Montag, 18. April 2022

Dem Krieg keinen Frieden!

Am 9. April habe ich im Namen von uns Sozialdemokrat*innen und Gewerkschafter*innen gegen Notstandspolitik an der europäischen Online-Dringlichkeitskonferenz unter dem Motto „Nieder mit dem Krieg! Weder Putins Russland noch die Nato! Nein zur Nationalen Gemeinsamkeit mit den kriegsführenden Regierungen!“ teilgenommen. Die Konferenz fand mit Teilnehmer*innen aus zahlreichen Ländern – auch aus vom Krieg betroffenen – statt. Hier die deutsche Übersetzung meiner Rede. >
Als SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen gegen Notstandspolitik haben wir unsere Arbeit 2015 intensiviert und verbreitert als die SPÖ kurz davor war, im Parlament einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen zuzustimmen, was ein Widerspruch zum Internationalismus ist. Viele von jenen, die in diesem Jahr nach Europa kamen, mussten vor Kriegen flüchten. Unsere Aufgabe sehen wir in der Vertretung eines Klassenstandpunktes in der SPÖ und den Gewerkschaften. Gerade auch in Bezug auf die gegenwärtig stattfindenden Kriege.

Der aktuelle Krieg in der Ukraine stellt Fragen erneut, die die Arbeiter*innenbewegung eigentlich schon lange beantwortet hat. Die Bürokratie will diese Antworten bewusst ignorieren, um im Interesse des Kapitals zu verbergen, dass die Arbeiter*innenklasse niemals ein Interesse an Kriegen zwischen Nationen haben kann.

Also ist es wie 1914 an uns, von unten gegen den Krieg zu kämpfen. Gerade Blockaden des Transports von Rüstungsgütern durch Arbeiter*innen in Belarus, Griechenland und Italien zeigen, dass der Geist des Internationalismus  bei den fortgeschrittensten Schichten nach wie vor vorhanden ist. Das sind die Methoden der Arbeiter*innenbewegung im Kampf gegen den Krieg.

Als die Diskussion um die richtigen Methoden im Kampf gegen den ersten Weltkrieg in Zimmerwald zu klaren Positionen geführt hatte, war eines klar: Der Hauptfeind steht immer im eigenen Land.

Das wird umso klarer, wenn es plötzlich Milliarden für Aufrüstung geben soll, während es kein Geld für einen ernsthaften Kampf gegen die COVID-19-Pandemie, für die Kolleg*innen im Sozial- und Gesundheitsbereich, in der Bildung, für Arbeitslose, im Kampf gegen Armut und all die anderen Formen der Daseinsvorsorge gibt.

Auch im angeblich neutralen Österreich soll massiv aufgerüstet werden. Kriegstreiberei regiert den politischen Diskurs. Fast alle Parteien sehen plötzlich keinen Widerspruch zwischen Neutralität und dem bisher verweigerten Beitritt zu einer EU-Armee. Jene Partei, die die Interessen des Kapitals am offensten vertritt – die Neos – wollen gar, das Österreich der NATO beitritt.

Und das in Zeiten der explodierenden Inflation, welche Ausdruck der bereits vor der Pandemie begonnenen Wirtschaftskrise ist. Insofern gilt es die Weltsituation zu betrachten: Wirtschaftskrise, Pandemie, Inflation und nicht zuletzt die gegenwärtigen Kriege, auch der in der Ukraine, sind Ausdruck einer Krise des Systems. Einer Krise des Kapitalismus.

Das ist es auch, was „der Hauptfeind steht immer im eigenen Land“ wirklich bedeutet. Selbst im Krieg darf es keinen Burgfrieden geben, darf der Kampf gegen das Kapital im eigenen Land nicht eingestellt werden. Denn nur der Sturz des Kapitalismus kann die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Geißel des Krieges endgültig in die Geschichtsbücher verbannt wird.

Wir leben also in einer Zeit, in der das System selbst massiv in der Krise steckt. Der Krieg in der Ukraine sowie alle anderen derzeit auf der Welt tobenden Kriege sind ein Ausdruck dieser Krise. Je geringer die Profite der großen imperialistischen Staaten werden, desto schärfer wird der Kampf um die Verteilung des kleiner werdenden Kuchens. Die schärfste Form dieses Verteilungskampfes ist der Krieg.

In der Ukraine findet scheinbar ein Krieg zwischen zwei reaktionären Regimes statt. Zum erzreaktionären Regime Putins, das abertausende kämpferische Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern einkerkert muss nicht viel gesagt werden, da diese Tatsachen allgemein bekannt sind.

Da die Wahrheit immer das erste Opfer des Krieges ist, muss aber sehr wohl einiges zur Ukraine gesagt werden, das die bürgerlichen Massenmedien verschweigen. Der Konflikt in Luhansk und Donezk begann als Arbeitskampf. Arbeiter*innen in Betrieben im Besitz von Oligarchen, die mit dem ukrainischen Regime verbunden sind, hatten ihre Löhne über Monate nicht bekommen. Sie taten das, was in tausenden Betrieben auf der Welt die Reaktion auf eine solche Situation ist: Sie besetzten ihre Betriebe.

Die damalige ukrainische Regierung setzten daraufhin das Militär und faschistische Paramilitärs gegen sie ein. Paramilitärs gibt es übrigens zuhauf in der Ukraine. Am bekanntesten unter ihnen ist das Asow-Bataillon, welches für seine besondere Brutalität bekannt ist. Viele dieser Paramilitärs wurden mittlerweile in Polizei oder Militär eingegliedert.

Es kam, wie es kommen musste: Die streikenden Arbeiter*innen bekamen Unterstützung von Russland und bald führte der ursprüngliche Arbeitskampf auf beiden Seiten zu nationalistischem Wahn und schließlich zur Gründung der selbst ernannten Volksrepubliken.

Jahre später wurde dann auch noch die Sozialdemokratie verboten. Heute gibt es im ukrainischen Parlament keinen einzigen linken Abgeordneten mehr. Nun könnte eingewendet werden, dass das alles vor der Amtszeit von Selenskij war. Richtig. Doch Selenskij hat das Verbot von Parteien nicht rückgängig gemacht, sondern noch weitere verboten. Und – was fast noch schwerer wiegt – er hat Kollektivverträge verboten und die Gewerkschaften enteignet.

Heute erleben wir tatsächlich einen Krieg, in dem die Arbeiter*innen, Pensionist*innen und die Jugend der Ukraine zwischen den Interessen der Großmächte zerrieben werden und für diese sterben müssen. Aber ist es am Westen oder an Russland, diese reaktionären Regime zu stürzen? Nein! Nur die Menschen in Russland und der Ukraine selbst haben das Recht dazu, Putin und Selenskij zu stürzen.

Besonders abstoßend dabei ist die Doppelmoral des Westens, der zwar auf die unbestreitbaren Verbrechen der Putin-Clique hinweist, aber die Verbrechen z.B. Saudi Arabiens im Krieg im Jemen verschweigt und dessen sog. Militärkoalition weiterhin Waffen liefert. Gleichzeitig wird mit Ländern aus dieser Region, in denen Demokratie oder die auch nur ansatzweise Gleichstellung von Frauen nach wie vor in weiter Ferne liegen, über die Lieferung von Öl und Gas verhandelt, „um sich von Russland unabhängiger zu machen“.

Moralische Fragen sind dem Westen also komplett egal, solange die Profite des eigenen Kapitals gesichert werden können. Die Argumente gegen Putin sind an Scheinheiligkeit kaum zu übertreffen, solang sie nicht auch auf andere reaktionäre Regime angewendet werden.

Selbst der Sturz von Putin und Selenskij alleine würde den Menschen in Russland und der Ukraine keine menschenwürdige Zukunft ermöglichen. Der Kampf gegen den Krieg muss daher mit dem Kampf gegen das System, gegen den Kapitalismus, verbunden werden.

In Österreich befinden wir uns gerade in Gesprächen mit anderen linken Gruppen für eine Initiative „Gewerkschafter*innen gegen Krieg“. Diese Formulierung ist bewusst gewählt, da wir uns nicht nur gegen einen Krieg stellen wollen, sondern gegen jeden Krieg. Denn in jedem Krieg sterben unsere Klassenbrüder und -schwestern.

Der Schein der Neutralität in Österreich trügt. Im ersten Golfkrieg 1991 wurde der Transport von Rüstungsgütern durch Österreich ermöglicht, was einem Dammbruch gleichkam. Seither gibt es bei jedem Militäreinsatz der NATO Transporte von Kriegsmaterial per Zug und Flugzeug durch österreichisches Gebiet.

Auch heute sehen wir nahezu täglich Züge mit NATO-Panzern auf Bahnhöfen. Kein Wunder – ist doch die ukrainische Westgrenze gerade einmal 300 Kilometer von Österreich entfernt. Auch tausende Söldner aus aller Herren Ländern, die sich gerade aufmachen, um auf beiden Seiten ihrem dreckigen Mordgeschäft nachzugehen, reisen gerne durch Österreich.

Beides zu verhindern, ist der Beitrag, den die österreichische Arbeiter*innenbewegung in der Praxis gegen den Krieg leisten kann. Gleichzeitig müssen wir uns gegen jede Aufrüstung im eigenen Land stellen.

Keinen Cent und keinen Menschen für dieses Heer war das traditionelle Motto der Sozialdemokratie, bevor diese 1914 den Kriegskrediten zustimmte. Im ersten Programm der SPÖ von 1889 wurde die Auflösung aller stehenden Heere gefordert. Eine Forderung, die bis heute nichts von ihrer Richtigkeit eingebüßt hat und aktueller denn je ist.

Krieg dem Krieg. Friede den Hütten – Krieg den Palästen. Hoch die internationale Solidarität!

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