Montag, 13. Juli 2015

QuerHerumBetrachtet: Griechenland – Vom Nein zum Ja

Es macht sich Enttäuschung breit. Auch in mir. Einige sind enttäuscht, weil die Troika, insbesondere aber Deutschland, so hart mit Griechenland umgehen. Andere sehen ein Nachgeben der Führung der Syriza.

Unsere Enttäuschung ist sinnlos! Auch meine. Tatsächlich ist die seit Jahren andauernde Krise des Kapitalismus nach wie vor nicht überwunden. Die Herrschenden und ihre VertreterInnen in den Regierungen müssen also alles ihnen mögliche tun, um dieses todkranke System am Leben zu erhalten. Eines ihrer Opfer dabei ist Griechenland. Dieses soll für das brennen, was seit vielen Jahren überall auf der Welt schief läuft. Anderen Ländern erging es in den letzten Jahrzehnten ebenso: Chile, Argentinien, Indonesien, … die Liste ist lang. Griechenland ist halt näher und viele von uns waren schon dort (ich selbst leider nicht), doch es ist bei weitem nicht das einzige Land, in welchem die Herrschenden heute versuchen, den Dammbruch zu verhindern.
Die Kette bricht immer am schwächsten Glied. In der EU ist dieses (wirtschaftlich) heute sicher Griechenland. Die daraus resultierende tiefe soziale und politische Krise im Land ist zu einer Gefahr für den Kapitalismus geworden. Die breite Masse kann (und will) nicht mehr so weiterleben wie bisher. Wenn es dazu erforderlich ist, wird sie dazu auch die nächsten Schritte gehen. Und das ist die wahre Gefahr für jene, die in dieser Welt regieren. Dann wäre das System nicht nur in einem kleinen, und aus Perspektive der Bosse dieser Welt recht unbedeutenden, Land in Gefahr. Ein Angriff auf die herrschende Ordnung würde Wellen bis in die entferntesten Ecken des Erdballs schlagen.
Die Enttäuschung der Sachs, Stieglitz und anderer Berühmtheiten liegt also schlicht und einfach darin begraben, dass sie entweder die Tiefe der kapitalistischen Krise nicht erkennen oder aber nach wie vor an einen Kapitalismus glauben, der nicht auf Kosten der großen Mehrheit der Menschen geht. Letzteres ist nichts als eine gefährliche Illusion!
All jene, die der Syriza heute mit Enttäuschung den Rücken kehren, tun dies, weil sie offenbar zuvor Illusionen in diese Partei hatten. Das ist nur zu verständlich. Die linke Rhetorik der Tsipras&Co hob sich wohltuend von den ewig die Sachzwänge vorbetenden PolitikerInnen aller Couleur in vielen Ländern ab. Sie übersahen dabei, dass es sich bei der Syriza grundsätzlich ebenso um eine bürgerliche Partei handelte wie bei den sozialdemokratischen Parteien in unseren Breitengraden – unbestreitbar eine besondere bürgerliche Partei, da sie sich auf die ArbeiterInnenbewegung stützt, aber nichtsdestotrotz eine bürgerliche ArbeiterInnenpartei.
Zu viel fehlte und fehlt Syriza, um eine andere Partei zu werden. Sie hatte und hat kein Programm, dass sich die Überwindung des Systems zum Ziel setzt. In Zeiten wie diesen muss aber jede Politik, welche sich die Verbesserungen der Lebensbedingungen der Massen zum Ziel setzt, ohne eine solche Perspektive scheitern.
Syriza vertritt kein grundsätzlich anderes Politikmodell wie andere Parteien. Sie will es für die Menschen machen, statt mit den Menschen. Jede Partei, die heute versucht, ohne Verbindung zu soziale Bewegungen und Arbeitskämpfen echte Veränderungen zu erreichen, ist zum Scheitern verurteilt.
Schließlich fehlt es Syriza an ideologischer Klarheit. Das darf in Anbetracht des schnellen Wachstums und er Fülle an verschiedenen politischen Zugängen, die sich in der Partei finden, nicht weiter verwundern. Trotzdem ist es in der Situation, in der sich Griechenland heute befindet, ein nicht auszugleichender Nachteil. Aktuell haben sich in der Partei eindeutig jene Kräfte durchgesetzt, welche auf einen Kompromiss mit dem System setzen. Dieser Zugang wurde vom ehemaligen Finanzminister Varoufakis perfekt personifiziert, der den Kapitalismus mit den Methoden des Marxismus vor sich selbst retten wollte und damit rechtfertigte, dass heute keine Perspektive, die auf die Überwindung des Systems gerichtet ist, möglich wäre. Wirrer und widersprüchlicher geht es wohl kaum.
Niemand weiß, wie sich die Situation in den nächsten Tagen entwickeln wird. Alle bekannten Daten zeigen, dass die Bevölkerung des Landes mit einer deutlichen Mehrheit gegen den neuen Deal mit der Troika ist. Die Entwicklung der historischen Ereignisse in Griechenland ist heute so schnell, dass sich innerhalb kürzester Zeit alles ändern kann. Syriza hat sich bisher offenbar als untaugliches Werkzeug zur Befriedigung der Bedürfnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung erwiesen. Wenn die Bewegung der Massen selbst das Heft wieder in die Hand nimmt, kann schnell ein neues Werkzeug geschaffen sein oder aber die Mehrheitsverhältnisse in Syriza ändern sich.
Enttäuschung jedenfalls ist keine politische Kategorie, die uns weiterhilft. Illusionen in Syriza (und nebenbei bemerkt Podemos) haben noch niemandem geholfen, genau sowenig wie solche in die Möglichkeit eines menschlicheren Kapitalismus. Nur wenn wir diese Illusionen über Bord werfen, kann es uns gelingen, die Lebensbindungen der Mehrheit der Menschen zu verteidigen. Das gilt für Griechenland ebenso wie für Österreich und jedes andere Land.

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