Noch nie war die FPÖ so nah an der Macht. Die letzten Wahlen und aktuelle Umfragen bestätigen das eindeutig. Das sorgt in weiten Teilen der Jugend und der Arbeiter*innenklasse für Besorgnis und Wut – zu Recht, denn die FPÖ ist eine Partei der Reichen, macht Politik für diese und gegen uns als Arbeiter*innenklasse und sie ist eine der größten Quellen rassistischer Propaganda.
Letztlich wird der Klassenkampf darüber entscheiden, ob die FPÖ an die Macht kommen kann. Und hier liegt auch die Ursache des Problems. Die Führungen von Gewerkschaften und SPÖ fürchten nichts mehr als den Klassenkampf, da dieser notwendigerweise dazu führen würde, dass die Massen selbst über diesen bestimmen und folglich auch selbst über ihr Leben bestimmen wollen, statt die Entscheidungen darüber einigen mehr oder weniger gewählten Repräsentant*innen zu überlassen.
Krise des Reformismus
Der Aufstieg der FPÖ begann letztlich mit der Übernahme der Parteiführung durch Jörg Haider und beschleunigte sich durch das sog. Anti-Ausländer-Volksbegehren 1993, welches dazu führte, dass die damalige SPÖ-ÖVP-Koalition zahlreiche darin enthaltene rassistische Forderungen umsetzte.
Doch das alleine hätte noch nicht gereicht, wenn nicht kurz zuvor infolge der sog. Ölpreiskrisen eine wirtschaftliche Flaute begonnen hätte, die den permanenten Ausbau des Sozialstaates ab 1945 jäh unterbrach und auch erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg die Arbeitslosigkeit ansteigen ließ. Was damals ein Schock war – über 50.000 Arbeitslose – würde heute alle zum Jubeln bringen.
Genau zu dieser Zeit als der zur Verteilung stehende Kuchen nicht mehr kontinuierlich wuchs, stieß auch die reformistische Politik an ihre Grenzen. Fortschritte waren ohne Bruch mit dem Kapitalismus nicht mehr möglich. Statt diesen Schritt zu wagen, passten sich allerdings die Organisationen der Arbeiter*innenbewegung immer mehr und mehr den Wünschen des Kapitals an, was sich z.B. in der nahezu widerspruchslosen Privatisierung der ehemaligen verstaatlichten Industrie zeigte. Damit begann ein schleichender wirtschaftspolitischer und später auch sozialpolitischer Rechtsruck, den viele zunehmend spürten und sie nach politischen Alternativen suchen ließ.
Die zunehmenden Wahlerfolge der FPÖ gingen Hand in Hand mit einer bei Wahlen tendenziell immer schwächer werdenden SPÖ: Ein Teil der Arbeiter*innenklasse – insbesondere in den von der Industriekrise heimgesuchten Regionen – wechselte von einer Partei zur anderen. Gleichzeitig gelang es der FPÖ, jene an sich zu binden, die bisher neonazistische Parteien gewählt hatten, insbesondere in den unteren Schichten des Kleinbürger*innentums, die ebenfalls unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise litten.
Ein „Wechsel“, der keiner war
Im Grunde genommen waren und sind das die Faktoren, die den langen Aufstieg der FPÖ begünstig(t)en: Krise des Kapitalismus und ihre sozialen Auswirkungen wie zunehmende Arbeitslosigkeit, wachsende Armut, Prekarisierung von Jobs und Unternehmensschließungen. Gleichzeitig hat die ab 1970 alleine regierende SPÖ dabei versagt, mit dem Kapitalismus zu brechen oder diesen auch nur in Frage zu stellen. Genau in dieser Zeit hat sie mit ihrem großen historischen Versprechen gebrochen, Politik für und mit der Arbeiter*innenklasse zu machen, und damit begonnen, nur mehr die Interessen der herrschenden Klasse zu verwalten.
Selbstverständlich war das auch als kleinere Regierungspartei von 1945 (anfangs noch mit der KPÖ als dritter Partei) der Fall, doch waren es die 1970er, in denen eine grundlegende Wende erfolgte, und die SPÖ zu einer Partei wurde, die nicht einmal mehr weitergehende Reformen für die Klasse, die sie als ihr Werkzeug gründete, durchsetzten konnte. Prototypisch dafür ist, dass nach der letzten gesetzlichen Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit Mitte jenes Jahrzehnts seither in diesem für uns arbeitende Menschen zentralen Bereich nichts Wesentliches mehr weitergegangen ist.
Daran änderte sich auch in den Koalitionen mit der FPÖ von 1983-86, sowie der ÖVP 1986-1999 und 2007-2017 nichts, obwohl die SPÖ immer den Kanzler stellte. Der Aufstieg die FPÖ hängt eng mit dieser langen Erfahrung zusammen, dass „ihre Partei“ nichts (mehr) für sie tut, was die Erwartungen von Millionen arbeitender Menschen systematisch enttäuscht hat. Während dieses langen Zeitraums haben sich immer mehr Wähler*innen der von den Führer*innen der FPÖ propagierten Idee angeschlossen, dass von den „Systemparteien” (ein faschistischer Begriff) nichts mehr zu erwarten ist.
Verbunden mit den inhaltsleeren und hilflosen Vorwürfen der Demagogie und des Populismus durch alle anderen Parteien, gelang es der FPÖ sehr erfolgreich, diese allesamt in die Alle-sind-korrupt-Schublade zu stecken, was immer mehr und mehr Anklang fand. Auf Basis einer solchen Stimmung kommen auch keine Fakten mehr an, weswegen von vielen ignoriert wird, dass es immer dann am meisten Korruption gegeben hat, wenn die FPÖ an der Regierung war, und es sehr oft Leute aus ihren Reihen waren, die die Hand am weitesten aufgehalten haben.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Diskreditierung der SPÖ und der Weltwirtschaftskrise ab 2008 sowie ihrer sozialen Folgen begnügte die FPÖ sich nicht mehr damit, ihre nationalistische, rassistische und islamfeindliche Propaganda zu verbreiten, sondern entwickelte – für die Arbeiter*innenklasse – eine soziale Demagogie, die zumindest verbal mit dem Neoliberalismus und ihrem traditionellen Aufrüstungswahn sowie dem Wunsch nach einem NATO-Beitritt brach. Gerade die letzten beiden Punkte machen sich heute mehr als bezahlt, da die FPÖ die einzige Partei ist, die scheinbar authentisch für Frieden und Neutralität sowie gegen Aufrüstung ist, während alle anderen Parteien im Gegensatz zur Meinung der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung die Umstellung auf Kriegswirtschaft auf Kosten des Sozialstaates als alternativlos darstellen.
Auch wenn hinter alle dem kein Funken Wahrheit steckt, bringt es der FPÖ in einem Kontext, in dem diese nie als Nummer 1 oder alleine an der Macht war, die SPÖ an der Regierung die Erwartungen der Arbeiter*innenklasse systematisch enttäuscht hat und die tiefe Wirtschaftskrise mit permanentem sozialen Rückschritt einhergeht einen Wahlerfolg nach dem anderen.
Tote Pferde können nicht geritten werden
Es ist offensichtlich, dass die „Übernahme von Verantwortung in Zeiten der Krise“, das Beharren auf der in Österreich Sozialpartnerschaft genannten Klassenkollaboration und die Selbstinszenierung der SPÖ als staatstragende Partei (also eine, die für alle da sein will, statt die Arbeiter*innenklasse zu vertreten) die FPÖ immer weiter stärkt. Als Arbeiter*innenbewegung müssen wir diese Tatsache zur Kenntnis nehmen und die Konsequenzen daraus ziehen.
Die Klassenkollaboration, die auf der Fiktion gemeinsamer Interessen aller in Österreich beruht, macht den radikalen Nationalismus der FPÖ erst möglich, durch welchen die Klassenfrage noch weiter in den Hintergrund gedrängt wurde. Um eine bürgerliche Partei (die FPÖ) zu verhindern, arbeitet die SPÖ mit anderen bürgerliche Parteien (ÖVP, Neos, Grüne) zusammen. Sie konstruiert damit eine Trennlinie, die nicht mehr zwischen den sozialen Klassen und ihren Organisationen verläuft, sondern innerhalb des bürgerlichen Lagers zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Parteien des Kapitals unterscheidet, was zur Verwirrung der Klasse beiträgt. Und für diese auch nicht nachvollziehbar ist.
Tatsächlich hat aber noch jede Regierung unter Beteiligung von bürgerlichen Parteien die Rechte der Arbeiter*innenklasse angegriffen, Ausbeutung und Unterdrückung verschärft, Ausländer*innen und Muslim*innen stigmatisiert – kurz gesagt, getan, was die FPÖ will und reaktionäre Politik im Interesse des Kapitals betrieben. Die aktuellen Budgets der Bundesregierung und in Wien sind dafür nur die extremsten Beispiele.
Das hat Gründe, die vollkommen logisch sind, wenn wir die Interessen des Kapitals betrachten. Die sog. normalen bürgerlichen Parteien übernehmen die reaktionäre Rhetorik und Ideen der extremen Rechten. Der Grund dafür ist offensichtlich: Je schlimmer die Krise des Kapitalismus und der soziale Rückschritt werden, desto mehr bemühen sich alle bürgerlichen Parteien, die Arbeiter*innenklasse zu spalten und ihre Wut auf Asylwerber*innen und Migrant*innen zu und vom Kapitalismus weg zu lenken. Das ist ein zentraler Bestandteil des Kampfes, den die Bourgeoisie gegen unsere Klasse führt.
Da jede Koalition mit bürgerlichen Parteien noch nicht einmal dazu imstande sein kann, die schlimmsten Auswirkungen des Systems auch nur abzuschwächen, bestärkt das die Überzeugung, dass die FPÖ die einzige wirkliche Anti-System-Partei ist. Erst recht, wenn sich alle anderen gegen sie verbünden. Jeder weitere Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von uns als Arbeiter*innenklasse lässt daher immer neue Schichten zum gleichen Schluss kommen: Die einzige Alternative ist die FPÖ. Solange mit bürgerlichen Parteien koaliert wird und daher keine echte Alternative zum Rechtsruck entwickelt werden kann, festigt und vergrößert sich dadurch die Wähler*innenbasis der FPÖ weiter.
Innerhalb der Arbeiter*innenbewegung verbreiten solche Koalitionen die Illusion in den angeblich neutralen, in Wirklichkeit bürgerlichen Staat und lenken uns so von der eigentlichen Aufgabe ab: Dem Kampf gegen alle bürgerlichen Parteien und ihr System, also den Kapitalismus selbst. Sie lähmen dadurch die Mobilisierung unserer Klasse und rechtfertigen dies mit dem kleineren Übel. Ein fataler Irrtum, da das kleinere Übel immer nur das größere vorbereitet!
Faschistische Gefahr?
Viele Linke setzen eine FPÖ an der Regierung mit Faschismus gleich. Reformist*innen sprechen von der Zerstörung der Demokratie und weisen zurecht auf mögliche Verbote von Demonstrationen und Streiks hin. Daraus ziehen sie die falsche Schlussfolgerung und konstruieren das Märchen, dass andere bürgerliche Parteien das kleinere Übel wären. Dabei übersehen sie, dass z.B. die Neos sozialpolitisch und arbeitsrechtlich weit rechts von der FPÖ stehen, was sich aktuell am sozialen Kahlschlag in Wien und im Bund zeigt. Selbstverständlich werden wir sie trotzdem dabei unterstützen, wenn sie ausnahmsweise einmal tatsächlich gegen die FPÖ vorgehen, um für unsere Rechte und unsere Lebensbedingungen zu kämpfen. Gleichzeitig müssen wir darauf hinweisen, dass sowohl ihre Begründung als auch die Methoden ihrer Kämpfe die Arbeiter*innenklasse von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken: Dem bedingungslosen Kampf gegen die FPÖ mit allem, die dafür notwendig ist.
Im Gegensatz zu einem echten Faschismus gibt es heute (noch nicht?) keine bewaffneten Horden der FPÖ, die in unseren Städten patrouillieren, Arbeiter*innenorganisationen, Gewerkschaften und linke Parteien angreifen. Alles, was es derzeit gibt, ist eine Handvoll faschistischer Splittergruppen wie die Identitären, die tatsächlich Gewalt anwenden, weswegen friedlicher Protest gegen sie nicht ausreichen wird. Gleichzeitig sind diese keineswegs in der Lage, kurz- oder mittelfristig die Macht zu übernehmen.
Die FPÖ ist eine bürgerliche und extrem reaktionäre Partei, eine Partei des Kapitals, des Klassenfeindes, aber ihr Programm, ihre Ziele und Methoden sind nicht faschistisch. Sie ist keine politische und paramilitärische Organisation, die offen einen Bürger*innenkrieg (wie 1934 die Vorgängerpartei der ÖVP) gegen alle Organisationen der Arbeiter*innenbewegung inklusive der SPÖ vorbereitet, um diese vollständig zu zerstören.
Diese Partei hat nichts mehr mit der nach 1945 von Altnazis gegründeten Partei zu tun. Tatsächlich hat sie heute nur deswegen eine Chance, an die Macht zu kommen, weil sie nicht mehr faschistisch ist. Alles andere würde den gegenwärtigen Interessen des Kapitals widersprechen, das die bürgerliche Scheindemokratie braucht, um überleben zu können. Weit davon entfernt, paramilitärische Gruppen zu organisieren, schließt die Führung die FPÖ immer wieder öffentlichkeitswirksam Mitglieder aus, die ihre Sympathie für das Dritte Reich zu offen bekunden.
Viele Linke meinen zurecht, dass es sich dabei um leere Worte handelt und die Parteispitze nach wie vor Sympathien für den Faschismus hegt. Gleichzeitig spielt es keine Rolle für die politische Einordnung der FPÖ. Was auch immer Kickl&Co in ihrem reaktionären Inneren über Hitler denken – ihr eigentliches Ziel ist die Macht. Diese kann sie jedoch aktuell nicht auf faschistischem Wege erringen, da das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen diese Möglichkeit ausschließt.
Erstens hat das Kleinbürger*innentum – aus dem der Faschismus seine gewalttätigen Stoßtruppen rekrutierte und in dem dieser massenhafte Unterstützung fand – heute zahlenmäßig viel weniger Gewicht (unter 5% der Bevölkerung) als in den 1920ern und 1930ern. Dessen gesellschaftliche Bedeutung hat zugunsten der Arbeiter*innenklasse, die heute die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Österreich wie in allen anderen entwickelten kapitalistischen Ländern stellt, so stark abgenommen, dass es politisch eigentlich nicht mehr relevant ist.
Zweitens neigt dessen überwiegende Mehrheit nicht zum Faschismus. Bei Wahlen ist es zwischen verschiedenen politischen Kräften gespalten und wählt v.a. Neos oder Grüne, welche ohne diese soziale Basis keinerlei Existenzberechtigung hätten. Die wenigen noch übriggebliebenen Kleinbürger*innen streben nicht nach Faschismus, sondern nach Stabilität. Und ganz sicher wollen sie keinen bewaffneten Kampf gegen die Arbeiter*innenorganisationen, den sie nur verlieren können.
Natürlich vermischen sich diese Bestrebungen mit reaktionären Ideen, insbesondere Rassismus und Nationalismus. Nationalstolz, der keinen Cent kostet, ist der Trostpreis für Kleinbürger*innen, die von Schulden, Steuern und Inflation erdrückt werden. Aber ihre zahlenmäßige Stärke und ihre politische Orientierung haben heute praktisch nichts mit der Masse wütender Kleinbürger*innen zu tun, die den Faschismus nach dem Ersten Weltkrieg an die Macht gebracht haben.
Schließlich dürfen wir das Wesentliche nicht vergessen: Der Großteil der Wähler*innen der FPÖ kommt heute aus der Arbeiter*innenklasse. Diese streben mit Sicherheit nicht die Zerstörung der Arbeiter*innenorganisationen an! Sie wählen FPÖ, weil sie das gesamte politische System zurecht ablehnen. Dabei übersehen sie nur, dass die FPÖ genauso eine „Systempartei“ ist, und würden schnell die Seite wechseln, wenn egal wer tatsächlich massentaugliche Klassenpolitik machen würde. Wer das nicht sieht, versteht weder die Klassenfrage noch die aktuelle politische Situation.
Rassismus bekämpfen
Viele Linke, insbes. jene aus sektiererischen Traditionen, halten diese Perspektive für unmöglich und verweisen zur Begründung ihrer Postion auf die rassistischen Vorurteile vieler, die FPÖ wählen. Wir würden lügen, wenn wir den weit verbreiteten Rassismus negieren würden. Wie könnte es auch anders sein? Alle bürgerlichen Parteien und alle großen Medien betreiben ständig rassistische Propaganda. Selbst Teile der Parteiführung der SPÖ tragen dazu bei – aktuell z.B. unter dem Vorwand der Trennung von Staat und Religion wenn es um das Kopftuchverbot für Mädchen geht.
Manche sehen selbst „Burkinis” in Schwimmbädern oder Halal-Regale in Supermärkten als Gefahr. Überhaupt werden Migrant*innen, insbes. jene aus islamisch geprägten Ländern, als potenzielle Terrorist*innen und Kriminelle dargestellt. Diese bewusste Spaltung der Arbeiter*innenklasse dient der Ablenkung vom Versagen des Systems, unsere Arbeits- und Lebensbedingungen nicht noch weiter zu verschlechtern, und ist mittlerweile eine tragende Säule der gesamten Politik. Je mehr sich die wirtschaftliche und soziale Krise verschärfen, desto mehr braucht das Kapital diese Spaltung als Defibrillator für sein gescheitertes System, desto intensiver und allgemeiner wird die rassistische Propaganda, die mittlerweile weit über die Grenzen der FPÖ hinausgeht.
Es ist klar, dass diese permanente Propaganda negative Auswirkungen auf das Bewusstsein eines Teils der ausgebeuteten Massen hat. Letztendlich ist Rassismus eine Brot-und-Rosen-Frage. Rassismus hat nur dann eine Chance, wenn es nicht genug von beidem gibt. Wenn es nicht genug ausreichend bezahlte Arbeitsplätzen, leistbare und lebenswerte Wohnungen, hochwertige Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Kulturangebote gibt. Insbesondere die FPÖ versucht die Lohnabhängigen und Arbeitslosen zu täuschen, indem sie ihnen vorgaukelt, dass es genug Arbeit für alle gäbe, wenn alle Ausländer*innen rausgeschmissen würden.
Dass die Löhne dadurch um keinen Cent steigen und die Arbeitsbedingungen gleich beschissen bleiben würden, verschweigt sie im Interesse ihrer Großspender*innen nobel. Tatsächlich gibt es genug notwendige Arbeit in dieser Gesellschaft, die nicht gemacht wird. Diese kann nur geleistet werden, wenn die Wirtschaft demokratisch geplant im Interesse der Vielen statt des Profits organisiert würde. Es gäbe auch genug Wohnungen, wenn nicht hunderttausende zu Spekulationszwecken leerstehen würden. Und Geld gibt es sowieso genug, wenn Gewinne und Vermögen endlich im Interesse der Gesellschaft verwendet werden.
Weder die SPÖ noch die Gewerkschaften fordern das heute, obwohl genau darin die Ursprünge der Arbeiter*innenbewegung liegen. Wer hingegen Rassismus tatsächlich bekämpfen will, muss genau das umsetzten. Dazu wird es einen Kampf aller Lohnabhängigen – unabhängig von ihrer Herkunft – brauchen. Im Klassenkampf, im gemeinsamen Kampf aller Lohnabhängigen, verschwinden rassistische Vorurteile erfahrungsgemäß so schnell wie ein Wassertropfen in der Mittagshitze der Wüste.
Das größte Hindernis im Kampf gegen Rassismus sind also die Partei- und Gewerkschaftsführungen, die die soziale Frage nicht stellen. Allerdings ist dieses Hindernis nur relativ. Früher oder später werden sich große Teile der Wähler*innen der FPÖ aus der Arbeiter*innenklasse jenen zuwenden, die echte Lösungen für diese Brot-und-Rosen-Frage anbieten. Ob das die aktuellen Organisationen der Arbeiter*innenklasse sein werden oder neue, hängt davon ab, wer diese Lösungen anbieten kann, und unsere Klasse nicht weiterhin paternalistisch vertreten will, sondern gemeinsam mit ihr kämpft.
Wenn die Spitzen von SPÖ und Gewerkschaftsbewegung selbst nach links rücken würden, wäre der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der FPÖ schnell Geschichte. Wie schnell das gehen kann, zeigt sich jedes Mal, nachdem die FPÖ an der Regierung war: Sie verliert bei darauffolgenden Nationalratswahlen deutlich. Noch deutlicher würde sie verlieren, wenn die Führung der Organisationen der Arbeiter*innen eine echte antikapitalistische Alternative zu den Blauen anbieten würde.
Unter den gegenwärtigen Umständen wäre eine Regierung der FPÖ von Anfang an schwach und instabil. Vom ersten Tag an würde sie von weiten Teilen der Jugend und der Arbeiter*innenklasse bekämpft werden. Aufgrund ihrer prokapitalistischen Politik wäre sie dazu verdammt, unter den Lohnabhängigen an Unterstützung zu verlieren. Angesichts der Tiefe der Krise des Systems, in dem wir leben müssen, und der unbefriedigten Bedürfnisse der Massen könnte eine solcher Prozess recht rasch ablaufen. Zentral dafür werden Programm und Strategie von SPÖ und Gewerkschaften (oder neuer Massenorganisationen der Arbeiter*innenbewegung) sein, die entscheidend dafür sind, wie viele gegen eine Regierung der FPÖ oder eine unter ihrer Führung mobilisiert werden können. Je mehr es sind, des schneller wäre eine solche Regierung auch schon wieder Geschichte.
Abschaffung der „Demokratie“
Viele befürchten zurecht, dass eine Regierung die FPÖ eine allgemeine Offensive gegen unsere demokratischen Rechte – wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Streikrecht und Demonstrationsrecht – starten wird. Allerdings werden unsere demokratischen Rechte schon längst angegriffen. Als Beispiele dafür seien hier nur die Einschränkungen des Versammlungsrechts, die Verlängerung von Wahlperioden, undemokratische Prozenthürden für den Einzug in Parlamente, Landtage und Gemeinderäte oder der immer geringere Anteil von Wahlberechtigten in der Wohnbevölkerung genannt.
Zweifellos würde die FPÖ an der Regierung diese Angriffe verschärfen. Aber auch hier ist die entscheidende Frage nicht, was die Führung der FPÖ will, sondern was sie angesichts des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen tun kann und was nicht. Der Offensive der Bourgeoisie gegen unsere demokratischen Rechte sind folglich Grenzen gesetzt, die wir selbst ziehen können. Derzeit würde jeder Versuch, eine Diktatur zu errichten, sofort Massenmobilisierungen hervorrufen, die das kapitalistische Regime selbst bedrohen würden.
Eine Regierung der FPÖ würde genau mit dem gleichen Kräfteverhältnis zwischen den Klassen konfrontiert sein wie die derzeitige. Tatsächlich würde eine solche Regierung beim Großteil der aktiven Jugend und der Lohnabhängigen so viel Feindseligkeit und Misstrauen hervorrufen, dass die Verteidigung unserer demokratischen Rechte zu einer sozial brisanten Frage werden würde.
Dies ist übrigens einer der Hauptgründe für die Ambivalenz der Bourgeoisie gegenüber der FPÖ: Einerseits bereitet sie sich (mangels Alternativen) auf eine Regierung unter der Führung von Kickl vor (wie nach der letzten Nationalratswahl) und hat alles getan, um zur Normalisierung dieser Partei beizutragen. Andererseits befürchtet die herrschende Klasse, dass eine FPÖ-Regierung unkontrollierbare Mobilisierungen wie unter SchwarzBlau I auslösen würde. Sie hat die Menschenmassen nicht vergessen, die am 4. Februar 2000 die Regierung dazu zwangen, unterirdisch zur Angelobung zu flüchten und noch Monate danach das Land in Aufruhr versetzten.
Das eigentliche Problem, mit dem wir konfrontiert sind, ist also wie immer die Führung der Arbeiter*innenbewegung. Statt mit bürgerlichen Parteien zu koalieren, sollte diese gegen die aktuelle antidemokratische Offensive mobilisieren. Die größte Gefahr besteht nicht in der Errichtung einer Diktatur nach einem Wahlsieg die FPÖ, sondern in der Passivität oder gar Kooperation der Führungen der Arbeiter*innenbewegung mit dem Kapital. Vielen von uns ist das bewusst. Unsere Aufgabe ist es also, in unseren eigenen Organisationen – egal ob SPÖ oder Gewerkschaft – für eine Änderung dieses fatalen Kurses und eine andere Politik, die die Überwindung des Kapitalismus als alternativlos ansieht, einzutreten.
Rechtspopulismus? als Folge politischer Polarisierung
Der Aufstieg des fälschlicherweise so genannten Rechtspopulismus ist keineswegs eine österreichische Ausnahmeerscheinung. Die Wahl von Giorgia Meloni in Italien, der Erfolg von Nigel Farage im UK oder der AfD in Deutschland, die Wahlsiege von Donald Trump, die Wahl von Bolsonaro in Brasilien – sie alle sind die Folge des gleichen Phänomens.
Sie alle haben keine faschistische Diktatur erreichtet. In keinem dieser Staaten wurden – im Gegensatz zu anderen Ländern – die Organisationen der Arbeiter*innenklasse zerstört. Die demokratischen Rechte unserer Klasse werden zwar angegriffen, aber sie wurden nicht abgeschafft.
Der internationale Charakter dieses Phänomens zeigt, dass wir es mit einer Folge der Auswirkungen der weltweiten Krise des Kapitalismus zu tun haben. Wie bereits erwähnt, haben die weltweite Rezession von 2008 und ihre sozialen Folgen massiv zum Aufstieg rechter Parteien beigetragen. Allerdings wurde dadurch auch der Prozess der politischen Polarisierung, eigentlich der Wiederherstellung des historischen Normalzustandes, beschleunigt. Es gibt Links. Es gibt Rechts. Die politische Mitte ist genauso tot wie die soziale Mitte immer ein Märchen des Kapitals war.
Im Gegensatz zu Österreich hat diese Polarisierung in zahlreichen Ländern ihren Ausdruck bereits in neuen politischen Formationen gefunden, die die Traditionen der Arbeiter*innenbewegung wiederbeleben. Der Wahlerfolg von Mamdani, der Mitglied der aktuelle schnell wachsenden Democratic Socialists of America ist, in New York ist dafür nur das jüngste Beispiel. Ebenso wie die gerade erst erfolge Gründung der neuen Massenpartei von Jeremy Corbyn im UK. Der Aufstieg von Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien oder La France Insoumise sind ebenso wie die Wiederbelebung der Linken in Deutschland andere Beispiele dafür, dass die Massen auch nach Links gehen können, wenn es dort eine echte Alternative gibt.
Doch einige dieser Beispiele zeigen auch deutlich: Wenn neue politische Projekte wie Syriza oder Podemos reformistisch bleiben und daher dem Druck des Kapitals nachgeben, ist ihr Aufstieg ebenso schnell wieder Geschichte wie er begonnen hat. Wenn Linke versuchen, einen Kompromiss mit den alten Bürokratien ihrer Parteien einzugehen, was Corbyns entscheidender Fehler war, ist der Linksruck traditioneller Parteien genauso schnell wieder vorbei, wie dieser begonnen hat. Ohne diese Fehler und mit einem klaren Klassenprogramm ausgestattet, hätten sie den Vormarsch der Rechten stoppen können.
Ähnliche Entwicklungen konnten wir in Brasilien, Argentinien und aktuell in Chile beobachten. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Scheitern reformistischer Parteien und dem Aufstieg der Rechten vor dem Hintergrund der Krise des Kapitalismus, des permanenten Sozialabbaus und der massiven Ablehnung des kapitalistischen Systems und seines Staates.
Fazit
Der Kampf gegen Rassismus und Faschismus ist ohne den Kampf für die Überwindung des Kapitalismus zum Scheitern verurteilt. Heute muss dieser mit dem Kampf gegen die sozialen Auswirkungen der Krise des Systems, Sparbudgets und Aufrüstung beginnen. Schöne Worte bringen dabei nichts. Es braucht vielmehr den gemeinsamen Kampf möglichst vieler Lohnabhängiger – unabhängig von ihrer Herkunft – gegen Arbeitslosigkeit, Verarmung, Inflation und Sozialabbau. Jeder Sieg in in einem solchen Kampf ist tausendmal nützlicher als tausend Sonntagsreden.
Anstatt sich über das Bewusstsein oder gar die Dummheit (nichts könnte falscher sein) der Lohnabhängigen, die für die FPÖ stimmen, zu beklagen, müssen wir den Kampf gegen den Konservatismus der SPÖ- und Gewerkschaftsführungen aufnehmen, der der Kern des Problems ist. Der Aufstieg die FPÖ steht in direktem Zusammenhang mit der Kapitulation der Führung von SPÖ und Gewerkschaften vor den Interessen des Kapitals. Gerade bei den heurigen Kollektivvertragsverhandlungen zeigt sich, dass lieber soziale Rückschritte ausverhandelt werden als den Kampf gegen das Kapital zu organisieren. Wir müssen also selbst in unseren Organisationen für ein Programm und eine Strategie kämpfen, die den Herausforderungen, vor denen wir stehen, gerecht werden. Vorher kann der Kampf gegen die Angriffe des Kapitals nur verloren gehen.
Um Rassismus und Rechtsruck in die Geschichtsbücher zu verbannen, muss das kapitalistische System selbst überwunden werden. Beide können nicht ohne einander existieren. Der Kampf gegen Unterdrückung und permanenten sozialen Rückschritt muss mit dem Ziel verbunden sein, die Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle und Planung der Arbeiter*innenklasse neu zu organisieren. Das ist die Voraussetzung für die Beseitigung der wirtschaftlichen Grundlagen von Rassismus, Sexismus und allen anderen Formen der Unterdrückung.
Der Kampf gegen die FPÖ ist also untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische System und alle anderen bürgerlichen Parteien verbunden. Wir müssen – auch bei Wahlen und der Bildung von Regierungen – mit der Logik des kleineren Übels brechen. Die Angriffe des Kapitals auf uns können nicht in Parlamenten oder Regierungen gestoppt werden. Im Gegenteil: Dieser Versuch führt dazu, dass die Organisationen der Arbeiter*innenbewegung selbst bürgerliche Politik machen müssen und sich dadurch in den Augen der Massen diskreditieren. Der Kampf muss daher dort stattfinden, wo er das Kapital selbst trifft und auch gewonnen werden kann – auf der Straße, in Betrieben, an Schulen und Unis. Wir müssen dem Klassenkampf von oben wieder unseren von unten entgegensetzen.

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