Dienstag, 11. Juli 2006

5 ½ Jahre FSW – eine persönlich-politische Bilanz

Nachdem ja der Fachbereich Sucht und Drogen aus dem FSW in eine eigene GmbH ausgegliedert wurde, möchte ich dies zum Anlass nehmen, kurz für alle KollegInnen nachvollziehbar Bilanz über meine Erfahrungen in diesem Betrieb als Mitarbeiter und Betriebsrat zu ziehen.

22 Thesen zur Verteidigung öffentlicher Sozialleistungen


1. Der FSW ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass Privatisierungen bzw. Ausgliederungen immer zu Verschlechterungen der Leistungen für ihre BezieherInnen und der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten führen. Beispiele von Verschlechterungen für die LeistungsbezieherInnen sind uns allen aus unseren Arbeitsbereichen konkret bekannt. Und dass der groß angekündigte Bürokratieabbau bestenfalls die Willensbekundung einer Sonntagsrede war, wissen wir auch alle. Ja, viele KollegInnen sprechen sogar davon, dass der Verwaltungsaufwand im FSW deutlich zugenommen hat.

2. Auch die sich permanente verschlechternden Arbeitsbedingungen sprechen für sich selbst. Ständig steigender Arbeitsdruck, Mobbing als zentrales Mittel der Konfliktaustragung und das Fehlen von klaren bzw. chaotische, teilweise nicht funktionstüchtige Strukturen und Prozessabläufe haben wohl schon viele KollegInnen an die Grenzen des Erträglichen gebracht.

3. Das allseits getätigte Versprechen, dass es für die Magistratsbediensteten zu keinen Verschlechterung kommen wird, ist ebenfalls nicht eingehalten worden. Neben den oben aufgezählten allgemeinen Gründen sind hier als Beispiele z.B. die Verschlechterungen bei der Abrechnung von dienstlichen Fahrten, oftmals erzwungene Umstiege in die Gleitzeit ohne deren Vorteile (ganztägiger Zeitausgleich) sowie die de facto Unmöglichkeit für Gemeindebedienstete zu echten Leitungspositionen zu kommen, zu nennen.

4. An den Arbeitsbedingungen für Privatangestellte hat sich seit Jahren nichts geändert – die Betriebsvereinbarung konnte trotz einer Fülle von Vorschlägen nicht weiter entwickelt werden, wodurch sich die (Nicht-)Regelung einer Fülle von Arbeitsbedingungen im FSW nach wie vor irgendwo zwischen 1900 und 1945 bewegt.

5. Wie nahe der FSW in Wirklichkeit an der Gemeinde Wien ist, zeigt neben der Tatsache, dass sich die Arbeitsbedingungen der Privatangestellten grundsätzliche von jenen der Gemeindebediensteten unterscheiden, auch die Tatsache, dass die Geschäftsführung des FSW seit einem Jahr einen einstimmigen Beschluss des Gemeinderates ignoriert, in welchem der Betrieb FSW zu folgenden Schritten aufgefordert wurde:
„dass Mittel der Stadt Wien im Gesundheits- und Sozialbereich nur an jene Unternehmen und Vereine vergeben werden dürfen, die kollektivvertragliche Bestimmungen einhalten und dass dies auch als Bedingung in die Förderverträge aufgenommen wird,
* dass für alle zukünftigen MitarbeiterInnen des FSW raschest eine Betriebsvereinbarung abzuschließen ist, die sich an der Vertragsbedienstetenordnung der Stadt Wien orientiert und als Mindestnorm gültig sein muss,
* dass die Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte der BelegschaftsvertreterInnen analog den gesetzlichen Regelungen des ArbVG zu gewährleisten ist.“
6. Kein einziger dieser Punkte ist bis dato umgesetzt, obwohl z.B. zwischenzeitlich ein Kollektivvertrag für den Sozialbereich in Kraft getreten ist. Die Verhandlungen zur Betriebsvereinbarung im FSW erscheinen als unendliche Geschichte. Trotz aller schönen Worte von verschiedenen Seiten muss bei ernsthafter Betrachtung festgestellt werden, dass bis jetzt praktisch nichts weitergegangen ist.

7. Die neoliberale Strategie der Beauftragung einer externen Unternehmensberatungsfirma zur Erarbeitung eines Gehaltsschemas erscheint in diesem Licht betrachtet als Mittel zur seit Gründung des FSW in dieser Frage von der Geschäftsführung verwendeten Verzögerungstaktik.

8. Gleichzeitig hat dies aber noch eine andere Bedeutung: Externe BeraterInnen sind ja ach so objektiv, was sich schon deutlich daran zeigt, dass diese genauso wie die Geschäftsführung des FSW unbedingt leistungsabhängige variable Gehaltsbestandteile wollen, mir persönlich aber dieser Wunsch seitens der großen Mehrheit der Belegschaft bisher nicht bekannt ist. Solche Firmen können also unter dem Deckmäntelchen der scheinbaren Neutralität und dessen, was angeblich am „freien Markt“ üblich ist, viel leichter durchsetzen, was der Geschäftsführung nur unter großen Widerständen der Belegschaft möglich wäre. Doch wer zahlt, schafft an!

9. Letztlich zeigt diese Herangehensweise, dass der FSW ganz klar nach den Kriterien eines privatwirtschaftlichen profitorientierten Unternehmens funktioniert: Scheinbar objektive Kriterien werden vorgeschoben, wo die Geschäftsführung nicht den Mut hat, offen zu sagen, dass sie für eine schlechte Bezahlung ist; die KollegInnen werden durch ach so moderne Differenzierungsmöglichkeiten beim Gehalt je nach individueller Leistung noch mehr auseinanderdividiert; und schließlich schert sich die Geschäftsführung so wie jeder private Betrieb auch überhaupt nicht um politische Beschlüsse, wie das obige Zitat aus dem Gemeinderatsbeschluss vom 1. Juli 2005 eindeutig belegt.

10. Dass die privatangestellten KollegInnen sich im Durchschnitt sehr schnell einen anderen Job suchen und es bei den Gemeindebediensteten einen wahrhaften Exodus in Richtung Magistrat ergibt, wo auch immer sich eine Möglichkeit bietet, darf da nicht verwundern. Wenn der Arbeitsmarkt anders aussehen würde: Wer außer der Minderheit der im FSW von der Geschäftsführung bewusst Privilegierten würde sonst denn auch freiwillig in diesem Betrieb arbeiten? Wie viele der zugewiesenen Magistratsbediensteten wären freiwillig in den FSW gekommen? Wer wird noch freiwillig im FSW arbeiten, wenn sich die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ändern?

11. Wir brauchen nur objektiv die Arbeitsbedingungen im FSW mit der ach so hochgepriesenen Privatwirtschaft und dem restlichen Sozialbereich vergleichen. Die große Mehrheit der KollegInnen wird dann schnell feststellen, dass es kaum einen Betrieb gibt, wo die Arbeitsbedingungen schlechter, die Arbeitszeiten länger und die Löhne geringer sind.

12. Mit einem Wort: Wir sollten der Propaganda der Geschäftsführung nicht eine Sekunde Glauben schenken: Die Arbeitsbedingungen im FSW sind schlecht – auch im Vergleich zu anderen im selben Arbeitsbereich tätigen Unternehmen. Und die seit Jahren im Raum stehenden großmundigen Ankündigungen, dass die höhere Arbeitsplatzsicherheit von Magistratsbediensteten für die Privatangestellten mit leicht höheren Löhnen, die dann aber wohl noch immer unter den „marktüblichen“ liegen würden, kompensiert werden sollen, sind in Anbetracht der Praxis schon längst keinen Pfifferling mehr wert. Selbstverständlich gilt das aber nicht für jene, die die Geschäftsführung unbedingt haben möchte, in diversen Leitungsorganen usw. Da gibt es Gehälter, die im Magistrat bei den Gehaltstafeln irgendwo bei 80 oder mehr Vordienstjahren liegen würden. Manche sind halt einfach gleicher …

13. Tatsache ist, dass diese Situation eine Folge der Ausgliederung ist. Tatsache ist aber auch, dass wir als Belegschaft daran etwas ändern könnten, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen würden. Wenn wir uns nicht darauf verlassen würden, dass der Betriebsrat eh alles für uns macht. Wenn wir selbst aktiv werden würden. Wenn die Belegschaft demokratisch entscheiden würde, was sie will und zum Leben und Arbeiten braucht. Wenn der Betriebsrat diese Beschlüsse dann auch umsetzen würde.

14. In der Praxis ist es aber so, dass die Belegschaft derzeit kaum über Informationen verfügt, was der Betriebsrat tut. Es gibt nur ganz selten Betriebsratszeitungen, wobei die zweite Ausgabe derselben mehr als inhaltsleer war. Es gibt praktisch keine Infomails mehr und die im alten Betriebsrat üblichen monatlichen Tätigkeitsberichte sind überhaupt gestorben. Der Betriebsrat informiert schlicht und einfach zu wenig!

15. Ohne die regelmäßige und tiefgreifende Information der gesamten Belegschaft durch diese Medien und häufige Betriebsversammlungen mit echten Diskussions- und Entscheidungsmöglichkeiten, ist es für die Geschäftsführung sehr einfach, uns Beschäftigte zu spalten und auseinanderdividieren.

16. Leider zieht der Betriebsrat nur all zu oft auch nicht an einem Strang. Gerade in der Frage der Information der Belegschaft hat sich die Mehrheit aus KIV und LuB deutlich durchgesetzt und kocht lieber ihr eigenes Süppchen als die Belegschaft ordentlich zu informieren. Nur: Wer hat denn dann die Möglichkeit, die Tätigkeit des Betriebsrates zu kontrollieren, mitzureden und zu bestimmen und auf dieser Basis auch zu entscheiden, ob die gegenwärtige politische Zusammensetzung des Betriebsrates auch in Zukunft die richtige sein wird?!

17. Was mir persönlich besonders weh tut, ist die Tatsache, dass nach meiner Ausgliederung aus dem FSW keinE PrivatangestellteR mehr im Betriebsrat vertreten sein wird. Und das trotz der Tatsache, dass nahezu 40% der Belegschaft bereits direkt beim FSW angestellt sind.

18. Bilanzierend kann ich also nur feststellen, dass es viel zu tun gibt. Vieles muss geändert werden! Zuallererst gilt das natürlich für die Arbeitsbedingungen. Der Vorschlag von fsw gemeinsam aktiv (vgl. dazu: http://www.fsggemeinsamaktiv.info/fswbv.pdf ) für eine Betriebsvereinbarung ist nach wie vor einer, der dazu im Stande wäre, viele der Probleme in diesem Zusammenhang, wenn auch nicht alle, zu lösen. Und dieser Vorschlag ist bei weitem nicht übertrieben, auch wenn er auf den ersten Blick sehr gut erscheint. In der von der Geschäftsführung des FSW so viel gepriesenen Privatwirtschaft gibt es noch weit bessere Arbeitsbedingungen. Also soll sich die Geschäftsführung aus dieser gefälligst nicht nur das holen, was ihr in den Kram passt, nämlich Flexibilisierung und Verschlechterungen, sondern auch das, was für uns Beschäftigte gut ist!

19. Aber auch in der Betriebsratsarbeit gilt es, vieles zu ändern, will die Belegschaft die Möglichkeit haben, ihre Interessen gegen die Geschäftsführung durchzusetzen. In letzter Konsequenz müssen dafür alle wichtigen Entscheidungen von der Belegschaft selbst getroffen werden, was die Mehrheit des Betriebsrates in der Vergangenheit im Gegensatz zum alten Betriebsrat leider abgelehnt hat, was zu eine Reihe von Verschlechterungen geführt hat; der Betriebsrat ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als das Exekutivorgan der gesamten Belegschaft. Dadurch kann es gelingen, die Belegschaft immer mehr und mehr in die Betriebsratsarbeit einzubeziehen. Die Betriebsratskörperschaft wird zum ausführenden Organ der Belegschaft, welche selbst entscheidet – die Vertretung der Interessen aller KollegInnen als Lohnabhängige wird immer mehr und mehr zur gemeinsamen Aufgabe der gesamten Belegschaft. Denn nur wenn sich möglichst große Teile der Belegschaft gemeinsam für ihre Anliegen engagieren, können diese auch wirklich durchgesetzt werden – die Betriebsratskörperschaft alleine ist dafür zu schwach.

20. Selbstverständlich muss gerade in Fragen demokratischer Entscheidungen der Betriebsrat vorbildlich sein, da er gewissermaßen in der Praxis und vor den Augen aller KollegInnen zeigt, wie wirkliche Demokratie aussehen kann. Harte und ehrliche Diskussion gefolgt von einer Mehrheitsentscheidung, die – sobald sie einmal getroffen ist – von allen gemeinsam und loyal umgesetzt wird, auch wenn sie mit ihrer Position unterlegen sind. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass Entscheidungen für alle Ewigkeit gelten – sie können jederzeit verändert werden, sie können jederzeit diskutiert werden, aber bis zur Änderung einmal getroffener Entscheidungen halten sich alle Mitglieder des Betriebsrates daran, so wie es sich zum Beispiel auch die Belegschaft bei einem Streikbeschluss erwarten würde. Natürlich können einzelne Betriebsratsmitglieder in einzelnen Fragen, die der Belegschaft zur Entscheidung vorgelegt werden, unterschiedliche Positionen vertreten. Hat allerdings die Belegschaft einmal eine Entscheidung gefällt, so ist der gesamte Betriebsrat bedingungslos verpflichtet, diese gemeinsam mit der Belegschaft zu vertreten.

21. Aus den vorherigen Ausführungen wird klar, dass ein kämpferischer Betriebsrat niemals FÜR, sondern immer MIT der Belegschaft agiert. Mit Fug und Recht haben viele KollegInnen die StellvertreterInnenpolitik satt, die ihnen vorgaukelt, in ihrem Interesse zu handeln und dieses dabei oftmals mit Füßen tritt. Daher ist es notwendig, dass der Betriebsrat gemeinsam mit der Belegschaft handelt, nicht aber versucht, alles für die KollegInnen zu 'richten'. Ganz bewusst muss den KollegInnen vermittelt werden, dass der beste Betriebsrat der Welt ohne Unterstützung, ohne Rückhalt, alleine gar nichts erreichen kann. Er ist nichts, nichts außer einem Exekutivorgan der Belegschaft. Und diese muss handeln, denn nur sie kann wirklich etwas erreichen, in offener politischer Aktion, nicht aber beim Hinterzimmergemauschel. Sie ist ein Ganzes, das entscheidet, was niemand anderer für sie tun kann und darf! Und auf dieser Basis muss der Betriebsrat auch über den eigenen Betrieb hinaus agieren, was im FSW den offenen Kampf gegen den eigenen Betrieb erfordert, um unsere Arbeits- und Lebensbedingungen, aber auch – in Solidarität – jene der KollegInnen in der gesamten Sozialbranche, die vollständig vom FSW abhängig ist, zu verteidigen.

22. Die Schlussfolgerung aus all dem Gesagten ist klar und eindeutig: Sowohl für die LeistungsbezieherInnen als auch für die Beschäftigten gibt es nur eine Möglichkeit, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zumindest zu bewahren: Sozialleistungen müssen direkt von der öffentlichen Hand selbst erbracht werden!
  • Keine Privatisierungen – keine Ausgliederungen!
  • FSW (und alle anderen ausgegliederten und privatisierten Betriebe) wieder in den Magistrat – jetzt sofort!
Und dafür hat ein Betriebsrat, der die Interessen der Belegschaft wirklich vertreten will, gefälligst einzutreten!

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