Sonntag, 7. Juli 2024

Margaret Wirt (1973): Zur Kritik der Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, in: Probleme des Klassenkampfes 8/9, S. 17-44

Vor kurzem habe ich einen Text zur Theorie des sog. staatsmonopolistischen Kapitalismus rezensiert. Direkt im Anschluss las ich in der gleichen Ausgabe der Probleme des Klassenkampfes (PROKLA) eine Kritik dieser „Theorie“, die sich in Teilen mit meiner deckt. Gar nicht selten müssten wir (was wir fast nie tun)auf der Suche nach unserer Ideologie- und Theoriegeschichte recht weit in die Vergangenheit zurückgehen, um die Spuren der Fehler von heute zu finden. Gerade diese sog. Theorie erfreut sich nämlich in kleinen, aber einflussreichen Kreisen der SPÖ nach wie vor einer gewissen Beliebtheit und ist trotz ihrer angeblichen Ablehnung des Reformismus letztlich nur eine Bestärkung der falschen Analysen von Bauer&Co zur Rolle des bürgerlichen Staates.

Die Autorin kritisiert vollkommen zurecht, dass staatliche Eingriffe im Gegensatz zu den Behauptungen der Anhänger*innen des staatsmonopolistischen Kapitalismus (STAMOKAP) nichts neues sind und in der Geschichte immer wieder vorkommen bzw. vorgekommen sind. Alleine schon die Beispiele sowohl des New Deal als auch des Faschismus nach der tiefen Wirtschaftskrise 1929-33 sprechen hier eine deutliche Sprache.

Ihre Stärke besteht darin, die Widersprüche und Fehler des STAMOKAP anhand der marx'schen politischen Ökonomie festzumachen. So zerlegt sie die These dieser „Theorie“, dass sich der Kapitalismus im Zeitalter des Monopols, welches kein Widerspruch, sondern die Folge der Konkurrenz ist, nicht mehr seiner „eigenen Basis gemäß“ (S. 20, vgl. S. 29)) bewegen würde, spielerisch anhand von Zitaten aus den Marx-Engels-Werken, wo sowohl Konkurrenz als auch Monopolisierung an zahlreichen Stellen nie absolut gesetzt wurden, sondern immer nur als Tendenzen definiert.

Offensichtlich hat der STAMOKAP aus seinem Unverständnis der politischen Ökonomie heraus in einer bestimmten Zeit zu Tage tretende Erscheinungsformen des Kapitals bzw. des Kapitalismus mit einer neuen Phase desselben verwechselt und sich so der Sünde des Empirizismus schuldig gemacht. Die besondere Rolle, die diese „Theorie“ dem Staat in dieser angeblich neuen Phase zuschreibt, ist für niemanden ein Geheimnis, welcher die in der Folge der Pariser Commune von Marx und Engels entwickelte Analyse des bürgerlichen Staates als „ideeller Gesamtkapitalist“ kennt.

Oder wie es die Autorin konkretisiert formuliert: „Die ökonomischen Funktionen des Staates sind nicht dem Kapitalismus 'fremde' Elemente, sondern unter bestimmten historischen Bedingungen notwendige Formen der Durchsetzung des Kapitalverhältnisses, also Bestandteil des Kapitalverhältnisses. Die Vorstellung, die Funktionen des Staates lägen irgendwo 'außerhalb' des 'eigentlichen' Prozesses der Kapitalverwertung begreift den Staat schon als von der 'Wirtschaft' getrennte Organisation politischer Herrschaft. Der Staat als bürgerlicher Staat ist aber integraler Bestandteil des Kapitalverhältnisses; nur deshalb kann er auch überhaupt in die Ökonomie 'eingreifen'.“ (S. 21)

Mit einem Wort: Der STAMOKAP macht den Fehler, genau das zu glauben, was uns die bürgerliche Propaganda gerne glauben machen würde – nämlich dass der Staat selbst im Kapitalismus neutral wäre und über den Klassen stehen würde, statt – wie es tatsächlich die Aufgabe jedes Staates ist – die Interessen der jeweils herrschenden Klasse mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu befördern und zu verteidigen. Er ist immer und überall Klassenstaat. Heute also bürgerlicher Klassenstaat, der als letztlich einziges Ziel hat, die Klassenherrschaft zu reproduzieren. (vgl. S. 29, 34, 36, 38, 42).

Nicht nur wurden die 'Thesen' des STAMOKAP in der Geschichte immer wieder falsifiziert, sie wurden es auch, genau während dieses sog. Theoriegebäude konstruiert wurde, da gleichzeitig der Neoliberalismus Mitte der 1970er zur Reife gelangte, und wird es auch heute noch tagtäglich. Es ist auch offensichtlich, dass dieser seiner von ihm selbst definierten theoretischen Basis – der marx'schen politischen Ökonomie – widerspricht. Noch Fragen?

Nein? Dann ab auf den ohnehin schon bullshitüberreichen Müllhaufen der Geschichte politischer Ideen und Theorien damit!

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