Die Herbstlohnrunde 2009 steht ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise. Seit Monaten fordert das Kapital eine Nulllohnrunde. Die Gewerkschaften haben dem nur das gähnend alte Argument, dass der daraus resultierende Kaufkraftverlust den Aufschwung der Wirtschaft gefährden würde, entgegenzustellen.
Kein Wunder, dass da manche noch weiter gehen wollen. Das angeblich rot regierte Land Salzburg fordert gleich zwei Nulllohnrunden und will damit auch die bundesweit einheitliche Lohnerhöhung aller öffentlich Bediensteten entsorgen. Die DruckerInnen hatten schon ewig keine Gehaltserhöhung mehr, wurde doch ihr Kollektivvertrag mit Jahresbeginn von den Bossen gekündigt. Bei den JournalistInnen wird die Kollektivvertragsflucht schön langsam zur Pandemie ...
Offensichtlich ist gerade in der Krise die Kompromissbereitschaft der Gewerkschaften mehr als ein Fehler. Wenn der Verhandlungsführer der DruckerInnengewerkschaft Bittner in einer Presseaussendung der GPA-djp vom 29.9. sagt „Wir haben die schwierige wirtschaftliche Lage der Betriebe immer als Priorität gesehen“, dann zeigt das die Ignoranz mancher SpitzengewerkschafterInnen gegenüber den Interessen der Beschäftigten.
Dass es auch anders geht, zeigt VW Deutschland, wo zeitgleich eine Lohnerhöhung von 4,2% plus Einmalzahlung durchgesetzt wurde. Krise hin – Lohnerhöhung her! Wie hoch diese sein muss, können nur die betroffenen KollegInnen selbst in Urabstimmungen entscheiden. Gerade in der Krise müssen Lohnerhöhungen sein, um die Verschlechterung unserer Lebensbedingungen zu verhindern – schließlich hat Lohnverzicht noch nie einen Arbeitsplatz gerettet. Weg mit den Kompromissen – lasst die Bosse die Kosten der Krise in unsere leeren Brieftaschen einzahlen!
Wie jedes Jahr ist es aber auch heuer so, dass die von gewerkschaftlicher Seite in den Kollektivvertragsverhandlungen erhobenen Forderungen zwar den sog. Verhandlungsteams und auch den Bossen schon bekannt sind, nicht aber jenen, die es am meisten betrifft. Die Beschäftigten wissen eines unter Garantie noch nicht - die Höhe der Lohnforderung. Das ist Ausdruck der politischen Logik des gewerkschaftlichen Reformismus, der lieber den Kompromiss - koste dieser die Beschäftigten auch das letzte Hemd - mit den Bossen am Verhandlungstisch sucht, als die Beschäftigten in die Auseinandersetzung um Lohnerhöhungen zu führen, geschweige denn, diese dabei auch noch mitbestimmen zu lassen.
Mit dieser Logik gilt es endlich zu brechen! Es kann nicht angehen, dass die Beschäftigten nicht einmal wissen, wie hoch ihre Lohnforderungen sind. Ganz im Gegenteil, müssen diese selbst in Betriebsversammlungen darüber beschließen, welche Forderungen erhoben werden. Genauso müssen sie auch darüber beschließen, ob das erzielte Verhandlungsergebnis ausreicht, ob weiter verhandelt oder gar ein Arbeitskampf begonnen werden muss. Dessen Form und Dauer können ebenfalls nur von den betroffenen KollegInnen selbst festgelegt werden. Selbstverständlich wird das aber nicht funktionieren, wenn die Beschäftigten nur ein Mal im Jahr in dieser urdemokratischen Form mitbestimmen können. Sie müssen das ganze Jahr über die Politik ihrer betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung mitbestimmen können. Dazu braucht es nicht nur regelmäßige Betriebsversammlungen und BetriebsrätInnenkonferenzen mit Beschlusscharakter auf allen Ebenen, sondern auch lebendige gewerkschaftliche Strukturen in den Betrieben, welche allen Gewerkschaftsmitgliedern offen stehen. Solche gewerkschaftliche Betriebsgruppen waren nicht nur bis vor ca. 25 Jahren in vielen Betrieben üblich, sondern sind auch die Basis für eine Redemokratisierung der Gewerkschaften. Und ohne Demokratie wird es auch nie und nimmer dazu kommen, dass die Gewerkschaften wieder zu dem werden, was sie einst waren: Kampforganisationen statt Quatschbuden.
Auch inhaltlich muss es endlich zu einem Umdenken kommen. Es kann nicht angehen, dass die besserverdienenden KollegInnen jedes Jahr am meisten von den Kollektivvertragsverhandlungen profitieren und durch prozentuelle Lohnerhöhungen die Schere zwischen den Gut- und SchlechtverdienerInnen in den Betrieben und Branchen immer weiter aufgeht. Möglichkeiten, dies zu ändern, gibt es viele. So können etwa die Lohnerhöhungen für die besser Verdienenden prozentuell geringer ausfallen, als für die schlechter Verdienenden. Auch Lohnerhöhungen um Fixbeträge können ein probates Mittel dazu sein, welches heute wohl zu bevorzugen wäre, da nur dieses sicherstellt, dass sich die genannte Schere langfristig verringert.
Es gibt also viel zu tun in unseren Gewerkschaften. Deren Spitzen werden ohne Druck von unten niemals damit beginnen, profitieren sie doch auch persönlich von der derzeitigen Politik. Darum muss der Druck zur Reformierung von unten kommen. Mit der Etablierung von gewerkschaftlichen Betriebsgruppen in möglichst vielen Betrieben und deren Vernetzung können wir nicht nur in der Praxis vorleben, dass Demokratie mehr bringt und auch zu besseren Ergebnissen führt, sondern wir können dadurch auch jenen Druck erzeugen, der dazu notwendig ist, dass die Gewerkschaften nicht nur bei den Kollektivvertragsverhandlungen wieder zu kämpfen beginnen, sondern aktiv den Kampf zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von uns Lohnabhängigen suchen.
Sorgen wir alle gemeinsam dafür, dass die Bosse in den Betrieben einen heißen Herbst erleben!
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