Vor den Wahlen wurde uns von allen Seiten vorgebetet, dass es sich
bei der EU-Wahl um eine Richtungsentscheidung handelt. So falsch ist das
nicht. Aber diese Richtungsentscheidung muss zuerst innerhalb der SPÖ
gefällt werden. In seinem bekannten Werk „Zwischen Reformismus und
Bolschewismus“ schrieb der bekannten Politologe Norbert Leser schon 1968
sinngemäß, dass durch die Erhebung der Parteieinheit zum obersten Dogma
der österreichischen Sozialdemokratie grundlegende Konflikte nicht
ausgetragen und große Entscheidungen nicht getroffen wurden. Ein Wort,
wie es wahrer nicht sein könnte!
Genau vor solch großen Entscheidungen stehen wir heute. Und diese
werden wohl auch grundlegende Konflikte erfordern. Das wird nur unter
breitester demokratischer Einbindung der Basis möglich sein. Doch wann
könnte der Zeitpunkt besser sein als jetzt, wo ein neues Parteiprogramm
diskutiert wird. Nur sollte dies eben nicht in irgendeiner Kommission
erfolgen und auch nicht von einem Parteitag beschlossen werden, sondern
von allen Parteimitgliedern.
Bei einer ernsthaften Diskussion darüber stehen wir vor der Frage:
Machen wir weiter wie bisher oder nicht? Meiner Meinung nach können wir
nicht weitermachen wie bisher. Das würde unbestreitbar eine weitere
Schwächung der SPÖ nach sich ziehen und damit auf Kosten aller
arbeitenden Menschen in Österreich gehen. Manche mögen das anders sehen,
haben doch viele führende GenossInnen am Abend der EU-Wahl gesagt, dass
sie mit dem Ergebnis zufrieden seien. Auch hier stimme ich nicht
überein. Der Anspruch einer ArbeiterInnenpartei muss immer die absolute
Mehrheit sein! Wer diesem Ergebnis zufrieden ist, lässt den
erforderlichen Veränderungswillen vermissen!
Weitermachen wie bisher würde bedeuten, weiterhin dem Diktat des
Kapitals zu folgen und die Bedürfnisse der Menschen auf dem Altar des
Profits zu opfern – so wie bei der Bewältigung der letzten Krise, bei
der Bankenrettung, beim Standortwettbewerb, bei der vorletzten Krise
usw.
Neue Wege können manchmal auch ganz schön alt sein. Und hier möchte
ich eine Fürsprecherin mit unzweifelhafter Autorität ins Treffen führen.
Rosa Jochmann war der Überzeugung, dass soziale Gerechtigkeit, breiter
Wohlstand, Demokratie und Frieden im Kapitalismus nie gesichert sind.
„Ich habe niemals daran gezweifelt, dass der Sozialismus einmal von der
Menschheit erkannt werden wird. […] Es ist meine innere Überzeugung,
dass es der Sozialismus sein wird, der die Menschheit befreit.“
Worte, die wahrer nicht sein könnten. Worte aber auch, die nicht
weiter von der aktuellen Praxis der Partei der österreichischen
ArbeiterInnenbewegung entfernt sein könnten. Denn diese versucht, es
allen recht zu machen, insbes. dem Kapital und seinen Institutionen wie
den Ratingagenturen, der EU-Kommission, den Banken usw. usf. Wo aber
bleiben die Menschen? Daraus folgt klar, dass wir als
ArbeiterInnenpartei es nicht allen recht machen können! Wir müssen uns
wieder darauf konzentrieren, es jenen recht zu machen, die diese Partei
einst zur Durchsetzung ihrer Interessen aus der Taufe gehoben haben. 125
Jahre ist es her. Ein guter Zeitpunkt, um zu den Grundwerten unserer
Bewegung zurückzukehren: Solidarität, Gleichheit, Antikapitalismus!
Und gerade bei diesen Themen wird es Zeit für klare Positionen. Die
Kollegin in einem Büro in Tschibuti steht uns viel näher als jeder
Kapitalist in Österreich. Wir verteidigen nicht unsere Privilegien in
einem der reichsten Länder der Welt, sondern wollen ein gutes Leben für
alle. Wir sagen klar, dass ein menschenwürdiges Leben im Kapitalismus
nicht möglich ist und dieser daher auf dem Müllhaufen der Geschichte zu
entsorgen ist.
Selbstverständlich sind diese plakativen Formulierungen in konkrete
Forderungen umzusetzen. In konkrete Forderungen, die 1. den Bedürfnissen
der arbeitenden Menschen entsprechen, 2. die Köpfe der KollegInnen
erreichen, also konkret sind und 3. auch die Herzen der
ArbeiterInnenklasse erreichen und sie zu politischer Aktivität in ihrem
eigenen Interesse befeuern. Und ja, auch wenn es nicht alle gerne hören:
Wir sind keine Volkspartei, die für alle da ist – wir sind eine
Klassenpartei! Das müssen wir klar und deutlich sagen – daran ist weder
etwas falsch noch peinlich.
Die ÖVP macht sehr deutlich, wessen Interessen sie vertritt, doch wir
schämen uns dafür. Sagen, was ist, muss einer der Grundsätze für die
Zukunft lauten. Und auch fordern, was erforderlich ist. Wenn wir das in
der Regierung nicht durchsetzen können, dann müssen wir uns die Mehrheit
dafür eben woanders suchen – auf der Straße, in den
ArbeiterInnenvierteln und Betrieben. Die sozialdemokratischen
GewerkschafterInnen haben bei der AK-Wahl übrigens gezeigt, dass die
Sozialdemokratie noch Wahlen gewinnen kann und wie das geht. Davon
könnte sich die Parteiführung einiges abschauen. Oder noch besser,
einfach einmal die FSG einen Wahlkampf und das neue Programm konzipieren
lassen. Denn diese ist die Verbindung zur historischen Wurzel der
Partei – zur ArbeiterInnenbewegung.
Als Partei brauchen wir auch eine klare eigenständige Politik –
unabhängig von der Regierung. Solange es Koalitionen gibt, ist nichts
Verwerfliches daran, wenn wir unsere Positionen in diesen nicht
durchsetzen können, solange wir um diese kämpfen – inner- und außerhalb
der Regierung. Verwerflich ist nur, wenn wir so tun, wie wenn die
Ergebnisse der Koalitionsarbeit eh unseren Positionen entsprechen
würden. Und verwerflich ist es, Koalitionen aufrechtzuerhalten, die
Grundwerte der Sozialdemokratie mit Füßen treten und die Interessen der
arbeitenden Menschen ignorieren.
Zurück zu den Wurzeln, zu den Grundwerten unserer Bewegung – das sind
die einzigen Möglichkeiten, den fortschreitenden Niedergang der SPÖ zu
verhindern. Um es plakativ zu fassen – in Verbindung eines alten
Demospruches mit den Aussagen von Rosa Jochmann: Regierung, das ist
nicht viel – Sozialismus heißt das Ziel!
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