Rudi H. hat eine makellose Gewerkschaftskarriere hinter sich. Seit der Zeit seiner bei der Gemeinde Wien absolvierten Lehre engagierte er sich gewerkschaftlich und stieg schnell in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten auf - und dann auch in der SPÖ Wien. 1990 wurde er Gemeinderat, 1995 sogar Vorsitzender des Wiener Gemeinderates.
An der Spitze des ÖGB
Was ihn wohl besonders zum Sozialminister einer Regierung qualifiziert, welche den Sozialabbau munter fortsetzen wird, ist die Ausgliederung großer Teile des Wiener Sozial- und Gesundheitsbereiches (neben vielen anderen 'Betrieben') während jener Zeit, welche seither in einer Fülle kurioser Rechtskonstrukte nach privatwirtschaftlichen Kriterien funktionieren. Dass dabei die Leistungen für die KlientInnen wie die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auf der Strecke blieben, schien für den Gewerkschafter nicht weiter von Belang zu sein, hatte er doch diesen Hut im Gemeinderat nicht tragen musste.
In Folge des unfreiwilligen Rücktritts von Fritz Verzetnitsch im Zuge des BAWAG-Skandals 2006 stieg Rudi H. überraschend zum ÖGB-Präsidenten auf. Sein farbloses Auftreten machte ihn zum besten Kompromisskandidaten. Und das, obwohl er als stellvertretender ÖGB-Präsident tief in die Machenschaften der alten Führungsclique verstrickt gewesen war. Im September 2005 hatte er sogar die Übernahme der Verbindlichkeiten der BAWAG von 1,53 Milliarden Euro durch den ÖGB unterschrieben. Als er dies schließlich zugeben musste, rechtfertige er sich damit, dass er nicht wusste, was er da unterschrieb ... Bleibt nur zu hoffen, dass der Sozialminister genauer weiß, was er unterzeichnet.
Die von vielen GewerkschafterInnen geforderte Reform des ÖGB zu einem demokratischen Kampfinstrument wurde unter seiner Führung von der Gewerkschaftsspitze eiskalt verhindert. Der eigene Machterhalt stand für die Gewerkschaftsführung über allem. Sein Abschied vom ÖGB macht uns daher nicht sehr traurig.
Partei und Gewerkschaft
Gerade die Lebensgeschichte des Rudi H. ist ein Paradebeispiel, wie problematisch die Überschneidung von gewerkschaftlichen und politischen Funktionen sein kann. Praktisch immer siegt die Parteiraison, während unsere Interessen auf der Strecke bleiben. Wenn Partei und Gewerkschaften - wie in den Ursprüngen unserer Bewegung - ohne Wenn und Aber die Interessen der Beschäftigten verteidigten, würde sich die Frage nach einer Trennung gar nicht stellen. Beide Organisationen würden an einem Strang ziehen. Entscheidend ist also die Frage des politischen Programms, des Klassenstandpunktes, nicht aber die organisatorische Form. Heute vertreten sowohl Partei als auch Gewerkschaften nur allzu oft Positionen, die auf Kosten der Lohnabhängigen gehen.
In diesem Zusammenhang müssen wir uns die Frage stellen, wie wir zu politischen Mandaten von GewerkschafterInnen stehen. Wir lehnen diese nicht grundsätzlich ab, fordern aber, dass Nationalrats- und Landtagsabgeordnete, die das Mandat auf Grund ihrer gewerkschaftlichen Funktion bekommen, in Ausübung ihres Amtes an die politische Position der Gewerkschaften gebunden sind, auch wenn es dadurch erforderlich wird, den Klubzwang zu brechen.
Mit Rudi H. als Sozialminister versuchen die Bürgerlichen die Gewerkschaften bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise einzubinden. Vorerst leider mit Erfolg. Wenn der Herr Minister für eine Ausweitung der Kurzarbeit ist, Lohnkürzungen für möglich hält, sich gegen eine höhere Vermögensbesteuerung ausspricht, und von den Gewerkschaften kein Widerstand kommt, dann zeigt das nur allzu deutlich, dass wir die Verteidigung unserer aller Lebensinteressen wohl mit Sicherheit gegen ,unsere eigenen Leute' in der Regierung und der ÖGB-Spitze durchsetzen müssen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen