Sind die KollegInnen, die in Zukunft bei privaten Busunternehmen arbeiten werden, nun aber wirklich abgesichert oder hat nur die alte SozialpartnerInnenschaft den Vorhang über den kämpferischsten Arbeitskonflikt der letzten Jahre in Österreich gesenkt?
Politische Wetterlage
Schon in der Präambel wird betont, dass die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der ÖBB eine der Grundlagen der Vereinbarung ist. Ist dies aber im Interesse der Beschäftigten? Und wo bleiben die Interessen der NutzerInnen des öffentlichen Verkehrs? Beides wird im Sozialplan nicht erwähnt! Vergleichbare Privatisierungen haben bewiesen: Egal wie gut die scheinbare rechtliche Absicherung ist – die Bosse finden immer Mittel und Wege um die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern und dadurch ihre Profite zu verbessern.
Weiters haben sich die Verhandlungsparteien in allgemeinen Formulierungen auf die Einführung neuer Arbeitsmethoden (Rationalisierungen), die Auflassung von Betriebsteilen, Standortverlagerungen, Auslagerungen und die Reduzierung des Personalstandes auf das wirtschaftlich notwendige Ausmaß geeinigt. All dies dient nur den Interessen der Firma! Es wird auch formuliert, dass dieser Plan nur der Milderung der arbeitsrechtlichen Folgen dient. Nicht jede Verschlechterung soll dadurch verhindert, sondern nur gemildert werden, und damit werden Scheunentore für kommende Verschlechterungen geöffnet.
Die Interessen der Lohnabhängigen werden dabei nicht erwähnt. Kein Wunder: Auslagerungen, die Auflassung von Betriebsteilen und Personalabbau bedeuten für sie immer Verschlechterungen. Alle drei Punkte dürften von GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen daher nie und nimmer unterschrieben werden!
Dieses Ergebnis ist letztlich nur durch die Verpflichtung des Betriebsrates, auf die wirtschaftlichen Umstände des Unternehmens Rücksicht zu nehmen, welche im Arbeitsverfassungsgesetz verankert ist, zu erklären. Aber: Können sich klassenkämpferische BetriebsrätInnen an rechtliche Bestimmungen halten, welche die Verteidigung der Interessen der Belegschaft unmöglich machen? Dürfen sie das überhaupt? Meiner Ansicht nach handelt es sich dabei im wesentlichen um eine politische Frage, um eine Frage der Stärke im Arbeitskampf. Und in diesem haben die KollegInnen vom Postbus mehr als einmal bewiesen, dass sie mit ihrer Geschlossenheit, ihrem Mut und ihrer Bereitschaft zum Kampf alles erreichen können! Da braucht es keine juristischen Krücken mehr!
Auswirkungen
Die zentrale Frage zum Sozialplan lautet: Wie wird die Fortschreibung arbeitsrechtlicher Bestimmungen abgesichert? Soll diese Bestanteil des Vertrages mit den kaufenden Unternehmen sein? Wenn dem nicht so ist, hat der Sozialplan für diese nämlich keine Bindungskraft! Und im Sozialplan selbst wird kein Wort darüber verloren, wie diese Absicherung erfolgen soll! Ein kleiner, juristisch aber möglicherweise folgenschwerer Fehler.
Führen wir uns aber noch einige Gustostückerl aus dem Sozialplan zu Gemüte:
- Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen für die KollegInnen ohne Kündigungsschutz sind ab dem Verkauf der jeweiligen Linie möglich!
- Das Rückkehrrecht in den alten Betrieb gilt nur, wenn die ArbeitnehmerInnen einem individuellen Vertrag mit altem und neuem Dienstgeber zustimmen und bereits 10 Jahre im alten Betrieb waren. Auch gilt das Rückkehrrecht nur beim Konkurs aller Unternehmen des neuen Besitzers/der neuen Besitzerin wenn es gleichzeitig keineN RechtsnachfolgerIn gibt. Wenn also die Firma X in Konkurs geht, und der gleiche Kapitalist einen Tag später eine neue Firma gründet, die alles übernimmt, dann geht auch das Rückkehrrecht flöten.
- Für bestimmte Gruppen (z.B. Privatangestellte, also die sogenannten KollektivvertragslenkerInnen) gilt das Rückkehrrecht nur bis Ende 2009.
- Bei einer Rückkehr in den Stammbetrieb gibt es keine Garantie auf die gleiche Verwendung. Da aber bei vielen öffentlich beschäftigten KollegInnen bedeutende Teile des Einkommens aus Zulagen bestehen, könnte dies mit erheblichen Gehaltseinbußen verbunden sein.
Gutes Ergebnis für wen?
Die bürgerliche Presse jubiliert: Der langjährige Kampf der Belegschaft sei durch eine Unterschrift und nicht durch einen Streik beendet worden. Der Betriebsrat hofft, dass der Verkauf an private Unternehmen durch den Sozialplan zu teuer geworden sei.
Ob diese Hoffnung angesichts von 132 privaten BieterInnen aufgehen wird? Ob diesen überhaupt Kosten entstehen werden, ist doch im Sozialplan mit keinem Wort festgelegt, wie sie zu seiner Einhaltung gezwungen werden können? Denn was interessiert schließlich die Firma X, welchen Vertrag irgendjemand mit der ÖBB hat?
In Anbetracht des jahrelangen harten Kampfes der KollegInnen beim Postbus, der auch mit viel Verzicht verbunden war, hätte das Ergebnis der Verhandlungen deutlich besser ausfallen müssen! Es ist genau so, wie es ein Betriebsrat vom Bahnbus auf der BetriebsrätInnenversammlung im Dezember 2004 formuliert hat: "Dieses Ergebnis kann verkauft werden". Die Frage ist nur: Wem? Presse und Regierung? Das ist gelungen. Kann es aber auch der Belegschaft verkauft werden? Oder besser gesagt: Muss es dieser verkauft werden? Viele KollegInnen haben sich in Anbetracht ihrer Opfer und ihres großartigen Kampfes mehr erwartet – mit Recht!
Das Ergebnis eines Arbeitskampfes ist sehr oft ein notwendiger Kompromiss. Doch in diesem Fall hatten die Belegschaften alle Trümpfe in der Hand. Sie haben gezeigt, dass sie sich nichts gefallen lassen. Und nur zu oft haben der Regierung in Anbetracht dieser Kampfbereitschaft die Knie geschlottert.
Auch jetzt noch können die Verschlechterungen für die KollegInnen abgewehrt werden, ebenso wie die Teilprivatisierung. Aber nicht mit diesem Sozialplan! Jetzt gilt es, die Belegschaft ehrlich über die Notwendigkeiten des Kompromisses aufzuklären, in einer breiten Diskussion auf Basis der ersten Erfahrungen mit dem Sozialplan Bilanz über dessen Vor- und Nachteile zu ziehen und die Geheimverhandlungen hinter verschlossenen Türen zu beenden. Auf dieser Basis muss die gesamte Belegschaft in einer Urabstimmung über die Annahme des Sozialplanes entscheiden können.
Wenn eine solche Urabstimmung den Sozialplan ablehnen sollte, was in Anbetracht seiner Regelungen politisch richtig wäre, müsste der Kampf wieder aufgenommen werden, und dieses Mal unter der demokratischen Kontrolle der Belegschaft. Diese muss nicht nur entscheiden, welche Kampfform (unbefristete Betriebsversammlungen oder Streiks) gewählt werden, sondern auch, für welche Ziele gekämpft wird, welche Ergebnisse ausreichen und wann der Kampf beendet wird. Sobald die SpitzenfunktionärInnen des ÖGB nämlich alleine hinter verschlossenen Türen mit den Bossen verhandeln, kommt nichts Gutes dabei heraus – zumindest nicht für die Beschäftigten!
Wie weiter?
Gerade eine kämpferische Betriebsratskörperschaft wie jene beim Postbus steht unter einem unglaublichen Druck; auf sich alleine gestellt, wird sie diesem nachgeben müssen. Nach wie vor wollen die BetriebsrätInnen gegen die Teilprivatisierung kämpfen. Mit der Unterzeichnung des Sozialplans haben sie sich aber keinen guten Dienst erwiesen. Sie stehen nun vor der Entscheidung, weiterhin gegen die Privatisierung aufzutreten und damit ihren eigenen Sozialplan zu bekämpfen oder in die Fußstapfen der Gewerkschaft der EisenbahnerInnen zu treten, die mit ihrer 'Kampfstrategie' in die absehbare Niederlage geschlittert ist.
Es ist also hoch an der Zeit, dass wir Beschäftigen alle den Kampf um unsere Arbeits- und Lebensbedingungen selbst in die Hand nehmen – ob im Sozial- und Gesundheitsbereich, bei der ÖBB oder beim Postbus!
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