Samstag, 13. Juli 2024

Elmar Altvater et al (1973): Sozialistische Gewerkschaftsarbeit und „Revolutionäre Gewerkschaftsopposition“ – Probleme und Perspektiven sozialistischer Gewerkschaftsarbeit und ihre organisatorische Scheinlösung in der RGO, in: Probleme des Klassenkampfes 8/9, S. 145-160

Elmar Altvater (1973): Sozialistische Gewerkschaftsarbeit und „Revolutionäre Gewerkschaftsopposition“ – Probleme und Perspektiven sozialistischer Gewerkschaftsarbeit und ihre organisatorische Scheinlösung in der RGO, in: Probleme des Klassenkampfes 8/9, S. 145-160

Frei nach Marx dienen Gewerkschaften einerseits dem alltäglichen Kampf zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innenklasse (Preisfechter der Arbeit) und sie sind Schulen des Sozialismus. Kommen sie beiden Aufgaben nicht nach – sind sie also nicht revolutionär – werden sie laut Bronstein zu Polizeiorganen des Kapitals in der Arbeiter*innenklasse. Der hier rezensierte Artikel behandelt ein bundesdeutsches Beispiel, wie dieses Ziel (wieder) erreicht werden sollte.

Auch heute gibt es in zahlreichen Ländern inklusive Österreichs (hier meist als Vorfeldorganisationen von Politsekten) zahlreiche Versuche, so etwas wie eine organisierte Gewerkschaftsopposition aufzubauen, die es sich zum Ziel setzt, die Gewerkschaften wieder zu Organen des Klassenkampfes zu machen. Ich kann mich bei manchen davon des Gefühls nicht erwehren, dass deren Ideologie oftmals nicht von den aktuellen Zielen und Kämpfen der Arbeiter*innenklasse bestimmt wird, sie nicht an diesen Kämpfen anknüpfen, sondern von einer moralisierenden Weltanschauung ausgehen (vgl. S. 145) wie es eben auch schon bei der RGO war.

Gleichzeitig reduzieren diese Versuche das unzureichende Niveau oftmals auf eine Organisationsfrage  (vgl. S. 146), während sie das real existierende Klassenbewusstsein ignorieren. Inhaltlich ging es der RGO und geht es ihren Nachfolger*innen zumeist um wenig mehr als die Entlarvung der Verräter*innen der Arbeiter*innenklasse. (vgl. S. 152) Beides unterscheidet sich massiv vom Zugang der britischen Arbeiter*innenklasse im Rahmen eines sog. Minority Movement, bevor die zentralen Kräfte in diesem der Stalinisierung anheimfielen.

Unbestreitbar ist, dass die Neuauflage dieses Zugangs ab den 1960ern die gleichen Fehler wiederholt hat. Einer richtigen Kritik an den Schranken, die die Gewerkschaftsführung der Kampfbereitschaft der Kolleg*innen oftmals setzt, folgen Handlungen, die genauso paternalistisch sind wie jene der Kritisierten. Die richtige Erkenntnis der Notwendigkeit der Demokratisierung der Gewerkschaften, ihrer Strukturen und von Arbeitskämpfen wird nicht einmal in den eigenen Reihen ernst genommen, statt praktisch an der real existierenden Unzufriedenheit zahlreicher Kolleg*innen (S. 154f) mit z.B. Kollektivvertragsabschlüssen – in Österreich in den letzten Jahren z.B. nach den Verhandlungen des SWÖ-Kollektivvertrags insbes. in Wien – anzuknüpfen.

Die sich aus dem moralinsauren Zugang ergebende abstrakte Propaganda verhindert in der Praxis oftmals die überbetriebliche Vernetzung von Belegschaften oder auch die Gruppenbildung innerhalb von Gewerkschaften (vgl. S. 157) durch ein undifferenziertes Wir-und-Sie-Denken, was objektiv gesehen zu einer reaktionären Rolle solcher Grüppchen führen kann, da sie reale Kämpfe durch die Spaltung der Kämpfenden schwächen. Auch die undifferenzierte Kritik an „der Gewerkschaft“ spielt eine ähnliche Rolle, da alleine schon diese Begrifflichkeit dazu führt, dass sich die Mitglieder ebenso angesprochen fühlen wir jene Funktionär*innen, die tatsächlich bremsen.

Gleichzeitig muss jenen, die solche Versuche starten, zugute gehalten werden, dass sie wenigstens irgendetwas tun, um die in der Logik der Klassenkollaboration (in Österreich Sozialpartner*innenschaft, politikwissenschaftlich Korporatismus, also ein Überrest aus dem – insbes. italienischen – Faschismus) gefangenen Spitzengewerkschafter*innen, Hauptamtlichen und Funktionär*innen, nicht weiterhin losgelöst von den Interessen der Mitglieder agieren zu lassen. Und sie kämpfen auch für die Überwindung der Stellvertreter*innenpolitik. Mit einem Wort: Richtiges Ziel, falsche Methode.

Denn: „Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, das heißt zu endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.“ (MEW 16, 152)

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