Zum Aufmarsch der Identitären am 26. Juli in Wien
Hip, jung, cool, neu – so stellen sie sich gerne dar, die Identitären, deren Ideologie im Wesentlichen von der mittlerweile dort verbotenen génération identitaire in Frankreich übernommen wurde. Tatsächlich könnte ihr Welt- und Menschenbild kaum älter sein.
Trotzdem zogen einige hundert jungalter FaschistInnen unter Beteiligung von fast allen bekannten Rechtsextremen im Land am 26. Juli erneut durch Wien. Dass sie ihre Märsche, seit es uns vor einigen Jahren gelungen ist, sie vom Kahlenberg fernzuhalten, mittlerweile immer beim Denkmal des notorischen Antisemiten Lueger beginnen, liegt praktisch auf der Hand und ist als solches schon eine Botschaft, die klar macht, dass ihre angebliche Ablehnung des Antisemitismus nichts wert ist.
Auch heuer wurde dieser offiziell „Informationsveranstaltung über die Wiener Migrations- und Asylpolitik“ genannte faschistische Aufmarsch durch zahlreiche Gegenproteste begleitet. Wir als Offensive gegen Rechts (OGR) konnten eine kämpferische Demonstration bis knapp an den Endpunkt dieser Schande für unser Land organisieren. Andere AntifaschistInnen behinderten diese durch Sitzblockaden so lange, dass die FaschistInnen letztlich für eine Route, die üblicherweise rund eine halbe Stunde dauern würde, dreieinhalb Stunden brauchten.
Sie selbst sehen sich weder als faschistisch noch als rassistisch, geschweige denn sexistisch. Wir als AntifaschistInnen können dazu nur festhalten: Falsch, falsch und nochmals falsch. Der wohl bekannteste Teil ihrer Ideologie ist das in letzter Zeit nach einer Konferenz rechtsrechter Kreise in Deutschland zuletzt durch die Medien geisternde Schlagwort „Remigration“, das seit kurzem auch von US-Präsident Trump als Grundlage seiner Migrationspolitik verwendet wird.
Damit meinen sie schlicht und einfach, dass alle Menschen dorthin zurückgehen sollen, wo sie ursprünglich herkommen. Was also würde von der österreichischen Bevölkerung übrigbleiben, selbst wenn wir nur bis zur autoritären Habsburger-Monarchie zurückdenken? Wenn wir allerdings diesen Denkstrang in all seiner Konsequenz durchdenken, müssten wir alle ins südliche Afrika „remigrieren“. Schließlich wurden dort nach aktuellem Stand der Forschung die ältesten Überreste des Homo sapiens sapiens, also des heutigen Menschen, gefunden.
Dummerweise passt das nicht mit ihrem Bezug auf ein sog. abendländisches, westliches, christliches Weltbild zusammen. Dass dieses mit einer gewaltigen Portion Rassismus gegen alle gepaart ist, die diesem nicht entsprechen, wird niemanden verwundern.
Ebenso wenig wie ihre bei neuen faschistischen Strömungen übliche toxische Männlichkeit, die bereits des Öfteren im „Kämpfer“ analysiert wurde. Trotz des Hypes um vereinzelte Frauen, die diese Ideologie öffentlich vertreten – wie etwa die Ehefrau des aus Österreich stammenden Oberidentitären Sellner, die US-Amerikanerin ist – handelt es sich letztlich um einen Männlichkeitskult, der Frauen ihren „angestammten Platz“ in der Gesellschaft wieder zuweisen will: Kinder und Haushalt als treusorgende Gattin. Andere Geschlechtsidentitäten haben in ihrem sehr einfach gestrickten Menschenbild überhaupt keinen Platz.
Am meisten hassen sie allerdings „Linke“. Wer genauer hinsieht, wird erkennen, dass sie damit die organisierte ArbeiterInnenbewegung meinen. Also auch uns. Und genau das war immer schon der Kern des Faschismus als Herrschaftsform des Kapitalismus in der Krise – die Zerschlagung der Organisationen der ArbeiterInnenklasse, welche als einzige imstande wären die mittlerweile fast Dauerkrise des Systems, in dem wir leben müssen, zu beenden.
Insofern muss gefragt werden, warum es die Identitären überhaupt geben darf und warum sie immer wieder durch Wien randalieren dürfen. Schließlich heißt es in Artikel 9 (2) des Staatsvertrages: „Österreich verpflichtet sich, alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen, die auf seinem Gebiete bestehen […].“ Fast schon ein Treppenwitz, während immer mehr und mehr Identitäre diverse Positionen für die FPÖ übernehmen und gleichzeitig AntifaschistInnen dafür abgestraft werden sollen, dass sie die Gesetze dieses Landes ernstnehmen und tun, was eigentlich Aufgabe von Polizei und Justiz wäre. Wie blind sind diese wirklich auf dem rechten Auge?
Der Aufruf der OGR für die Gegendemonstration findet sich hier.
Dieser Artikel erschien erstmals in der Printausgabe von "Der sozialdemokratische Kämpfer" Nummer 07-08-09/2025 auf Seite 3.

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