Donnerstag, 17. Februar 2011

Ägypten: ArbeiterInnen im Zentrum der Revolution

Im Gegensatz zur Darstellung in unseren westlichen bürgerlichen Massenmedien, hat es sich in Ägypten keinesfalls nur um einen breiten, politisch diffusen Volksaufstand ohne Verbindung zu den Problemen des Kapitalismus gehandelt. Die Lohnabhängigen haben in den Kämpfen eine entscheidende Rolle gespielt und könnten für uns in den sog. entwickelten Ländern zum Vorbild werden; kein Wunder also, dass das in den Medien hierzulande keinerlei Erwähnung findet.

Tatsächlich war die Beteiligung der arbeitenden Massen wohl das entscheidende Element in der ägyptischen Revolution. Erst diese hat dazu geführt, dass Mubarak endlich aufgegeben hat. In den letzten Tagen vor seiner Flucht ist die ArbeiterInnenbewegung massenhaft in den Kampf eingetreten und hat so die entscheidende Wende gebracht. Streiks und Betriebsbesetzungen haben die Massendemonstrationen enorm gestärkt. Die EisenbahnerInnen, die TextilarbeiterInnen, die ErdölarbeiterInnen, KrankenpflegerInnen, ÄrztInnen, Bankbeschäftigten, die Angestellten des Suez-Kanals, bei der Telekommunikation, in der pharmazeutischen Industrie, der Waffenindustrie, im Transport, der Kultur, der öffentlichen Verwaltung usw. waren an Streiks beteiligt. Diese Bewegung hatte einen landesweiten Charakter und verstärkte sich von Stunde zu Stunde.
Viele dieser Streiks hatten auch wirtschaftliche Gründe. Kein Wunder! Immer geht es den ArbeiterInnen auch um ihre unmittelbaren Forderungen. Sie haben so - neben dem Kampf für eine formelle Demokratie - auch die Frage höherer Löhne und besserer Arbeitsbedingungen, mit einem Wort - eines besseren Lebens, in die Bewegung eingebracht. Sie sind also für Klassenforderungen auf die Barrikaden gegangen. Und dieser Kampf wird nicht enden, nur weil Mubarak nicht mehr im Amt weilt.
Aber diese Streiks waren auch politisch. Selbst wenn Mubarak gegangen ist, fordern die ArbeiterInnen weiterhin ein Ende des ungerechten Systems auf dem seine Macht errichtet war. Sie setzen jezt die Frage der Demokratie in den Fabriken und Gewerkschaften auf die Tagesordnung. Die offizielle und einzig legale Gewerkschaft hat schließlich Mubarak unterstützt. Die Streikenden fordern nun, dass ihre Führung zurücktritt. Schon am 30. Jänner 2011 wurde daher eine neue Gewerkschaft gegründet - vollkommen unabhängig von der Machtfrage im Staat.
Der Sturz Mubaraks ist nur ein erster Schritt. Die Revolution tritt jetzt in eine neue Phase. Der Kampf für die Demokratie ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist der Kampf gegen die Diktatur der Reichen - der Kampf für die Enteignung der Reichtümer des Mubarak-Clans, der herrschenden Elite und des ausländischen Kapitals, die den Präsidenten bis zuletzt unterstützt hatten. Durch seinen Abgang werden die kämpfenden ArbeiterInnen nur darin bestärkt, weitere Forderungen aufzustellen.
Der Militärrat hat jetzt die Macht übernommen. Aber alle Waffen der Armee zusammen werden den Arbeitslosen keine Jobs verschaffen, den Hungernden kein Essen, den Wohnungslosen keine Unterkunft. Kein Wunder also, dass die Armee die Macht so schnell wie möglich an eine zivile Regierung übergeben will. Aber all die genannten Probleme können auf Grundlage einer Marktwirtschaft nicht gelöst werden. Die Inflation und Arbeitslosigkeit werden die Massen weiterhin erzürnen. Es gibt heute in Ägypten sieben Millionen Arbeitslose (10% der Aktivbevölkerung). 76% der Jugend sind arbeitslos. Die Löhne sind nieder - die meisten KollegInnen im öffentlichen Dienst verdienen gerade einmal 70 US-Dollar im Monat. In der Privatwirtschaft sind es ca. 110 US-Dollar. Vier Millionen haben keine Krankenversicherung. 40% der Bevölkerung leben unter der offiziellen Armutsgrenze. In dieser Situation werden die arbeitenden Massen weiterhin auf ihren Forderungen bestehen. Aber keine kapitalistische Regierung wird diese befriedigen können.
Die Lohnabhängigen werden also auch weiterhin der Motor der ägyptischen Revolution bleiben. Die letzten Tage haben deutlich gezeigt, dass keine Kraft der Welt die arbeitenden Massen stoppen kann, wenn sich diese in Bewegung setzen, um die Gesellschaft zu verändern. Das ist die wirkliche Bedeutung der Revolution in Ägypten - früher oder später werden alle ArbeiterInnenbewegungen diese verstehen, bis hin nach Österreich.

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