Montag, 8. Juli 2024

Ulf Baumgärtner (1973): Anmerkungen zur Bauernpolitik der Deutschen Kommunistischen Partei, in: Probleme des Klassenkampfes 8/9, S. 161-203

Der Titel lässt anderes vermuten – doch handelt es sich in Wirklichkeit bei diesem Text ebenfalls um eine Analyse und letztlich vernichtende Kritik der sog. Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Insofern passt diese Rezension sehr gut zu den letzten beiden von mir verfassten. S. dazu  hier und hier.

Das eigentliche Thema dieses Artikels übergehe ich geflissentlich, um die zentralen Argumente zum STAMOKAP (staatsmonopolistischen Kapitalismus) besser herausarbeiten zu können, welches den kleinen an Theorie interessierten Kern von Mitgliedern der SPÖ derzeit besonders interessiert, da der aktuelle Parteivorsitzende in seiner Jugend Anhänger der sich danach benannten Strömung in der Sozialistischen Jugend war, was ihm heute von der bürgerlichen Propaganda zum Vorwurf gemacht wird, indem er als „Kommunist“ gebrandmarkt wird, ohne das näher ausgeführt wird, was mit diesem 'Vorwurf' überhaupt gemeint ist.

Passend zu ihren Ausführungen an anderer Stelle verwischt diese Denkschule auch im o.g. Programm die Klassenunterschiede sogar im Bereich der Landwirtschaft, in dem sie letztlich keinen Unterschied zwischen dem kapitalistischen Großbauern mit zig Lohnsklav*innen und der ausgebeuteten Landarbeiterin macht (S. 163-170), was wieder mal am Begriff der Mitte („Mittelbauern“) besonders offensichtlich wird, der auch heutzutage permanent bewusst eingesetzt wird, um die Klassenwidersprüche zu verwischen. Konsequent konstruiert das im Titel genannte Programm statt dieses Widerspruchs einen des „Volkes“ gegen die Monopole, wobei zum Volk alle von den ärmsten Schlucker*innen bis zu den Superreichen gehören (S. 171-174). Aufgrund ihrer ökonomischen Bedeutung könnten die Monopole den Staat beeinflussen, was übersieht, dass der Staat in keiner Klassengesellschaft neutral sein kann. Schon im Manifest der Kommunistischen Partei haben Marx und Engels formuliert: „Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisieklasse verwaltet.“

Das Missverständnis des STAMOKAP muss folglich dazu führen, dass der eigentliche Klassengegner – das Kapital – aus dem Blick gerät, da der Staat vom ideellen Gesamtkapitalisten (wie Marx und Engels das obige Zitat an anderer Stelle umformulieren) zum reellen und folglich zum unmittelbaren und direkten Klassengegner wird (S. 175), was offensichtlich der Realität widerspricht. Selbst der bürgerliche Staat kann unter dem Einfluss einer gut organisierten und kämpferischen Arbeiter*innenklasse in bestimmten Situationen Maßnahmen gegen die Interessen des Kapitals durchsetzen.

Das Kapital würde ergo Maßnahmen gegen sich selbst setzen. Unlogisch, oder? Andererseits lässt diese Interpretation die Möglichkeit offen, dass der Staat nur übernommen werden müsste, um eine alternative Gesellschaft aufbauen zu können, also ohne Überwindung des Kapitalismus.

Diesem von der stalinistischen „Theorie des Sozialismus in einem Land“ verbreiteten Märchen haben Marx und Engels schon vorweg in ihrer Analyse der Pariser Commune widersprochen. Kein Wunder, ersetzt doch diese Interpretation des Staates den Klassenkampf durch einen um die Macht im Staat, was den STAMOKAP in der Praxis tatsächlich charakterisiert, hat dieser doch kaum jemals ein Problem damit, mit angeblich fortschrittlichen bürgerlichen Kräften zu packeln. Die krude Konsequenz daraus ist die notwendige Verteidigung der Politik der Volksfront, die immer wieder zu verheerenden Niederlagen geführt hat, ob in Chile 1973 oder im spanischen Bürger*innenkrieg.

Es darf daher nicht weiter verwundern, dass die Logik des STAMOKAP im o.g. Programm dazu führt, dass eine opportunistische Anpassung an zutiefst reaktionäre Strömungen wie die Raiffeisen-Genossenschaften, die nicht einmal ein Problem damit hatten, sich den Nazis an die Brust zu werfen, erfolgt.

Da ist es dann nur konsequent, wenn die Eigentumsfrage am Land im Gegensatz zur angeblichen theoretischen Verankerung dieser 'Theorie' im Marxismus gleich über Bord geworfen und der sog. Systemgegensatz (zwischen dem sog. Sozialismus und dem Kapitalismus, der sich 1989ff ohnehin erübrigt hat) gleich die Klassengegensätze ersetzt. Hätte Stalin zur Zeit der Entstehung dieser Strömung noch gelebt, er hätte sich vor Lachen auf die Schenkel geklopft und die Apologet*innen des STAMOKAP zu Lieblingen seiner Außenpolitik erklärt, die genau das zum Ziel hatte.

Die logisch darauf folgende Etappentheorie einer Zwischenphase namens „antimonopolistische Demokratie“ (S. 202) nach dem Kapitalismus aber vor dessen Überwindung reduziert den Klassenkampf auf eine Frage der Umverteilung von Vermögen und hätte von reformistischen Theoretiker*innen wie Bauer oder Bernstein nicht besser formuliert werden können. Schon Marx hat diesen Zugang kurz vor seinem Tod zurecht kritisiert, auch wenn er in diesem Zitat fälschlicherweise „Sozialdemokratie“ statt Reformismus formuliert, wohl auch, da das Hainfelder Programm erst Jahre danach erschien.

„Der eigentümliche Charakter der Sozialdemokratie faßt sich dahin zusammen, daß demokratisch-republikanische Institutionen als Mittel verlangt werden, nicht um zwei Extreme, Kapital und Lohnarbeit, beide aufzuheben, sondern um ihren Gegensatz abzuschwächen und in Harmonie zu verwandeln.“ (https://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1852/brumaire/index.htm) Genau das ist es, worauf der STAMOKAP in der Praxis hinauslaufen würde, sollte er jemals politisch wirkmächtig werden, was wohl nur in der Phantasie jener möglich scheint, die gerne von Marx schwadronieren, aber kein Wort von ihm verstanden haben.

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