Sonntag, 7. Juli 2024

Robert Katzenstein (1973): Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, in: Probleme des Klassenkampfes 8/9, S. 1-16

 Innerhalb des kleinen an Theorie interessierten Teils der SPÖ stellen sich viele aktuell die Frage, was STAMOKAP (staatsmonopolistischer Kapitalismus) eigentlich bedeutet. Das hat damit zu tun, dass Andi Babler von rechter Seite und den sog. liberalen Medien oft vorgeworfen wird, „Kommunist“ zu sein, ohne überhaupt zu definieren, was sie darunter verstehen. Wer genauer nachforscht, wird rasch herausfinden, dass der Parteivorsitzende vor Jahrzehnten Teil der sog. STAMOKAP-Strömung in der Sozialistischen Jugend war. Was aber vertritt diese?


Diese sog. Theorie bezieht sich auf einige wenige Zeilen in Lenins „Imperialismus – das höchste Stadium des Kapitalismus“, in denen dieser die Monopole dem freien Konkurrenzkapitalismus polemisch gegenüberstellt. Tatsächlich gibt es seit langem eine Tendenz zur Konzentration und Zentralisierung des Kapitals, die bereits Marx festgestellt hat, die aber nur in den seltensten Fällen zu echten Monopolen führt(e).

Allerdings ist auch diese „Theorie“ nicht so platt, dass sich von echten Monopolen ausgeht, sehr wohl aber von Konzernen, die so mächtig geworden sind, dass sie weit mehr als die Hälfte ihrer Branche dominieren und sich so Extraprofite aneignen können. Festgemacht wird das an zunehmenden Staatseingriffen in die Wirtschaft nach 1945.

Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt als der sog. Neoliberalismus massiv auf dem Vormarsch war und diese am liebsten auf 0 zurückgefahren hätte, solange es nicht unser aller Steuergeld braucht, um das sich in der Krise befindende Kapital bzw. sein System zu retten. Etwas zu theoretisieren, was gerade vor den eigenen Augen konterkariert wird, erscheint mir doch ein wenig als Ironie der Geschichte.

Die Monopolisierung des Kapitals jedenfalls führt laut dieser „Theorie“ dazu, dass sich der Kapitalismus in einem verfaulenden, absterbenden Stadium befindet und  nur mehr dank Staatseingriffen, wobei der Staat als außerökonomische Macht definiert wird, überleben kann. Hier besteht die Gefahr der Illusion, dass der Kapitalismus quasi von selbst, ohne bewusstes Handeln der Arbeiter*innenklasse verschwinden könnte. Ein halbes Jahrhundert nach Entstehung dieser „Theorie“ ist davon allerdings noch immer nichts zu bemerken …

Selbstverständlich gibt es auch innerhalb des Theoriegebäudes des staatsmonopolistischen Kapitalismus ebenfalls ideologische und theoretisch Differenzen. Der Autor scheint mir allerdings die zentralen Elemente recht gut zusammengefasst zu haben. Eine der großen Stärken der Anhänger*innen dieser Strömung ist es, so ziemlich jeden, der ihre „Theorie“ nicht als quasi-religiöses Absolutum akzeptiert für dumm oder gar vom „Klassenfeind gekauft“ abzuwerten.

Ich erlaube mir daher polemisch festzuhalten, dass eine Theorie, die den objektiven Tatsachen so offensichtlich widerspricht, mit Sicherheit keine ist. Dass jemand, der*die ein paar Zeilen Lenin gelesen hat und den dritten Aufguss von zentralen Begriffen der marxistischen Theorie damit verbindet, ohne diese auch nur ansatzweise verstanden zu haben, wohl eher als Verschwörungsmystiker*in denn als Wissenschafter*in bezeichnet werden kann, liegt auf der Hand.

In ihrer politischen Praxis sehen viele Anhänger*innen dieser Strömung kein Problem darin, mit rechten Kräften zu kooperieren (sog. Anti-COVID-Proteste, Querfronten mit Rechten und Rechtsradikalen, manchmal sogar in Form neuer Parteien wie etwa das Bündnis Sara Wagenknecht, Abqualifizieren besonderer Formen gesellschaftlicher Unterdrückung als wokism, was sich z.B. in scharfen Polemiken gegen das Gendern widerspiegelt).

Dass aber vor allem jemand, der solchen Unfug von sich gibt, mit Sicherheit die Rolle des bürgerlichen Staates im Kapital und für den Kapitalismus nicht verstanden hat, obwohl diese von Marx und Engels im Nachgang der Pariser Commune gut analysiert wurde und auch in der Genetik der österreichischen Sozialdemokratie – dem Hainfelder Programm – seinen Niederschlag gefunden hat, ist eine Gefahr für die Wiederentwicklung von Klassenbewusstsein, welches die Voraussetzung für die Lösung der aktuellen Multikrise ist.

Offensichtlich ist in der aktuellen Politik von Andi Babler von solchen Hirngespinsten nichts mehr zu finden. Mit einer Ausnahme vielleicht: Der STAMOKAP rechtfertigt die Zusammenarbeit mit einer phantasierten fortschrittlichen Bourgeoisie als Zwischenstufe im Übergang zum Sozialismus. Der Parteivorsitzende lehnt bisher die Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften nicht per se ab. Ob das ein Überrest dieser sog. antimonopolistischen Demokratie oder aber die Folge der in der heutigen SPÖ weitverbreiteten und auf insbes. Otto Bauer zurückzuführenden Illusionen in die grundsätzliche Veränderbarkeit der Gesellschaft durch parlamentarische Mehrheiten ist, wird die Geschichte weisen.

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