Die Proteste in Spanien gegen die Massenarbeitslosigkeit und die Sparpolitik der Regierung haben die bürgerlichen KommentatorInnen vollkommen überrascht. Sie schreiben seit Jahren davon, wie wenig die Jugend an Politik interessiert sei, und jetzt ist es genau diese ach so unpolitische Jugend, welche eine Massenbewegung losgetreten hat.
Jahrelang haben die arbeitenden Massen geduldig eine gegen sie gerichtete Maßnahme der Regierung nach der anderen geschluckt. Das ist auch der Grund, warum bei manchen der Eindruck entstanden ist, dass sie – und insbes. die Jugend – der Politik gleichgültig gegenüberstehen. Doch irgendwann kommt der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Gleichgültigkeit der Massen betrifft nämlich nie die Politik als solche, sondern in der Regel nur die traditionellen politischen Parteien. Insofern ist es kein Wunder, dass die Proteste in Spanien kurz vor Regional- und Kommunalwahlen ausgebrochen sind. Breite Schichten der Jugend hatten das Gefühl, dass egal wen sie wählen würden, keine Änderung ihrer Situation zu erwarten wäre. Und so haben sie ihr Geschick in die eigenen Hände genommen.
Der bereits genannte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die noch immer nicht beendete Wirtschaftskrise – noch nicht beendet im Sinne ihrer fortdauernden sozialen Folgen. Diese brachten die seit langem angestaute unterschwellige Wut der Massen an die Oberfläche. Und die Herren und Damen, welche die Gesellschaft im Sinne der Herrschenden analysieren, sehen so etwas natürlich nicht. Sie bleiben immer an der Oberfläche, was kein Wunder ist. Ohne Bezug zur Jugend und zur Klasse der arbeitenden Menschen, werden sie nie erkennen können, welche Veränderungen in der Gesellschaft tatsächlich vor sich gehen. Folglich ist es kein Wunder, dass die StrategInnen der Herrschenden vollkommen davon überrascht wurden, dass sich die angebliche Gleichgültigkeit von heute auf morgen in ihr Gegenteil verkehrte.
Die Massen wollten keine weiteren Verschlechterungen mehr akzeptieren. Doch statt bei den Wahlen nur zwischen verschiedenen Übeln wählen zu können, haben sie damit begonnen, ihre Zukunft selbst zu gestalten. Der sichtbarste Ausdruck dieser neuen Politik der Straße, die damit endgültig Europa erreicht hat, ist die Besetzung eines zentralen Platzes in Madrid – der Puerta del Sol. Jene, die dort ihren Protest zum Ausdruck bringen, zeigen damit, dass niemand sie stoppen kann. Trotz des Demonstrationsverbotes traute sich die Regierung nämlich nicht einmal mit der Wimper zu zucken, um die Proteste tatsächlich zu beenden. Wenn die Massen sich selbst mobilisieren, kann sie kein Gesetz, keine Polizei und keine Armee (wie 1934 in Österreich) dieser Welt stoppen.
Aufgestanden sind die Massen, weil es ihnen reicht. Das Gefühlt, dass sie von niemandem vertreten werden, dass ihnen niemand zuhört (und das ist in Österreich nicht viel anders) hat sie dazu gebracht, für eine grundsätzliche Veränderung auf die Straße zu gehen. Sie protestieren tatsächlich nicht einfach gegen die Regierung bzw. die eine oder andere Maßnahmen derselben, sondern gegen das ganze System und seine Herrschenden. Längst haben sie nämlich erkannt, dass jede andere Regierung eine kaum unterscheidbare Kürzungspolitik durchführen würde.
Die aktuelle Protestbewegung der Jugend in Spanien ist damit nichts anderes als der Vorgeschmack auf künftige Ereignisse, welche die Situation in Europa in naher Zukunft grundsätzlich verändern werden.
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