Der sonst eher für seine Beschaulichkeit bekannte US-Bundesstaat Wisconsin wurde ganz plötzlich zum Schauplatz eines Kampfes um grundlegende Gewerkschaftsrechte, wie ihn die USA seit Jahrzehnten nicht gesehen haben. Seit Tagen demonstrieren die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes und ihre Gewerkschaften gegen einen frontalen Angriff des Gouverneurs auf Gewerkschaftsrechte und den Lebensstandard.
Eine von Gouverneur Scott Walker vorgesehene Gesetzesänderung würde viele Gewerkschaftsrechte komplett vernichten, so z.B. Verhandlungen über Arbeitsbedingungen, Pensionen und Sozialleistungen. Auch die Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten für Pensionen und Krankenversicherung sollen massiv an gehoben werden. Einzig die Lohnverhandlungen sollten formal von den Gewerkschaften geführt werden. Tatsächlich wären aber die Lohnerhöhungen an die Inflation gekoppelt – höhere Lohnabschlüsse sollen in Zukunft nur auf Basis einer Volksabstimmung möglich sein. In Wirklichkeit zeigt aber diese untaugliche Maßzahl ohnedies auch in Österreich, dass damit der Lebensstandard der breiten Massen nicht gesichert werden kann. Einzig eine laufende Anpassung von Löhnen und Pensionen an die Teuerung unter der Kontrolle von gewählten Delegierten wäre dazu im Stande.
Offenbar geht es bei diesen Angriffen des Kapitals einzig darum, die Löhne so niedrig wie nur irgendwie möglich zu halten. Das zeigt sich auch daran, dass gleichzeitig die Gewerkschaften vollkommen entmachtet werden sollen, indem es ihnen untersagt würde, Mitgliedsbeiträge zu verlangen. Nebenbei müssten dann auch noch die Verhandlungsgremien der Gewerkschaften vom Staat „zertifiziert“ werden, um der Gewerkschaft die weitere Anerkennung zu sichern.
Auf diese Ankündigungen folgte sofort eine massive Protestwelle von Studierenden, die in den Streik traten,und den Kampf auf die Straße trugen. Schnell kristallisierte sich das Regierungsgebäude als Symbol des Kampfes heraus. Als dann auch noch die TutorInnen der Universität in der Hauptstadt Madison kollektiv in den Kampf eintraten, ist den Herrschenden wohl der Angstschweiß auf die Stirn getreten. Eine ihrer ersten Aktionen war nämlich ein nächtlicher Protest im Regierungsgebäude, das seither besetzt ist. Diese unterbezahlten und überarbeiteten LehrerInnen zweiter Klasse beschlossen schließlich, erst zu wieder zu gehen, wenn das Vorhaben vom Tisch ist und alle ihre Forderungen erfüllt sind.
Als Reaktion darauf kündigte der Gouverneur an, die Nationalgarde einzusetzen, falls es zu Streiks kommt. Diese Maßnahme wurde zuletzt Anfang der 1930er bei den großen Streiks der TransportarbeiterInnen massiv eingesetzt. Eine solche Drohung konnte also nicht unbeantwortet bleiben und führte daher zur Solidarisierung der Gewerkschaften in der Industrie, welche sehr wohl wissen, dass ihnen in Zukunft ein ähnliches Schicksal blühen kann. Sogar die Gewerkschaft der Feuerwehr, welche als eine der wenigen von diesem Gesetzesvorhaben ausgenommen ist, mobilisierte ihre Mitglieder. Allen ist bewusst, dass Wisconsin nur ein Testlauf für den Rest der USA ist.
Sicherlich hat die Bewegung der Streikenden in Ägypten, welche letztlich zum Sturz Mubaraks geführt hat, auch die ArbeiterInnen in Wisconsin beflügelt und ihnen ihre Macht gezeigt. Auch wenn es in reichen Ländern wie den USA keine formalen Diktaturen wie in den zahlreichen arabischen Ländern gibt, die heute von einer Welle der Klassenkämpfe überzogen werden, so werden doch auch in diesen Ländern – so wie in Wisconsin – unter dem Deckmantel der Budgetsanierung überall massive Angriffe auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen stattfinden. Den politisch Verantwortlichen fehlt nämlich schlicht und einfach der Mut, die Reichen für ihre Krise Zahlen zu lassen. Also müssen wir selbst dafür sorgen! Gestern Ägypten, heute Wisconsin – morgen die ganze Welt!
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