Mittwoch, 25. Juli 2007

Auf dem Rücken der Lohnabhängigen: KapitalpartnerInnenschaft neu

Der ÖGB brüstet sich seit Wochen mit den Erfolgen der SozialpartnerInnenschaft „neu“. Mindestlohn, Sicherung des Gesundheitssystems, Arbeitszeitpaket und Öffnungszeitennovelle wurden alle tatsächlich von Wirtschaftskammer und ÖGB ausverhandelt und die Regierungsparteien werden diese nur mehr in Gesetze gießen.

Handelt es sich dabei aber wirklich um eine Neuauflage der 'unaufhaltsamen Verbesserungen' für uns Lohnabhängige durch die SozialpartnerInnenschaft im "goldenen Zeitalter des österreichischen Kapitalismus"?

Öffnungszeiten, Arbeitszeiten und Sicherung des Gesundheitssystems


Bei den ArbeiterInnen zahl die ganze Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge die Wirtschaft. Bei den Angestellten werden diese aufgeteilt. Die ach so armen Selbständigen hingegen dürfen in Zukunft deutlich weniger zahlen. Das Klientel der Wirtschaftskammer ist also der große Sieger bei der „Sicherung des Gesundheitssystems“. Trotz alledem sollen jährlich noch 150 Millionen Euro bei den Gesundheitsausgaben eingespart werden, was uns alle zu VerliererInnen macht. Das „beste Gesundheitssystem der Welt“ wird halt dann noch mehr nur mehr jenen zur Verfügung stehen, die sich bestimmte Untersuchungen selbst leisten können, für bestimmte Medikamente selbst zahlen usw.
Mit Zustimmung des ÖGB kommt es zu einer erneuten Ausweitung der Öffnungszeiten im Handel, obwohl die dort Beschäftigen schon heute nicht mehr wissen, wie sie Familienpflichten und Arbeit unter einen Hut bringen sollen. Danke lieber ÖGB. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Auch in der Frage der Arbeitszeit hat es eine Einigung gegeben, die niemand besser beschreiben kann als der Chef der Wirtschaftskammer Leitl: „Das Arbeitszeitpaket bringt den Unternehmen die Spielräume, die für den Wirtschaftsstandort Österreich dringend nötig sind". Auch die ÖGB-Homepage betonte die Bedeutung der Einigung für den Wirtschaftsstandort Österreich in dem nun die Unternehmen die Arbeitszeiten der Beschäftigten noch flexibler als bisher an der schwankenden Auslastung ausrichten können, ohne dass dies gleich zu Überstundenzuschlägen führt, da die Durchrechnungszeiträume pro Jahr verlängert wurden.
Gleichzeitig wurde der Kollektivvertrag bei der Arbeitszeit deutlich geschwächt, da eine Reihe von zentralen Regelungen nun auch mittels Betriebsvereinbarung und in Betrieben ohne Betriebsrat sogar direkt mit den Beschäftigten vereinbart werden können. Dazu zählen z.B. die Viertagewoche bei einer Normalarbeitszeit von zehn Stunden oder auch Änderungen bei der Schichtarbeit. Betriebsratskörperschaften und erst recht der/die einzelne Beschäftigte können aber immer viel leichter unter Druck gesetzt werden können wie eine Gewerkschaft, weshalb jahrzehntelang mit gutem Grund darauf bestanden wurde, dass solche Regelungen nur per Kollektivvertrag erfolgen können.
Diese Maßnahmen werden verheerende Folgen für die Gesundheit und Lebensqualität der Beschäftigten haben. Die durchschnittlichen Arbeitszeiten in Österreich (44,1 Stunden) sind im EU-Vergleich ohnedies schon die zweithöchsten und werden durch diese Vereinbarung sicher noch weiter steigen, was natürlich auch zu mehr Arbeitslosen führen muss!
Einen gewissen Erfolg hat es wenigstens für Teilzeitbeschäftigte, die Mehrarbeit leisten, gegeben; diese haben ab 2008 unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf einen gesetzlichen Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent.

Mogelpackung Mindestlohn


In schöner Einigkeit haben Gewerkschaftspräsident Hundstorfer und Wirtschaftskammerchef Leitl am 2. Juli in einer gemeinsamen Pressekonferenz auch ihre Einigung auf einen Mindestlohn von 1.000 Euro präsentiert. Wie verlogen diese Ankündigung ist, zeigt schon der Untertitel der ÖGB-Presseaussendung: „Kein Mensch, der in Österreich Vollzeit arbeitet, wird in Zukunft unter 1.000 Euro verdienen“.
Tatsächlich werden weiterhin zehntausende KollegInnen unter € 1.000,-- verdienen, da die sog. freien Berufe (ÄrztInnen, RechtsanwältInnen, NotarInnen, ...) sowie die Landwirtschaft von dieser Vereinbarung ausgenommen sind.
Auch die Umsetzung – frühestens ab 2009 –des Mindestlohnes, der dann auf Grund der Inflation schon wieder deutlich weniger wert sein wird, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich trotz harter Arbeit, das Leben nicht mehr leisten können.
Ganz bewusst, so Hundstorfer, wurde nicht zum Instrument des Generalkollektivvertrags gegriffen, sondern man „überlasse die Umsetzung den KV-Partnern auf Branchenebene, um die Systematik und Logik der einzelnen Branchenregelungen zu erhalten und nicht durch einen Eingriff von außen durcheinander zu bringen.“ Wir haben hier also einen Mindestlohn, der kein genereller Mindestlohn ist, sondern erst wieder branchenspezifisch sein soll. Es bleiben also Regelungen, die weiterhin dazu führen werden, dass die Lohnentwicklung in hochbezahlten (Männer-)Branchen und niedrigbezahlten (Frauen-)Branchen weiter auseinander gehen wird.
Insbesondere gibt es also weiterhin keinen gesetzlichen Mindestlohn wie in vielen anderen Ländern; und v.a. ist dieser in Staaten mit vergleichbarer Wirtschaftsleistung deutlich höher – in Luxemburg z.B. über € 1.500,--.
Leitl hat darauf verwiesen, dass sich der Mindestlohn deutlich von der Grundsicherung und dem Arbeitslosengeld abheben muss. Damit hat er recht! Sein Beweis dafür ist aber nichts als ein TaschenspielerInnentrick. Von den € 1.000,-- brutto bleiben ca. € 820,-- netto über. Die Grundsicherung beträgt nämlich € 726,--, das Arbeitslosengeld ist oft sogar höher.
Aber wenigstens ehrlich ist er, der Herr Interessenvertreter der GewinneinstreicherInnen; er meint nämlich, dass mit diesem Mindestlohn der Niedriglohnsektor attraktiv geworden ist. Da hat er recht. Viele Jobs werden in Zukunft eben nur den Mindestlohn ‚wert’ sind. In Frankreich z.B. verdienen 17% der Lohnarbeitenden nur den Mindestlohn. In Österreich wird es – geht es nach der Wirtschaftskammer mit kräftiger Unterstützung des ÖGB – auch bald so weit sein!

Für statt gegen die Lohnabhängigen!


Tatsächlich handelt es sich bei dieser „SozialpartnerInnenschaft neu“ um eine PartnerInnenschaft des Kapitals. In jeder einzelnen der beschriebenen Vereinbarungen wurden unsere Anliegen verkauft. Hundstorfer hat sich als Perfektionist der Kapitulation vor den Interessen der Wirtschaft erwiesen.
Was wir heute dringend brauchen, ist ein ÖGB, der unsere Arbeits- und Lebensbedingungen ohne Wenn und Aber verteidigt und verbessert. Dazu müsste dieser aber seine eigenen Beschlüsse ernst nehmen. Seit Ende der 1970er forderte der ÖGB praktisch auf jedem Kongress eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden. Die MetallerInnengewerkschaft fordert seit einiger Zeit mit gutem Grund einen Mindestlohn von €1.100,--. Die Beispiele, wo der ÖGB sich selbst nicht ernst nimmt, ließen sich noch lange fortsetzen.
Eines aber haben der ÖGB-Präsident&Co. mit all diesen schmutzigen Deals aber sicherlich geschafft: Sie haben die Gewinnsituation der österreichischen Wirtschaft, die ohnedies jedes Jahr Rekordprofite vermeldet, noch weiter verbessert und damit ihre Beliebtheit bei den KapitalistInnen deutlich erhöht. Wie in einem billigen Schmierentheater hören wir in den letzten Monaten immer wieder, dass der ÖGB im Fall der Fälle nicht vor gewerkschaftlichen Maßnahmen zurück schrecken wird. Doch diese werden nie notwendig werden, wenn der ÖGB in den Verhandlungen gar nicht erst klein beigeben muss, sondern froh darüber ist, die Forderungen der Wirtschaft gemeinsam mit dieser in die Praxis umsetzen zu dürfen. Eines aber sollte diesen Damen und Herren ins Stammbuch geschrieben werden, was die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung geprägt hat, auch wenn sie das nur all zu gerne aus den Geschichtsbüchern tilgen würden: Lieber stehend kämpfen als auf den Knien betteln!
  • Weg mit dem Standortdenken und der Packelei mit den Bossen!
  • Politik für die Lohnabhängigen ohne Wenn und Aber!

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