Freitag, 10. Dezember 2004

Sozialabbau in Zahlen: Wie asozial ist Österreich wirklich?

Die Lohnabhängigen in Österreich spüren den Sozialabbau unter Schwarz-Blau seit Jahren deutlich in ihren Geldbörseln. Doch die Regierung argumentiert weiterhin mit steigenden Sozialausgaben. Was stimmt nun? Und was nicht?

Budgetentwicklung ...


Wenn wir die Entwicklung des Bundeshaushaltes (im Volksmund Budget genannt) seit der Wende 2000 betrachten, so wird offensichtlich, dass die Regierung ihr eigenes neoliberales Dogma (das letztlich nichts anderes ist als Kapitalismus in Reinkultur in den Farben der heutigen Zeit) von den ausgeglichenen Budgets nicht einhalten kann. Der erste Budgetabschluss von Finanzminister Grasser (damals FPÖ) im Jahr 2000 brachte bei den Ausgaben mit 121,7 Milliarden Euro eine Steigerung von sage und schreibe 33,8 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um eine Erhöhung der Ausgaben von mehr als einem Drittel im Vergleich zum Bundesabschluss 1999.
In den beiden folgenden Jahren ist es Schwarz-Blau auf Basis eines rigorosen Sparkurses auf dem Rücken der breiten Masse gelungen, die Staatsausgaben wieder auf unter 100 Milliarden Euro zu drücken. Doch dann hat sich das neoliberale Dogma selbst ins Knie geschossen – die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich begann einzubrechen. Die staatlichen Ausgaben sind dementsprechend auch wieder deutlich gestiegen; nach derzeit vorliegenden Schätzungen auf 112,7 (2003) bzw. 113,6 (2004) Milliarden Euro.
Dies spiegelt sich auch beim Budgetdefizit wider. Dieses konnte bis 2001 noch auf 1,4 Milliarden Euro gesenkt werden, wobei hier nicht vergessen werden darf, dass das Budget für das Jahr 2000 noch von der alten SPÖVP-Koalition erstellt wurde. Ab 2002 begann das Defizit dann wieder deutlich anzusteigen, so dass es heuer vermutlich bei 3,4 Milliarden Euro liegen wird.

... und der Anteil der Sozialausgaben


Der gemeinsame Anteil der Budgetposten "Gesundheit" und "Soziale Wohlfahrt" am Gesamtbudget ist unter Schwarz-Blau deutlich gesunken. Lag er 1999 noch bei 20,5% so wird er voraussichtlich 2003 und 2004 jeweils 17% betragen. Diese Zahl macht deutlich, dass trotz steigender Staatssausgaben, die sogenannte Sanierung des Staatshaushaltes vor allem auf dem Rücken der Schwächeren ausgetragen wird: PensionistInnen, Kranke, Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen müssen überdurchschnittlich dazu beitragen.
Auch auf der Ebene der Sozialversicherungsträger muss das Argument der ausufernden Kosten zurück gewiesen werden. Ihre Mittel als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind von 1999 bis 2003 von 16,3% auf 16,5% gestiegen. Dies ist in Anbetracht einer älter und damit kränker werdenden Gesellschaft sowie steigenden Arbeitslosenzahlen eine überaus moderate Steigerung. Gleichzeitig macht dies deutlich, warum auch bei der Krankenversicherung, den Pensionen und den Arbeitslosen gespart wird. Wenn die Kosten steigen, die Einnahmen aber nicht, dann muss bei den Leistungen gespart werden. Die Zeche der neoliberalen Politik soll also einmal mehr die breite Masse zahlen.

Lohnpolitik


Seit Jahren bekommen wir von den Herrschenden in Regierung, Industriellenvereinigung und Konzernzentralen zu hören, dass sie ja so arm seien. Sie müssen viel zu viele Steuern zahlen. Dass die Steuersätze auf Gewinne in Österreich mit Ausnahme einiger weniger Steuerparadiese wie den Cayman-Islands, den Bahamas, den Kanalinseln oder der Slowakei weltweit zu den niedrigsten gehören, wird dabei gerne unterschlagen. Kein Wunder, lassen sich diese (in der EU liegen sie im Schnitt 3-4 Mal so hoch) doch auch nur ideologisch begründen. Volkswirtschaftlich kann deren Notwendigkeit nicht bewiesen werden!
Ja, und dann haben die 'armen' Unternehmen noch einen zweiten Grund zu jammern: Die Löhne sind viel zu hoch! Wir bösen Lohnabhängigen wollen einfach viel zu viel Geld für viel zu wenig Leistung. Dass die Lohnstückkosten (Kosten pro produziertem Stück einer bestimmten Ware) aber in Österreich schon längst unter jenen in Osteuropa liegen, auch dass vergessen sie sehr gerne.
Lassen wir Zahlen sprechen: Die Lohnquote, also der Anteil der Löhne und Gehälter am BIP, sinkt seit mittlerweile fast drei Jahrzehnten. Hatte sie in den 1970ern dank eines langen ununterbrochenen Booms nach dem 2. Weltkrieg, starken Gewerkschaften und einer moderaten Umverteilungspolitik unter der SPÖ-Alleinregierung einen Höchststand erreicht, geht es seither kontinuierlich bergab. Diese Zahl, die ein guter Ausdruck des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses zwischen Wirtschaft und Lohnabhängigen ist, hatte 1978 noch 79,3% betragen, 2002 lag sie bei nur mehr 70,9%. In den Jahren unter Schwarz-Blau ist es damit besonders rapide abwärts gegangen. Im letzten Jahr vor der Wende lag sie noch bei fast 74%, wohingegen derzeit damit gerechnet wird, dass sie im nächsten Jahr die 70% unterschreiten wird.
Nahezu der halbe Verlust der Lohnabhängigen gegenüber dem gestiegenen gesellschaftlichen Reichtum, resultiert also aus den fünf Jahren Wenderegierung. In dieser kurzen Zeit wurde uns Beschäftigten fast eben so viel weggenommen wie zuvor in zwei Jahrzehnten. Die Bürgerblockregierung verteilt um – von Arm zu Reich! Und dies ist auch Ausdruck der Schwäche der ArbeiterInnenbewegung und der relativen Stärke der Kapitalinteressen.

Wo bleibt das Geld?


Gleichzeitig hat der Anteil, den die Wirtschaft zum gesamten Steueraufkommen beiträgt, dramatisch abgenommen. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Steuern für die Wirtschaft abgeschafft oder verringert wurden, z.B. die Umsatz- und Körperschaftssteuer. Aber auch die Steuern auf Besitz sowie Grund und Boden sind überaus niedrig. Wenn wir dann gar noch die Privatstiftungen betrachten, die es ermöglichen fette Gewinne praktisch unversteuert zu verprassen und lukrativ anzulegen, dann könnte einem/r richtiggehend schlecht werden.
Es ist also so, dass wir Lohnabhängigen nicht nur die Belastungen voll zu spüren bekommen, während die Wirtschaft ein Zuckerl nach dem anderen bekommt, sondern wir dürfen diese auch noch selbst durch steigende Steuern und Kosten für Sozialleistungen finanzieren. Gleichzeitig werden die Beiträge der Bosse zur Sozialversicherung immer geringer. Und trotzdem hören wir schon wieder das Gejammer, dass diese noch immer zu hoch seien. Und wir können uns sicher sein, dass sich hier der nächste große Sozialbetrug anbahnt; eines ist nämlich klar: der sogenannten Arbeitgeberbeitrag ist keine noble Geste der Bosse, sondern Teil unserer Löhne. Wenn diese Beiträge also gesenkt werden, dann sinken real unsere Löhne – uns wird etwas weggenommen, de facto: gestohlen!
Es ist also offensichtlich, wohin das Geld kommt. Nein, Österreich ist in den letzten Jahren nicht ärmer geworden. Ganz im Gegenteil: Österreich ist reicher als je zuvor. Allerdings ist dieser Reichtum auch ungleicher verteilt als je zuvor. Während einige wenige immer reicher und reicher werden, verarmt die große Masse zunehmend. 30% Armutsgefährdete laut Armutskonferenz sprechen eine deutliche Sprache. Das 'eingesparte' Geld geht also auf die ohnedies schon übervollen Konten der Konzerne und UnternehmerInnen. Und die Sozial- und Budgetpolitik der Regierung spielt hier eine wesentliche Rolle. Die schwarzblauen Lakaien der Herrschenden sorgen nämlich dafür, dass diese Umverteilung möglichst reibungslos vor sich gehen kann.

Was tun?


Den Lohnabhängigen ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Zahnlose Versuche eines schwächlichen neuen Wirtschaftsprogramms der SPÖ werden da auch nichts helfen. Was wir Beschäftigten, PensionistInnen und Jugendlichen heute wirklich brauchen ist eine echte Umverteilung – von oben nach unten!
  • Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung!
  • Stark progressive Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Besitz!
  • Wenn die Bosse behaupten, dass sie ihr Unternehmen so nicht weiterführen können: Öffnung und Kontrolle aller Geschäftsunterlagen durch die Beschäftigten und ExpertInnen ihres Vertrauens!
  • Und wenn sie die Produktion verlagern oder schließen wollen: Verstaatlichung der Unternehmen unter Kontrolle der Beschäftigten!

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