Wieder einmal streiken die LokführerInnen in unserem Nachbarland. Worum geht es überhaupt? Die Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) mit ihren 26.000 Mitgliedern (70% aller LokführerInnen) richten sich gegen die Deutsche Bahn und die sechs anderen großen Unternehmen in Deutschland, die Personenverkehr auf der Schiene anbieten (die sog. G6).
Am 7.3. fand der dritte Warnstreik innerhalb kurzer Zeit statt. Der erste dauerte nur von 6 bis 8 Uhr, sorgte aber dafür, dass ca. 80% der Züge ausfielen. Verspätungen gab es in der Folge den ganzen Tag lang. Die stärkste Beteiligung am Streik gab es in den östlichen Bundesländern, inklusive Berlins, da es hier kaum BeamtInnen in dieser Berufsgruppe gib - im Westen sind es etwa 40%. V.a. PendlerInnen hatten in der Folge Schwierigkeiten, zur Arbeit zu kommen, was einmal mehr beweist, dass bestimmte Berufsgruppen im vernetzten Kapitalismus mit Arbeitskämpfen große Auswirkungen in der gesamten Wirtschaft erreichen können. In der Folge wurde ein zweites mal gestreikt, und zwar für 3 Stunden, da das Angebot der Unternehmen nicht nachgebessert wurde. Am 4.3. hat schließlich der dritte Warnstreik, welcher ebenfalls 3 Stunden dauerte, stattgefunden.
Die Deutsche Bahn bietet eine Lohnerhöhung von nur 1,9% obwohl sie 2010 1,68 Milliarden Euro Gewinn eingefahren hat; unter den Tisch gekehrt wird weiters, dass ab 2012 die Wochenarbeitszeit von 38 auf 39 Stunden erhöht werden soll, was de facto einen Lohnverlust von 2,5% bedeutet. Die GDL fordert hingegen eine Lohnerhöhung um 5% und v.a. einen einheitlichen Branchenkollektivvertrag. Derzeit verdienen LokführerInnen etwa bei der Ostdeutschen Eisenbahnen GmbH bis zu 30% weniger als bei der Deutschen Bahn und haben eine um zwei Stunden längere Wochenarbeitszeit. Es geht also insbes. um gleiche Arbeitsbedingungen für alle.
Interessanterweise kritisiert auch die im Gegensatz zur GDL im DGB organisierte Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Streiks. Gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen ArbeitgeberInnenverbände argumentiert sie, dass so das fahrende Personal gespalten würde. Tatsächlich geht es nur darum, dass die Unternehmen und ihre AktionärInnen Angst vor einer kämpferischen Gewerkschaft haben, die mit offensiven Lohnforderungen für andere Gruppen von Beschäftigten zum Vorbild werden könnte. Der DGB macht dabei mit, da er fürchtet, auch über andere Lohnabhängige die Kontrolle zu verlieren. In Folge eines erfolgreichen Streiks der GDL könnte sich nämlich auch die EVG gezwungen sehen, in die Offensive zu gehen, statt wie zuletzt einen Kollektivvertrag mit schlechteren Arbeitszeiten und 6,25% Lohnverlust zu unterschreiben.
Deshalb gab es auch den Versuch, die Koalitionsfreiheit per Gesetz aufzuheben. Ginge es nach diesem Vorschlag, so würde in einem Unternehmen nur noch der Kollektivvertrag der Gewerkschaft mit den jeweils meisten Mitgliedern gelten; meistens sind dies die flügellahmen Gewerkschaften des DGB, nicht aber kämpferische Alternativen außerhalb desselben, wie eben z.B. die GDL oder auch der Marburger Bund (Gewerkschaft der ÄrztInnen).
Ein wirklicher Kampf gegen die Ursachen aller Probleme würde aber erfordern, mit der Logik von Profiten und der Privatisierung zu brechen - dazu ist bisher allerdings auch die GDL nicht bereit. Trotzdem ist dieser Arbeitskampf ein positives Signal, dass die Friedhofsruhe des Klassenkampfes in Deutschland zu Ende sein könnte - so haben kurz nach dem Beginn der Warnstreiks bei den Eisenbahnen auch 6.000 Beschäftigte der Telekom die Arbeit niedergelegt. Derzeit findet gerade eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik unter den LokführerInnen statt.
Im Gegensatz zu den von vielen Seiten erhobenen Vorwürfen, ihr Streik würde nur auf Kosten der PendlerInnen gehen, haben die KollegInnen der GDL beim ersten Warnstreik sogar einen gemeinsam mit dem Unternehmen organisierten Notdienst für Kranken- und Behindertentransporte angeboten. Außerdem wurden Sonderzüge für SchülerInnenausflüge, Transporte von lebenswichtigen Gütern wie Medikamente und Produkte zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung weiterhin durchgeführt. Auch Schlüsselfunktionen zur Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit werden nicht bestreikt.
Beim zweiten Warnstreik wolle die Deutsche Bahn aber praktisch alles in den Notplan einschließen. Die GDL hat daraufhin eigenständig einen Notbetrieb durchgeführt.
Das zeigt, wohin der Zug wirklich fahren muss. Es braucht ein öffentliches Transportsystem unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der LeistungsnutzerInnen, welches sich an deren Bedürfnisses orientiert und nicht am Profit. Sonst werden die Zugverbindungen und Arbeitsbedingungen weiterhin kontinuierlich schlechter werden - und das nicht nur in Deutschland.
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