Montag, 30. November 2020

Maradona – ein politischer Nachruf

Unbestreitbar war Diego Armando Maradona einer der besten Fußballer aller Zeiten. Als solcher wird er vielen noch lange in Erinnerung bleiben. Viel zu früh verstarb er am 25.11.2020. Die andere Seite von Diego hingegen ist viel zu wenig bekannt und soll hier ein wenig beleuchtet werden.

Maradona wurde vor 60 Jahren in Villa Florito, einer Elendssiedlung in der Nähe von Beuenos Aires geboren. Das Leben dort ist oft brutal und kurz, Überleben eine Lebenseinstellung. Aus diesen unmenschlichen Bedingungen brachte es Maradona durch sein Talent an die Spitze des Weltfußballs und in Kontakt mit den Mächtigen dieser Welt. Was es in der kurzen Spanne seines Lebens nie gab, war ein „normales Leben“. Es gab nichts zwischen Trübsal und Gipfelsturm, zwischen absoluter Armut und Reichtum. Dass solch ein Lebensweg Auswirkungen auf einen Menschen haben muss, liegt auf der Hand.

Schon als Jugendlicher führte er seine damalige Mannschaft Los Cebollitas, ein Jugendteam der Argentinos Juniors, eines der größten Klubs im Land, zu einer unglaublichen Siegesserie von 136 Spielen. Kaum verwunderlich, dass er schon mit 15 Profi wurde und später die Herzen der Fans von Barcelona und Napoli im wahrsten Sinne des Wortes im Sturm eroberte. Der Höhepunkt seiner Karriere war mit Sicherheit der Weltmeistertitel 1986.

Immer jedoch blieb er mehr der Held der ArbeiterInnenmassen als zum Lakai des Establishments zu werden, wie so viele andere Fußballgrößen. Als er z.B. bei der Internetwahl unter Fans zum besten Spieler des 20. Jahrhunderts gewählt wurde, wollte die Führungsclique der FIFA dies nicht akzeptieren und mit bürokratischen Tricks dafür sorgen, dass er diese Auszeichnung gemeinsam mit seinem Freund Pele bekam. Der Mann, der nie ein Duckmäuser war, hielt auch in diesem Fall nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg. Er verweigerte sich diesem Schmierentheater und erschien nicht zur Preisverleihung.

Den zweiten – politischen – Teil seines Lebens haben uns die bürgerlichen Massenmedien meist verschwiegen. Maradona unterstützte den Aufstieg der Linken in Lateinamerika ebenso ohne Wenn und Aber wie die bolivarische Revolution in Venezuela, welche für viele auf dem Kontinent zum Vorbild wurde. Trotz aller Schmähungen der veröffentlichten Meinung gegenüber Chávez zögerte er keine Sekunde, seine Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Ebenso unterstützte er Evo Morales in Bolivien, Fidel Castro auf Cuba und Lula in Brasilien politisch.

Auch hier kannte er keine Zwischentöne und formulierte eindeutig „Ich glaube an Chávez … Alles, was Fidel tut, alles, was Chávez tut, ist in meinen Augen das Beste.“ Selbst nachdem Chávez verstorben war, schrieb Diego auf seiner offiziellen Facebookseite „Bis zum Tod bleibe ich ein Anhänger von Chávez.“ und fuhr fort: „Wenn Maduro [der aktuelle Präsident Venezuelas] ruft, stehe ich bereit als Soldat für ein freies Venezuela, um gegen den Imperialismus zu kämpfen … Lang lebe die Revolution.

Hier ist nicht der Ort, die Politik der Genannten einer berechtigten kritischen Beleuchtung zu unterziehen, die mehr als ein paar Sätze bräuchte, um ein differenziertes Bild zu entwerfen. Die Sätze Maradons zeigen jedenfalls, dass er immer auf der Seite der Armen stand, aus deren Mitte er selbst kam.

Selbst gegenüber Papst Johannes Paul II konnte er seine Zunge nicht unter Kontrolle bringen. Er sagte ihm, dass er all das Gold des Vatikans verkaufen soll, wenn er den Armen wirklich helfen wolle. „Ich ging in den Vatikan und sah die goldenen Decken. Da fragte ich mich: Wie kann jemand so eine Hurensohn sein, unter goldenen Dächern zu leben und dann in arme Länder reisen, um Kinder mit leeren Bäuchen zu küssen. Ich hörte auf zu glauben.

Ab diesem Zeitpunkt hatte er es sich mit den Mächtigen verscherzt und die Medien rückten seine nur allzu menschlichen Schwächen bei der Berichterstattung mehr und mehr in den Vordergrund. Der Druck auf ihn stieg und stieg und verschärfte damit seinen inneren Druck, den er in vielfach selbstzerstörerischer Form auslebte: Alkohol, Drogen, Völlerei, … Einzig seinen Stolz und sein untrügliches Gefühl für die Unterscheidung von Recht und Unrecht konnten sie ihm nie nehmen.

In hundert Jahren mag der geniale Fußballer vielleicht vergessen sein. Das, für was er als Mensch stand – eine Welt, die allen ein würdevolles Leben zu bieten vermag, wird auch dann noch unsere Herzen erwärmen. Er war ein Vorbild an Menschlichkeit und Solidarität. Sein Herz schlug links. Möge die Erde ihm leicht sein.

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