf zur Verhinderung der Verschlechterung der Lebensbedingungen im Vergleich zu dem, was möglich wäre, was wir an den Bill Gates&Co mit Jahreseinkommen von mehreren 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr sehen können. Die Erfordernis der Verteidigung und Vertretung der Interessen der Lohnabhängigen ohne Wenn und Aber dient also in letzter Konsequenz einer Verhinderung der laufenden relativen Verschlechterung der Lebensbedingungen der Lohnabhängigen.

Betriebsratsarbeit allgemein


In diesem Sinn ist der Betriebsrat quasi die erste Verteidigungslinie der Lohnabhängigen. Die Betriebsratskörperschaft erfährt als erste von geplanten Angriffen und Verschlechterungen, individuellen Disziplinierungen und Kündigungen usw. Sie muss als erste reagieren. Sie steht folglich am direktesten, stärksten und demokratischsten (da sie das einzige direkt gewählte Vertretungsorgan der ArbeitnehmerInnen in Österreich sind) unter Druck der betroffenen KollegInnen, der gesamten Belegschaft.
Gleichzeitig steht sie auch massiv unter Druck der Geschäftsführungen bzw. UnternehmerInnen, denn wie bei allen anderen auch, ist ihr Job, und damit – gerade in Anbetracht ständig steigender Arbeitslosenzahlen – ihre Zukunft, von diesen abhängig, können sie von diesen diszipliniert werden, auch wenn sie schwerer gekündigt werden können wie die meisten KollegInnen. BetriebsrätInnen befinden sich also in einer permanenten Zwickmühle. In der Praxis wird diese unhaltbare Situation in der Regel so gelöst, dass immer jener Seite nachgegeben wird, die gerade mehr Druck ausübt, mal Belegschaft, mal Geschäftsführung, wobei letztere auf Dauer tendenziell immer mehr Druck ausüben kann. Die meisten Betriebsratskörperschaften leisten zwar gute Arbeit in Individualfragen, all die o.g. weiteren Aufgabenstellungen erfüllen sie zumeist aber recht schlecht, da sie dazu neigen, sich im Konfliktfall persönlich abzusichern, indem sie die Seite der Geschäftsführung beziehen, statt gemeinsam mit den KollegInnen unter Einsatz aller erforderlichen Mitteln bis zum Ende für deren Interessen einzustehen.
Eine letztlich unhaltbare Situation entsteht, denn eigentlich sollten ja die Betriebsratskörperschaften ohne Wenn und Aber die Interessen der KollegInnen vertreten.

Zur Notwendigkeit gewerkschaftlicher Organisierung


Eine Möglichkeit, diesen Druck zu reduzieren ist der Zusammenschluss in Gewerkschaften, die deutlich weiter vom Unternehmen weg sind, nicht von diesem abhängig, und somit auch keinem so starkem Druck ausgesetzt werden können. Die zuständigen SekretärInnen in der Gewerkschaft sind nämlich in Bezug auf ihre persönlich Zukunft nicht vom jeweiligen Unternehmen abhängig und können daher freier agieren, können auch weniger unter Druck gesetzt bzw. geködert werden. Sie können damit das tun und fordern, was wirklich notwendig ist, was die betroffenen KollegInnen wirklich wollen, ohne dabei um ihre eigene Zukunft fürchten zu müssen.
Die Gewerkschaft bietet den KollegInnen als Solidargemeinschaft alleine schon durch ihre Größe einen gewissen Schutz, kann Solidarität aus anderen Betrieben vermitteln und als Ganzes aktiv werden. Darüber hinaus bietet sie für Mitglieder eine Reihe konkreter Unterstützungen, welche im Falle von Arbeitskonflikten wichtig werden können: Rechtsberatung, Rechtsschutz, Rechtsschutz- und Berufshaftpflichtversicherung, Streikgeld, gewerkschaftliche Arbeitslosenunterstützung.
Gleichzeitig können Gewerkschaften logischerweise ihr Ohr nicht so nah am Mund der Belegschaft haben, deren Interessen nicht so gut kennen, da sie im Regelfall im Betrieb über keine eigenen Strukturen verfügen. Folglich muss der Betriebsrat, um eine effiziente Interessendurchsetzung durch die Gewerkschaften zu ermöglichen, die wesentlichen Interessen der Belegschaft an die Gewerkschaft kommunizieren. Der Betriebsrat hat somit immer auch eine gewerkschaftliche Aufgabe im Betrieb und sollte diese möglichst aktiv nutzen, sich aktiv in die Gewerkschaft einmischen, aber auch gewerkschaftliche Anliegen in der Belegschaft vertreten.
Gute Betriebsratsarbeit ohne Unterstützung der Gewerkschaften ist also genauso unmöglich, wie gute Gewerkschaftsarbeit ohne Unterstützung der Betriebsratskörperschaften. BetriebsrätInnen sollten also nicht nur unbedingt Mitglied in der jeweils fachlich zuständigen Gewerkschaft sein, sonder diese Mitgliedschaft auch möglichst aktiv im Sinne der Durchsetzung der Interessen der von ihnen vertretenen KollegInnen nutzen.

Demokratisierung der Betriebsratsarbeit und breite Diskussion


Eine andere Möglichkeit, der oben geschilderten permanenten Zwickmühle zu entgehen, ist die Demokratisierung von Entscheidungen. Nicht der Betriebsrat entscheidet, was gemacht wird, sondern die Belegschaft.
Außerdem kann dieser unangenehmen Situation am Besten entkommen werden, indem möglichst klare Standpunkte gegenüber dem Unternehmen eingenommen werden, die sich eindeutig für die Anliegen der Lohnabhängigen positionieren. Dabei kann und darf es notwendigerweise nicht nur um betriebsinterne Fragestellungen gehen, sondern müssen auch allgemein gesellschaftliche Forderungen aufgegriffen werden, die zwar Teil der innerbetrieblichen Auseinandersetzung sind, hier aber nicht dauerhaft gelöst werden können, wie z.B. Sozialabbau (Pensions'reform'), Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnabhängigen, Arbeitszeitverkürzung, Demokratisierung der Arbeitswelt usw.
Voraussetzung dafür ist selbstverständlich die offenen Auseinandersetzung über alle Fragen mit den Betroffenen, also mit der Belegschaft und innerhalb dieser. Der Betriebsrat darf nämlich der Geschäftsführung gegenüber nicht seine Interessen vertreten, sondern muss jene der Belegschaft vertreten. Sonst kommt es nur all zu oft dazu, dass zugunsten der eigenen Karriere die Anliegen der Belegschaft zurückgestellt werden. Die Belegschaft selbst muss die wesentlichen Fragen entscheiden und niemand anderer!
Vertretung der Interessen der Belegschaft bedeutet aber nicht, dass der Betriebsrat keine eigenen Positionen haben bzw. vertreten darf. Im Gegenteil: Da im Betriebsrat in der Regel die politisch aktivsten und bewusstesten KollegInnen vertreten sind, ist es um so wichtiger, dass diese in den angesprochenen offenen Diskussionen ihre Positionen vertreten, dass sie sagen, was ist, und was sein soll. Die Belegschaft kann nämlich nur im Widerstreit der Meinungen zu guten Entscheidungen kommen. Doch wenn diese Entscheidungen erst einmal getroffen sind, dann ist der Betriebsrat verpflichtet, sich an die von der gesamten Belegschaft getroffenen Entscheidungen zu halten, solange es sich dabei nicht um menschenfeindliche, wie z.B. rassistische oder sexistische, handelt.
Um diese offenen Diskussionen führen zu können, bedarf es einiger organisatorischer Voraussetzungen.

Organisatorische Voraussetzungen für die Demokratisierung der Betriebsratsarbeit


Dazu zählt etwa eine regelmäßige, offene und ehrliche Kommunikation und Diskussion mit der Belegschaft, etwa in Form von Betriebszeitungen, E-Mail-Newslettern, Tätigkeitsberichten oder ähnlichem. Diese sollten so ausführlich gestaltet sein, dass die KollegInnen auch wissen, um was es wirklich geht.
Ein weiteres Element dafür sind regelmäßige Betriebsversammlungen, da diese Form der gemeinsamen Diskussion und Entscheidungsfindung aller KollegInnen durch nichts anderes ersetzt werden kann. Auch diese setzt die möglichst vollständige Information der KollegInnen voraus.
Ideal wäre eine möglichst große Gruppe von KollegInnen die gemeinsam alle wichtigen Fragen diskutiert – nennen wir sie Betriebsgruppe – und aus deren Mitte der Betriebsrat kommt, so dass viel mehr KollegInnen als die gewählten VertreterInnen in die regelmäßige Diskussion, Entscheidungsfindung und Arbeit eingebunden sind.
Auf dieser Basis soll und muss es zu einer immer weiter voranschreitenden Demokratisierung der Betriebsratsarbeit kommen. In letzter Konsequenz müssen alle wichtigen Entscheidungen von der Belegschaft getroffen werden, der Betriebsrat ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als deren Exekutivorgan. Dadurch kann es gelingen, die Belegschaft immer mehr und mehr in die Betriebsratsarbeit einzubeziehen. Die Betriebsratskörperschaft wird zum ausführenden Organ der Belegschaft, welche selbst entscheidet – die Vertretung der Interessen aller KollegInnen als Lohnabhängige wird immer mehr und mehr zur gemeinsamen Aufgabe der gesamten Belegschaft. Denn nur wenn sich möglichst große Teile der Belegschaften gemeinsam für ihre Anliegen engagieren, können diese auch wirklich durchgesetzt werden – die Betriebsratskörperschaft alleine ist dafür zu schwach.
Selbstverständlich muss gerade in Fragen demokratischer Entscheidungen der Betriebsrat vorbildlich sein, da er gewissermaßen in der Praxis und vor den Augen aller KollegInnen zeigt, wie wirkliche Demokratie aussehen kann. Harte und ehrliche Diskussion gefolgt von einer Mehrheitsentscheidung, die – sobald sie einmal getroffen ist – von allen gemeinsam und loyal umgesetzt wird, auch wenn sie mit ihrer Position unterlegen sind. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass Entscheidungen für alle Ewigkeit gelten – sie können jederzeit verändert werden, sie können jederzeit diskutiert werden, aber bis zur Änderung einmal getroffener Entscheidungen halten sich alle Mitglieder des Betriebsrates daran, so wie es sich zum Beispiel auch die Belegschaft bei einem Streikbeschluss erwarten würde. Niemand wird je so von den KollegInnen geschnitten, als jemand, der versucht, einen solchen zu brechen, auch wenn er oder sie dagegen gestimmt haben. Natürlich können einzelne Betriebsratsmitglieder in einzelnen Fragen, die der Belegschaft zur Entscheidung vorgelegt werden, unterschiedliche Positionen vertreten. Hat allerdings die Belegschaft einmal eine Entscheidung gefällt, so ist der gesamte Betriebsrat bedingungslos verpflichtet, diese gemeinsam mit der Belegschaft zu vertreten.
Aus den vorherigen Ausführungen wird klar, dass ein kämpferischer Betriebsrat niemals FÜR, sondern MIT der Belegschaft agiert. Mit Fug und Recht haben viele KollegInnen die StellvertreterInnenpolitik satt, die ihnen vorgaukelt, in ihrem Interesse zu handeln und dieses dabei oftmals mit Füßen tritt. Daher ist es notwendig, dass das Exekutivorgan Betriebsrat gemeinsam mit der Belegschaft handelt, nicht aber versucht, alles für die KollegInnen zu 'richten'. Ganz bewusst muss den KollegInnen vermittelt werden, dass der beste Betriebsrat der Welt ohne Unterstützung, ohne Rückhalt, alleine gar nichts erreichen kann. Er ist nichts, nichts außer einem Exekutivorgan der Belegschaft. Und diese muss handeln, denn nur sie kann wirklich etwas erreichen, in offener politischer Aktion, nicht aber beim Hinterzimmergemauschel, denn sie ist alles. Sie ist ein Ganzes, das entscheidet, was niemand anderer für sie tun kann und darf!

Zur Notwendigkeit klarer politischer Positionen


Voraussetzung für all das sind klare politische Positionen – zu innerbetrieblichen, genauso wie zu sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen, denn die Arbeits- und Lebensbedingungen der KollegInnen werden von letzteren weitaus mehr bestimmt als von ersteren. Daher erwarten sie sich mit Recht klare Positionen ihrer Interessenvertretung in und zu all diesen Fragen. Sie erwarten sich die Vertretung ihrer Interessen! Und bevor sie darüber entscheiden, wie diese um- und durchgesetzt werden sollen, erwarten sie sich mit Fug und Recht klare, nachvollziehbare und ihren Bedürfnissen entsprechende Vorschläge ihrer gewählten VertreterInnen. Diese Vorschläge können und dürfen sich nicht an dem orientieren, was heute, in der konkreten Situation, im konkreten Betrieb erreichbar ist, sondern einzig und alleine daran, was den KollegInnen ein wirklich menschenwürdiges und sozial abgesichertes Leben ermöglicht. Gleichzeitig müssen sie selbstverständlich auch auf die konkrete betriebliche Situation zugespitzt werden.
Selbstverständlich dürfen diese Positionen nicht auf Grund des persönlichen Eindrucks der BetriebsrätInnen alleine festgelegt werden. Ein wesentliches Mittel zur Entscheidung darüber ist die Befragung der KollegInnen dazu in den vorher bereits beschriebenen Formen, und – sollten diese gerade nicht möglich sein – in anderen, wie etwa Umfragen, die Möglichkeit per E-Mail Vorschläge einzubringen, E-Mail-Abstimmungen oder anderen.
Die KollegInnen wollen aber auch nicht immer die ganze Welt neu erfinden – sie wollen konkrete Vorschläge, zwischen denen sie sich entscheiden können. Im Regelfall liegt die Verantwortung zur Erstellung dieser Vorschläge bei der gewählten Vertretung der KollegInnen. Und hier ergibt sich die Notwendigkeit allgemeiner und konkreter politischer Analyse. Nur auf dieser Basis können gut durchdachte Vorschläge eingebracht werden. Betriebsratsarbeit ist somit zutiefst politisch. Gleichzeitig muss nicht immer das Rad neu erfunden werden. In der langen Geschichte betrieblicher Kämpfe, in der langen Tradition der ArbeiterInnenbewegung, gerade auch derjenigen in Österreich, hat es schon viele vergleichbare Kämpfe gegeben, aus denen BetriebsrätInnen und Belegschaften lernen können.
Und hier entseht die Verpflichtung zur politischen Bildung für Betriebsratsmitglieder, über Gewerkschaftsseminare, die Lektüre von klassischen Texten zu diesen Themen und vieles anderes mehr. Für die Durchsetzung der Interessen der KollegInnen ist das oftmals viel wichtiger als eine profunde Kenntnis arbeitsrechtlicher Bestimmungen, denn diese können immer nur das letzte Mittel zur Selbstverteidigung sein, im Kampf um die Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen bringen uns diese hingegen in der Regel praktisch nichts.

Betriebsratsarbeit im FSW


Im Falle der Betriebsratsarbeit im FSW stellt sich eine Besonderheit, die es in der Privatwirtschaft aber auch in vielen anderen NGO's nicht gibt. Hier sind die traditionelle Massenpartei der österreichischen ArbeiterInnenklasse und der Staats- bzw. Stadtapparat überaus eng miteinander verschmolzen.
Der FSW ist eine Gründung der traditionellen Partei der österreichischen ArbeiterInnenbewegung, der SPÖ. Gleichzeitig ist diese Partei auf jeder Ebene massiv mit den Gewerkschaften verwoben. Noch viel stärker als überall sonst ist dies in Wien der Fall, weswegen unser Betriebsrat als Teil der ArbeiterInnenbewegung einem anderen Teil der ArbeiterInnenbewegung, der Gewerkschafts- und Parteibürokratie, in Form unserer Geschäftsführung, gegenübersteht. Wir haben unsere Konflikte also ein Stück weit mit uns selbst, nicht mit dem offensichtlichen Gegner. Ein Chef aus der FPÖ ist oft viel leichter zu bekämpfen als jemand aus den eigenen Reihen. Und das macht die Situation besonders schwer, emotional noch viel belastender als üblich.
Diese enge Verknüpfung von herrschender Politik und Geschäftsführung stellt uns vor eine enorme Herausforderung. Jede einzelne unserer Forderungen (ebenso wie die daraus resultierenden Handlungen) ist dadurch nämlich automatisch gegen die Mehrheitspolitik in Wien gerichtet, ist implizit politisch und steht einem übermächtigen Gegner gegenüber. Nur wenn wir all unsere Aktivitäten bewusst politisch gestalten, haben wir überhaupt eine Chance; ein Verbleiben in den üblichen Kanälen (Einzelvertretung und Besprechungen mit Vorgesetzten) von Betriebsratsarbeit alleine ist daher aus sich selbst heraus zur Niederlage verdammt.
Daraus resultiert notwendigerweise eine andere Rolle des Betriebsrates als in vielen anderen Betrieben. Indem die Durchsetzung jeder einzelnen unserer Forderungen – insbesondere seit Anfang Juli – direkte Auswirkungen auf ein Viertel des Wiener Budgets haben wird, sind diese ungleich politischer, werden ungleich genauer beobachtet, haben ungleich mehr Folgewirkungen, wird mit ungleich schärferen Mitteln gegen uns vorgegangen.
Gleichzeitig vervielfacht dies den Aufwand für die Betriebsratsarbeit. Heute stecken wir insgesamt viel zu wenig Zeit in diese, um auch nur die Chance auf Erfolge zu haben. Alle KollegInnen im Betriebsrat müssen von ihrem im Arbeitsverfassungsrecht verbrieften Recht auf Zurverfügungstellung der erforderlichen Arbeitszeit einen größtmöglichen Gebrauch machen, um insbesondere die erforderlichen kollektiven Diskussionen führen zu können. Dadurch wird selbstverständlich der Druck der Vorgesetzten steigen; gleichzeitig können wir so viel mehr mit den KollegInnen tun und diskutieren, mehr mit ihnen erreichen, was wiederum den Rückhalt in der Belegschaft erhöht.

Zur Notwendigkeit der Fraktionierung (Mitgliedschaft in einer gewerkschaftlichen Fraktion)


Auf Grund der engen Verflechtung von Geschäftsführung und Politik ist es im FSW noch viel weniger als in anderen Betrieben vorstellbar, ohne Übernahme gewerkschaftlicher Verantwortung etwas zu erreichen. Nur mit der Gewerkschaft im Rücken gibt es eine Chance dazu; und selbst diese ist auf Grund der engen Verquickung der Gewerkschaftsbürokratie mit der SPÖ nicht gerade groß.
Eine wirkliche Chance auf Erfolg hat ergo nur möglichst geschlossene Durchsetzung der gemeinsamen Interessen durch die Belegschaft, welche die Anliegen derselben an den gesamten Sozial- und Gesundheitsbereich und die zuständigen Gewerkschaften kommuniziert und dort MitstreiterInnen findet.
Betriebsratskörperschaften, die kompromisslos für die Interessen ihrer Belegschaft eintreten, zeigen dadurch nämlich, wie die gesamten Gewerkschaft agieren müsste, und das in den letzten Wochen deutlich zunehmende Interesse am Beitritt zur GPA im FSW ist ein Indikator, der dies eindeutig belegt. Und die Gewerkschaft unterstützt in ihrem eigenen Interesse vor allem jene, die einen hohen Organisationsgrad aufweisen können und in der Gewerkschaft aktiv sind. Dadurch sind gleichzeitig wiederum gewerkschaftliche Positionen beeinflussbar, was wiederum eine bessere Unterstützung der Interessen der KollegInnen ermöglicht.
Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass Aktivitäten in der Gewerkschaft fast immer die sogenannte Fraktionierung (Mitgliedschaft in einer Fraktion) voraussetzen, d.h. das bewusste Bekenntnis von BetriebsrätInnen zu einer der gewerkschaftlichen Fraktionen, was nicht notwendigerweise mit einer Parteimitgliedschaft Hand in Hand geht.
Wollen BetriebsrätInnen diese Chance beim Schopf packen und wirklich etwas für die KollegInnen erreichen, so sollten sie für eine gemeinsame Liste (Einheitsliste) aller interessierten KollegInnen eintreten. Innerhalb solcher Einheitslisten (zu deren Geschichte, Rolle und Funktionsweise ich noch kommen werde) können KollegInnen aus verschiedenen Fraktionen gemeinsam im Interesse der gesamten Belegschaft arbeiten.
Welche Optionen gibt es? Sind ÖAAB oder Freiheitliche ArbeitnehmerInnen eine Option? Die Frage beantwortet sich auf Grund ihrer Rolle als verlängerter Arm der Regeierung und ihrer Zustimmung zum Pensionsraub wohl von selbst! Können wir mit Kleinfraktionen ohne wirkliche Verankerung (und wir müssen hier leider immer 4 Gewerkschaften (GdG, GPA, HGPD, HTV) mitbedenken und nicht nur die GdG!) wie GLB oder KIV (die selbstverständlich, aber eben nur in der GdG über eine gewisse Verankerung verfügt) etwas erreichen? Auch diese Frage beantwortet sich von selbst.
Wie fast überall in Österreich wird es wohl auch im FSW so sein, dass die übergroße Mehrheit der KollegInnen ihre politischen Wurzeln in der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) hat bzw. diese zumindest unterstützt und wählt. Alles andere würde mich persönlich zutiefst verwundern, da dies in jedem Fall für den Großteil der Beschäftigen in der Gemeinde und den geförderten Institutionen, in unserer Branche, bei den Lohnabhängigen insgesamt, AK-Wahlen, Betriebsrats- und Gewerkschaftswahlen gilt.
Gleichzeitig wissen wir, dass die massivsten Konflikte über die künftigen Arbeitsbedingungen der KollegInnen momentan, nein, nicht im Betriebsrat und auch nicht zwischen diesem und der Geschäftsführung, und schon gar nicht zwischen den politischen Parteien stattfinden, sondern innerhalb der Gewerkschaften, und noch genauer innerhalb der FSG. Heute könnten BetriebsrätInnen bei einer Fraktionierung in dieser daher am meisten für unsere KollegInnen erreichen indem sie die interne Diskussion in dieser beeinflussen, deren Ergebnis derzeit offen ist. Gleichzeitig waren die Möglichkeiten zu einer grundsätzlichen Kursänderung von FSG und den Gewerkschaften im Allgemeinen wohl seit 1945 nicht mehr so groß wie heute. Sollten nicht kritische BetriebsrätInnen versuchen, das Ergebnis diese laufenden Prozesses aktiv mitzugestalten?
Neben dieser notwendigen gewerkschaftspolitischen Einmischung gibt es aber auch die Notwendigkeit einer sozialpolitischen Einmischung. Unser Betriebsrat arbeitet in einem Betrieb, der in Zukunft große Teile der Sozialpolitik von Wien bestimmen wird. Unsere Arbeitsbedingungen, Löhne usw. werden also von der Wiener Sozialpolitik bestimmt und diese bestimmen ihrerseits letztere mit. Können wir also die Anliegen unserer KollegInnen ernsthaft vertreten, ohne uns massiv an der permanent stattfindenden öffentlichen sozialpolitischen Diskussion zu beteiligen, aktiv und auch handelnd in diese einzugreifen, wie wir es etwa im Zuge der Pensionsgegenreform gemacht haben? Auch diese Frage beantwortet sich von selbst.

Betriebsratswahlen


Betriebsratskörperschaften und Personalvertretungen sind wichtige Organe für den Kampf der ArbeitnehmerInnen. Sie können ihre Aufgabe nur dann erfolgreich ausüben, wenn sie kämpferisch für die Interessen der Belegschaft eintreten. Doch selbst dann sind ihrer Rolle und ihren Möglichkeiten durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie insbes. den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen enge Grenzen gesetzt. Fast noch schwieriger ist die Überwindung der Grenzen, welche kämpferischen KollegInnen von der Bürokratie in SPÖ und Gewerkschaften gesetzt werden.
Denn die derzeitige Gewerkschaftsführung und die Gewerkschaftsbürokratie versuchen klassenkämpferische Entwicklungen in den Betrieben mit allen Mitteln zu verhindern. Sie sind ständig bestrebt, den Arbeitsbereich der Betriebsratskörperschaften und Personalvertretungen einzuengen und diese zu Werkzeugen ihrer immer utopischer werdenden sozialpartnerschaftlichen Orientierung zu machen. Dadurch sollen die Beschäftigten auf die nächsten Wahlen vertröstet werden, womit ihnen die Illusion eingepflanzt wird, dass ihre Eigenaktivität eigentlich nicht (mehr) gefragt ist. Sie dürfen Sonntagsreden lauschen und bei Sonntagsaktionen (1. Mai, Kampf gegen Pensionsreform usw.) demonstrieren, ansonsten aber werden ihre (angeblichen) Interessen FÜR sie von der Bürokratie vertreten.
Diese Tatsache zwingt aktive BetriebsrätInnen, die ernsthaft für die Interessen der KollegInnen eintreten wollen, für die Stärkung und die Erweiterung des Einflusses der Betriebsratskörperschaften zu kämpfen, deren Ziel es sein muss, MIT den KollegInnen für ihre Interessen zu kämpfen. Dies kann aber gegenwärtig nur auf der Basis des bestehenden Betriebsrätewesens geschehen, welches durch das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) geregelt wird.
Jene, die wirklich kämpfen wollen, dürfen nicht abseits stehen, sondern müssen dort sein, wo die Auseinandersetzungen stattfinden und die Entscheidungen fallen. Dies bedeutet, dass sich die Lohnabhängigen und vor allem jene, denen die Rolle der Beschäftigten in unserer Gesellschaft als ErzeugerInnen des Reichtums von anderen bewusst ist, an Betriebsratswahlen beteiligen müssen. Hier stellt sich die wichtige Frage, mit welcher Methode die KollegInnen sich an diesen beteiligen sollen. Die folgenden Ausführungen soll uns ihrer Beantwortung ein Stück näher bringen.

Bürokratisch reglementiertes Listenwahlrecht


In Österreich hat sich bei Betriebsratswahlen mit wenigen Ausnahmen ein bürokratisch reglementiertes Listenwahlrecht durchgesetzt. Jede politische und gewerkschaftliche Gruppierung tritt in der Regel also mit einer eigenen Liste zu den Wahlen an. Die Belegschaften haben daher nur die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Listen und nicht die kämpferischsten, besten und erfahrensten KollegInnen, ungeachtet ihrer politischen und weltanschaulichen Meinung, zu wählen.
Das gesamte Betriebsrätewesen, aber auch die Einzelgewerkschaften und der ÖGB, sind auf diesem Listen- bzw. Fraktionssystem aufgebaut. Damit soll im wesentlichen die Kontrolle des Apparates, der Gewerkschaftsbürokratie, über die Mitgliedschaft abgesichert werden. Auf dieser Grundlage ist ein Neuformierungsprozess der ArbeiterInnenbewegung (also der Gesamtheit aller politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Organisationen und Ausdrucksformen der Lohnabhängigen) nur schwer möglich, wird doch dieser wohl kaum so vor sich gehen, dass die unzufriedene Mitgliedschaft sich 'zielsicher' in einer neuen Fraktion zusammenfindet, welche die alten mit den (politisch) Mächtigen und Herrschenden verbundenen und durchsetzungsschwachen Fraktionen in die Schranken weist.
Die ArbeiterInnenbewegung wird vielmehr einen mehr oder weniger langen Prozess des Suchens, des Probierens und der offenen Diskussion, des Zusammenschlusses und der Spaltungen durchmachen müssen, bevor sie in der Lage sein wird, sich auf Grundlage größtmöglicher Demokratie um ein Programm zu vereinen und zu organisieren, welches ihre tagtäglichen Bedürfnisse mit der Aufgabe des Aufbaus einer menschenwürdigen Gesellschaft in Verbindung bringt.
Dieser oftmals unumgängliche Prozess, in dem sich Teile der ArbeiterInnenbewegung bereits befinden, führt tendenziell zu einem Auflösungsprozess der alten Strukturen und Organisationen, dem sich kaum jemand entziehen kann.
Verschieden Fraktionen und Teile der Bürokratie spielen dabei unterschiedliche Rollen. FSG und FCG reagieren in erster Linie mit Repression und Einschränkung der innerorganisatorischen Demokratie, und erst danach, indem sie versuchen, sich an die Spitze der Unzufriedenheit der Basis zu stellen, um dieser Herr zu werden. GLB und UG/KIV hingegen verfahren oftmals, da sie kaum je mehr als eine Minderheit darstellen, genau umgekehrt. Sie versuchen die Bewegung zu nützen, um ihren Einfluss im bürokratischen Apparat auszubauen – sie wollen ja schließlich auch gar nicht mehr als mitwirken und mitverantworten. Die Bewegung selbst wird dadurch in eine Sackgasse geführt und den Spielregeln des Apparates unterworfen. Doch beides hat keinen Sinn für die Lohnabhängigen, deren Interessen mit dieser systemkonformen, reformistischen Perspektive der BürokratInnen aller Schattierungen nicht durchgesetzt werden können!
Heute gilt es also, Mittel und Wege zu finden, damit der zaghafte Neuformierungsprozess der ArbeiterInnenbewegung den Anforderungen der Stunde gerecht! Der Kampf gegen die sich dagegen stemmende Gewerkschaftsbürokratie und mit den UnternehmerInnen packelnde Betriebsratskörperschaften wird nur dann erfolgreich sein können, wenn er auf der Basis größtmöglicher Einheit geführt wird. Hierfür ist aber das Listenwahlrecht, auch wenn wir oft gezwungenermaßen darauf zurück greifen müssen, eigentlich nicht das geeignete Mittel.

Einheitslisten


Ein Blick in die Geschichte des ÖGB und des Betriebsrätewesens in der 2. Republik zeigt, dass sich das Listenwahlrecht erst nach und nach durchgesetzt hat. Die ersten Betriebsräte, die spontan gebildet wurden, waren Organe der gesamten Beschäftigten in einem Betrieb. Niemand wurde gefragt, ob er oder sie SPÖ oder KPÖ, ÖVP oder parteilos war. Bei den ersten provisorischen Betriebsratswahlen Mitte 1945 wurden daher nur Einheitslisten aufgestellt, bei denen sich jedoch im wesentlichen die VertreterInnen der drei Parteien in einem Betrieb über die Aufstellung der KandidatInnen parteimäßig einigten.
Der bürokratische Gründungsakt des ÖGB – VertreterInnen von SPÖ, ÖVP und KPÖ setzten sich zusammen und gründeten am grünen Tisch, vereint durch das Ziel Wiederaufbaus Österreichs entlang der Linien vor dem 2. Weltkrieg, von oben herab die Gewerkschaft – fand so in jedem Betrieb durch die zwischen den Parteien ausgehandelten Einheitslisten seine Verlängerung.
Jede oppositionelle Stimme konnte so leicht ausgegrenzt und mundtot gemacht werden. Die Bürokratie reagierte auf den Einheits- und Kampfwillen der ArbeiterInnen damit, dass sie sich zu Beginn an dessen Spitze stellte, um ihn kontrollieren und desorientieren zu können.
Dieser Proporz von drei Parteien beruhte auch auf der Annahme, dass die KPÖ etwa ein Drittel der Bevölkerung hinter sich habe. Doch bei den Parlamentswahlen im November 1945 zeigte sich, dass nicht mehr als 5% der Wahlberechtigten die KPÖ wählten. Nach diesen Wahlen wollte die SPÖ das Wahlergebnis schematisch auf den ÖGB übertragen, um den Funktionärskader nach diesem Wahlproporz umzubesetzen.
Bei den Betriebsratswahlen im Dezember 1945 wurden im Allgemeinen noch Einheitslisten aufgestellt. In vielen Fällen kommt es aber auch bereits zur Aufspaltung des Betriebsrates nach politischen Parteien. Verstärkt wurden die Bestrebungen, Parteilisten aufzustellen, durch die Gründung der sozialistischen Fraktion in den Gewerkschaften 1946. Und im selben Jahr beschließen SPÖ und ÖVP, getrennte Parteilisten bei den kommenden Betriebsratswahlen aufzustellen. Lediglich die KPÖ war weiterhin für die Aufstellung gewerkschaftlicher Einheitslisten. Doch mit der Verkündigung des Kalten Krieges durch den US-Präsidenten Truman am 12. März 1947 wurde die Aufstellung von Einheitslisten durch die SPÖ – die ÖVP hatte keinen nennenswerten Einfluss in den Betrieben – immer offener sabotiert. Die Hilfe der KPÖ beim Wiederaufbau eines bürgerlichen Österreich wurde nicht mehr für notwendig gehalten; sie wurde aus der Dreiparteienkoalition entlassen.
Die KPÖ, welche Einheitslisten als Ausdruck des demokratischen antifaschistischen Konsens der Dreiparteienkoalition sah, gab nun den Einheitslisten einen neuen Inhalt; sie seien der erste Schritt auf dem Weg in die Volksdemokratie, der auch notwendigerweise zur Bildung einer Einheitspartei führen würde. Für die österreichische ArbeiterInnenklasse, die zu dieser Zeit die zwangsweise Bildung von Einheitsparteien in der CSSR, Rumänien und Ungarn hautnah miterlebte, war diese Perspektive alles andere als anziehend. So konnte die SPÖ diese Haltung der KPÖ dabei ausnutzen, die ArbeiterInnenklasse zu spalten, um sie so der verstärkten Ausbeutung über den Marshall-Plan zu unterwerfen. Immer seltener kandidierten Einheitslisten und heute finden diese selbst in den Geschichtsbüchern von SPÖ, KPÖ oder GLB keine ihrer Bedeutung entsprechenden Würdigung.

Zur Bedeutung von Einheitslisten


In den Einheitslisten zeigte sich die komplexe Widersprüchlichkeit der unmittelbaren Nachkriegssituation. Die ArbeiterInnenklasse sah sich mit Problemen konfrontiert, welche die Sammlung und Anspannung all ihrer Kräfte erforderte. Die Einheit im Kampf, im 'Wiederaufbau' und bei der Neuorganisierung der Gesellschaft war die Voraussetzung für den Erfolg. Sie herzustellen war daher das elementare Bedürfnis der ArbeiterInnenklasse.
Doch diese hatten in ihrer übergroßen Mehrheit kein klares Bild davon, wie der 'Wiederaufbau' und die Neuorganisierung der Gesellschaft aussehen sollten. Vage Hoffnungen wurden noch mit viel unklareren Worten ausgedrückt und trafen auf Parteien, die sich imstande zeigten, diese Perspektivlosigkeit der Massen auszunützen.
SPÖ, ÖVP und KPÖ formierten sich zu einem einheitlichen Block. Sie bildeten eine Volksfrontregierung, in der die VertreterInnen des Kapitals gemeinsam mit den VertreterInnen der Arbeit vom Aufbau des Sozialismus redeten, aber in Wirklichkeit den Wiederaufbau des Kapitalismus meinten. Und sie bildeten zu diesem Zwecke in den Betrieben Einheitslisten auf Basis parteiproporzmäßiger und bürokratischer Auslese.
Sie entsprachen so scheinbar dem Drängen der Belegschaften, schafften aber dadurch gleichzeitig die Voraussetzungen, um die Belegschaften kontrollieren und wieder der Kapitalherrschaft unterwerfen zu können. Kräfte, die diese Politik der Koalition mit dem Kapital ablehnten, wie die österreichischen TrotzkistInnen, blieben weiter verboten und mussten in der Illegalität arbeiten.
Diese Konstellation gab aber jeglicher Einheit einen extrem brüchigen Charakter, und als die Entwicklung in Richtung offene Klassenkonfrontation ging, die ArbeiterInnen immer massenhafter den Weg des Klassenkampfes beschritten, musste diese Einheit gebrochen werden. Nur durch diese Spaltung der ArbeiterInnenklasse konnten dieser die entscheidenden Niederlagen zugefügt werden, welche dem nach 1945 wankenden Kapitalismus einen vorläufigen Sieg sicherten.
Die Praxis der Einheitslisten hat bewiesen, dass das Bedürfnis nach Einheit innerhalb der ArbeiterInnenklasse nur bei breitest möglicher ArbeiterInnendemokratie auf der Basis eines, die Klassenkollaboration ausschließenden, Aktionsprogramms zum Erfolg führen kann. Der Wunsch nach Einheit ist ein spontanes Bedürfnis, welches sich mit der Größe der Probleme und Aufgaben zu praktischen Schlussfolgerungen verdichtet. Doch diese werden entscheidend von der politischen Reife der ArbeiterInnenklasse beeinflusst und können im Extremfall entgegen dem spontanen Bedürfnis wirken.
So zerstörte die Zusammenarbeit mit dem Kapital jeden Versuch der Herstellung der Einheit der ArbeiterInnenklasse. Die Form muss mit dem Inhalt in Übereinstimmung gebracht werden. Andernfalls enden alle Bemühungen in einer Niederlage. Und auch darum bedarf es der kompromisslosesten Auseinandersetzung über alle Probleme des Klassenkampfes. Nur so kann trotz der Vielfalt des Bewusstseins aufgrund der mannigfaltigen sozialen Schichtungen innerhalb der lohnabhängigen Massen die Einheit hergestellt werden.
Die Strukturen der Einheitsorganisationen, wie z.B. die Betriebsräte heute in Österreich welche sind, müssen all diesen Erwägungen Rechnung tragen. Der Wahlmodus selbst muss als Teil dieser Strukturen gesehen werden, der aber nicht nur die jederzeitige Wählbarkeit aller und jedes einzelnen Betriebsrates, sondern auch die jederzeitige Abwählbarkeit ausnahmslos aller und jedes einzelnen beinhalten muss.

Demokratie der Beschäftigten am Beispiel von Betriebsratswahlen


Zur Zeit der großen Kämpfe der FIAT-ArbeiterInnen gegen die Agnelli-Despotie wählten sich diese ihre FabrikrätInnen nach dem einfachsten und demokratischsten Verfahren: Die ArbeiterInnen schrieben auf ein leeres Blatt Papier die Namen jener KollegInnen, die sie für die besten, in der politischen und praktischen Arbeit erfahrensten hielten. Gewählt waren jene, deren Namen am genannt wurden.
Die FIAT-ArbeiterInnen zeigten auf diese einfache Art ihre enorme politische Reife, denn sie nahmen sich selbst das alleinige Recht, zu wissen, wer ihre Interessen am besten repräsentieren kann. Und durch diese Art und Weise der Wahl machten sie die individuell Gewählten voll verantwortlich für seine/ihre Tätigkeit. Sie erklärten sich gleichzeitig selbst zur höchsten Kontrollinstanz, der alleine es jederzeit zusteht, von jeder/m Gewählten Rechenschaft zu verlangen und ihn/sie bei Bedarf auch jeder Zeit wieder abzusetzen. Der/die einzelne Delegierte ist so in erster Linie seinen WählerInnen verantwortlich, dann erst einer Körperschaft und irgendwann vielleicht einem Gesetz.
Wie können wir die Erfahrungen der FIAT-Arbeiterinnen, die – möglicherweise ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein – dem Beispiel der ArbeiterInnen der Pariser Kommune von 1871 und der Petrograder ArbeiterInnen des Oktober 1917 folgten, auf unser, durch das Arbeitsverfassungsgesetz geregelte, Betriebsrätewesen umsetzen?
Obwohl wir das Arbeitsverfassungsgesetz als bürgerliches Gesetz ablehnen, da es ein Instrument der Klassenherrschaft ist, insbes. ein Werkzeug, um die Betriebsräte und die Belegschaften bei Androhung der verschiedensten Strafen zur Klassenzusammenarbeit zu zwingen, müssen wir uns doch immer wieder als Ausgangspunkt unserer Aktivitäten positiv darauf beziehen. Dies auch deshalb, weil jedes Gesetz immer auch ein Ausdruck des jeweils gegebenen Kräfteverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit ist.
Sicherlich müssen wir immer danach trachten, entsprechend der jeweiligen Kampfformen, die gesetzlichen Schranken zu durchbrechen, um die Macht der Betriebsräte als Exekutivorgane der Belegschaften im Interesse einer klassenkämpferischen Bewegung zu stärken. Aber Bezugspunkt aller diesbezüglichen Überlegungen muss immer das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen sein, welches in der gegenwärtigen Situation seine juristische Entsprechung im Arbeitsverfassungsgesetz findet. Wenn wir versuchen, die Grauzonen des Arbeitsverfassungsgesetzes zu nützen, so bedeutet das noch lange nicht, dass das auch durchsetzbar sein kann.
Im Gegenteil: jede Ausweitung der Macht der ArbeiterInnenklasse kann nur im Kampf gegen die sozialpartnerschaftliche Gewerkschaftsführung und ebensolche Betriebsräte realisiert werden, indem sie von relevanten Teilen der Belegschaften klassenkämpferische Vorschläge aufgegriffen werden.
Dem Kampf um diese Forderungen kommt heute eine zunehmende Bedeutung zu, da durch sie das Wesen der klassenversöhnlerischen ArbeiterInnenbürokratie (Gewerkschaftsführung und Teile der Betriebsräte) deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Ihre Strategie nämlich besteht darin, die Belegschaften zu spalten und zu entmündigen, um sie so besser den Kapitalinteressen unterordnen zu können.

Offene Listen auf der Grundlage des Persönlichkeitswahlrechtes


Alle KollegInnen müssen, ohne Erfüllung irgendwelcher Voraussetzungen, das Recht haben, bei Betriebsratswahlen zu kandidieren. Alle Einschränkungen müssen beseitigt werden, auch wenn wir so manche Diskriminierung des Arbeitsverfassungsgesetzes unter Umständen – trotz aller Ablehnung – gegenwärtig berücksichtigen müssen.
Heute könnte die Demokratisierung von Betriebsratswahlen im Rahmen der in Österreich derzeit gegebenen gesetzlichen Bestimmungen in etwa so aussehen.
Der auf einer Betriebsversammlung gewählte Wahlvorstand wird beauftragt, die notwendigen Vorarbeiten zur Realisierung des Persönlichkeitswahlrechts zu leisten. Das erfordert – bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen – die Abhaltung einer auf Personen bezogenen Vorwahl. Individuelle Streichungen, und auch die Wahl von einzelnen Personen ist letztlich nichts andres, sind nämlich durch das Arbeitsverfassungsgesetz ausgeschlossen. Durch diesen Schritt soll vor der innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen durchzuführenden Wahl durch die KollegInnen selbst die personelle Zusammensetzung einer Einheitsliste festgelegt werden.
Zur Durchführung der Vorwahl muss der Wahlvorstand eine Liste aller KollegInnen zusammenstellen, die bereit sind, zu kandidieren. Alle Namen sind auf einem einheitlichen Stimmzettel nach objektiven Kriterien (z.B.: alphabetisch, altersmäßig …) zu reihen, und bei der Vorwahl können doppelt so viele Namen angekreuzt werden, wie BetriebsrätInnen zu wählen sind. Gewählt sind diejenigen, welche die meisten Stimmen für sich verbuchen konnten. Die Reihung der KandidatInnen auf dem Wahlvorschlag der Einheitsliste erfolgt nach der Anzahl der erhaltenen Stimmen. Kandidieren keine weiteren Listen, wird dann die Liste bei der offiziellen Wahl gewählt, die erste Hälfte der Kandidierenden wir Mitglied des Betriebsrates, der Rest steht bei Rücktritten, Pensionierungen, langen Krankenständen usw. als Ersatzmitglieder zur Verfügung.
Dieser Wahlmodus bedeutet keinesfalls eine Entpolitisierung der Betriebsratswahlen. Im Gegenteil! Er zwingt alle KandidatInnen zu erklären, wofür und wogegen sie oder er eintritt. Die persönliche Verantwortung zwingt zur persönlichen Rechenschaft und diese gibt den WählerInnen die volle Kontrollmöglichkeit, was im Bedarfsfall weiters die jederzeitige Absetzbarkeit der Gewählten – kollektiv oder auch einzeln – beinhalten kann. Die enorme Vereinfachung der Wahl, indem sie entbürokratisiert und demokratisiert wird, lässt die ArbeiterInnendemokratie machbar werden und erhöht dadurch die Verbundenheit zwischen den RepräsentantInnen der Belegschaft und dieser selbst.
Die Grenzen beginnen sich aufzulösen und die Betriebsratspolitik wird zu dem gemacht, was sie eigentlich sein soll: Vollzug des Willens der Belegschaften!
Auf den offenen Einheitslisten ist Gruppen- und Fraktionsbildung selbstverständlich möglich, ja sogar unumgänglich, will man nicht wieder zu administrativen Mitteln wie Repression und in Folge Verbot greifen. Gleichgesinnte werden sich eine gemeinsame Wahlplattform bilden, einen gemeinsamen Wahlkampf führen und zur Wahl aller VertreterInnen ihrer Wahlplattform aufrufen.
Aber jedeR einzelne muss sich das Vertrauen der KollegInnen im tagtäglichen Kampf erwerben. KarrieristInnen, OpportunistInnen usw. selbst auf Basis des besten Programms sind für die Belegschaft wertlos. Die Belegschaft muss das Recht zur vollen Entscheidung haben und nicht über ein Listenwahlrecht mit TrittbrettfahrerInnen beglückt zu werden.
Das Persönliche ist eminent politisch – und das gilt besonders in der innerbetrieblichen Auseinandersetzung mit dem Kapital! RevolutionärInnen werden versuchen, möglichst viele klassenkämpferische KollegInnen auf der Basis eines konkreten betrieblichen Aktions- und Forderungsprogramm auf offenen Einheitslisten zu sammeln. Doch wir akzeptieren das Recht der Belegschaften darüber zu entscheiden, ob sie sich in diesem oder jenem Wahlprogramm wieder findet, und auch darüber, ob dieseR oder jeneR KandidatIn für fähig befunden wird, Teil des Exekutivorgans der Interessen und des Willens der Belegschaft zu sein.
Gerade dieser Wahlmodus würde die Auflösung der alten, oft bereits diskreditierten Strukturen beschleunigen und den Neuformierungsprozess der ArbeiterInnenbewegung fördern. Und genau dies ist wiederum ein Grund, warum er heute in der Regel auf Ablehnung stoßen wird. Daher sind wir oft und oft gezwungen, erst recht wieder auf das Listenwahlrecht zurückzugreifen. Aber wir werden durch unseren Vorschlag versuchen aufzuzeigen, dass wir das Betriebsrätewesen vollkommen neu gestalten wollen – kämpferisch und demokratisch, mit den Belegschaften als alles entscheidendes und kontrollierendes Kollektive. Und wir versuchen dort, wo wir dazu in der Lage sind, unseren Worten und Vorschlägen Taten folgen zu lassen.

Zur Notwendigkeit der Emanzipation der Lohnabhängigen


Eines aber muss uns immer bewusst bleiben – der defensive Charakter von Betriebsratsarbeit. Diese ist enorm wichtig, ohne sie würden die Lebensbedingungen der KollegInnen tagtäglich verschlechtert werden; sie ist die Basis einer Fülle weiterer politischer Aktivitäten. Wollen wir aber die Welt wirklich verändern, die Gesellschaft grundsätzlich umgestalten, dann sind andere Formen der politischen Betätigung von Nöten. Und dass die Welt nicht so bleiben kann, wie sie ist, liegt auf der Hand – 1% der Menschheit besitzt fast alles und beherrscht alles, 99% haben nichts zu sagen und besitzen fast nichts, die halbe Menschheit hungert und hat kein fließendes Wasser, jährlich sterben ca. 40 Millionen Kinder an heilbaren Krankheiten wie Masern, die Liste ist nahezu endlos fortsetzbar. All diese Probleme sind lösbar, die Welt ist reich genug dazu. Nur ist dieser Reichtum leider sehr ungerecht und ungleich verteilt. Und der Kampf um die Umverteilung dieses Reichtums beginnt im eigenen Betrieb, auch, ja gerade im FSW, da er eine Institution gesellschaftlicher Umverteilung ist. Aber im Endeffekt geht es nicht um Umverteilung, es geht nicht um ein größeres Stück vom Kuchen, es geht noch nicht einmal um den ganzen Kuchen! Wenn wir die KollegInnen fragen, was sie wirklich brauchen, die Hungernden in Afrika genauso wie die künftig vom FSW finanzierten HauskrankenpflegerInnen mit Hungerlöhnen in Wien, und wenn diese sagen, was sie wirklich brauchen, ohne von dem eingeschränkt zu werden, was angeblich in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft möglich oder unmöglich ist, dann wird ganz schnell klar: WIR WOLLEN DIE GANZE BÄCKEREI! Und auch dieser weit über den eigenen Betrieb hinaus reichenden Perspektive darf sich Betriebsratsarbeit nicht verschließen, will sie wirklich tun, was die KollegInnen brauchen.

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