Am 21.02.2012 wurde früh des Morgens der BAGS-Kollektivvertrag abgeschlossen. Viele KollegInnen hatten sich mehr erwartet! Die wesentlichen Ergebnisse sind schnell zusammengefasst: 3,4% mehr auf die Kollektivvertragsgehälter, 3,2% auf Ist-Gehälter und schwache 2% auf alte Gehaltstabellen, was gar nicht so wenige KollegInnen betrifft. Sonst kommt endlich das amtliche Kilometergeld für KollegInnen und bei Eltern- und Hospizkarenzen werden jeweils 12 Monate auf die Vordienstzeiten angerechnet.
Diese letzte Punkt ist ein echter sozialpolitischer Anfang, da dadurch die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen wenigstens nicht mehr so schnell weiter aufgehen wird. Notwendig dafür wäre aber selbstverständlich die volle Anrechnung aller Karenzzeiten.
Bei den Gehältern werden die betroffenen KollegInnen nicht gerade jubeln. In einer Branche, in der diese um ca. 17% unter dem Durchschnitt der Kollektivverträge liegen, ist mehr notwendig, um diese Differenz zu verringern. Dazu sind Abschlüsse erforderlich, die über allen anderen Branchen liegen, so dass diese 17% nicht schnell noch mehr werden. Derzeit sieht es aber leider ganz anders aus.
Das eigentliche Problem liegt aber ganz wo anders. Es hat keinen Plan B gegeben. Plan A war, dass beim Verhandlungstermin am 20.02.2012 abgeschlossen wird. Und das ist ja leider auch passiert – zum Nachteil zahlreicher KollegInnen. Obwohl der Fahrplan für die Verhandlungen bereits im Oktober festgelegt wurde und sich die Verhandlungen von Dezember 2011 bis fast Ende Februar 2012 hinzogen, haben es die Verantwortlichen nicht geschafft einen Alternativplan zum Abschluss im Falle eines erneuten Scheiterns zu erstellen. Für diesen langen Zeitraum ist das mehr als mager!
Dass die KollegInnen im Sozial- und Gesundheitsbereich bereit sind, um ihre Löhne und Gehälter zu kämpfen, haben sie oftmals bewiesen – zuletzt auf Demonstrationen und Betriebsversammlungen Ende Jänner/Anfang Februar 2012. Offensichtlich beeindruckt das aber die ChefInnen wenig, was sie auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Die bisher ergriffenen Maßnahmen tun ihnen offensichtlich nicht weh genug, um bessere Verhandlungsergebnisse zu erzwingen. Da braucht es also mehr. Voraussetzung dafür ist aber ein Aktionsplan mit Eskalationsstrategie, der vor Beginn der Kollektivvertragsverhandlungen erarbeitet wird. Sonst werden wir Beschäftigten in dieser Branche jedes Jahr wieder mit einem mehr als mageren Abschluss leben müssen.
Ob die verantwortlichen FunktionärInnen in den Gewerkschaften GPA-djp und vida dazu nicht fähig oder willens sind, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass jedes Jahr wieder von vielen BetriebsrätInnen ein solcher Plan B eingefordert wird – alleine es gibt diesen nie. Noch viel schlimmer aber ist, dass von zahlreichen BetriebsrätInnen an der Basis auch heuer wieder in letzter Minute noch Vorschläge gemacht wurden, wie die ChefInnen mehr unter Druck gesetzt werden, wie das Ruder noch herumgerissen werden kann. Und wie fast jedes Jahr wurden diese auch heuer kommentarlos oder weil halt irgendetwas nicht geht schubladisiert, ohne dass sich zuvor jemand dagegen aussprach. Also gibt es offenbar ein unterschiedliches Verständnis von Gewerkschaftsdemokratie, dass auf Kosten der Beschäftigten geht. Unverständlich jedenfalls ist, dass Vorschläge von anderen BetriebsrätInnen ignoriert werden, obwohl die FunktionärInnen selbst keinen Plan haben. Einen Versuch wäre es doch schließlich allemal Wert. Oder aber geht es doch um einen Abschluss am Verhandlungstisch zu welchem Preis auch immer? Egal, was es die Beschäftigten kostet?
Aus meiner Sicht ist es mehr als verständlich, wenn sich zahlreiche Beschäftigte nicht an gewerkschaftlichen Maßnahmen beteiligen, die ihnen nicht erfolgversprechend erscheinen. Gerade die KollegInnen in den ArbeiterInnenbereichen, die oft unter der Armutsgrenze leben müssen, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Stromrechnungen oder was auch immer bezahlen sollen, haben einfach keine Kraft, sich an Aktionen zu beteiligen, die nichts bringen werden. Ihnen muss ein Angebot gemacht werden, dass mit kämpferischen Aktionen dazu im Stande ist, ihre prekäre Lebenssituation zu verbessern.
Und hier gilt es einen Grundsatz der gewerkschaftlichen Strategie im Sozial- und Gesundheitsbereich zu hinterfragen. Ziel der gewerkschaftlichen Aktionen sind immer die ChefInnen – an sie richten sich Mahnwachen und andere Aktionen, was in der profitorientierten Privatwirtschaft auch vollkommen berechtigt ist. Allein, diese ChefInnen haben – jedenfalls bei der Bezahlung der Beschäftigten – eigentlich kaum etwas zu entscheiden und auch wenig bis nichts zu verlieren. Sie bekommen keine fetten Boni, egal wie gut oder schlecht sie ihre Arbeit machen. Sie haben im Vergleich zu den Bossen in der Privatwirtschaft auch keine vollkommen übertriebenen Gehälter. Und sie haben noch nicht einmal das Geld, das erforderlich wäre, um uns ordentlich zu bezahlen. Eigentlich sind sie nur die BotInnen der Politik.
Nur von dieser kann eine ausreichende Finanzierung kommen. Diese entscheidet letztlich über unsere Arbeits- und Lebensbedingungen. Doch jedes Jahr wieder sprechen wir als Gewerkschaft die Verantwortung der politischen EntscheidungsträgerInnen nicht an. Wie wäre es einmal mit öffentlichen Mahnwachen bei den zuständigen LandesrätInnen? Das wäre medienwirksam und tut ihnen weh – die nächste Wahl kommt bestimmt. Oder mit der Besetzung eines Ministerbüros nach dem Motto "X ist dafür verantwortlich, dass heute weder ältere Menschen gepflegt noch Behinderte betreut werden"?
Doch leider gilt auch in unserer Gewerkschaft: Nur ja nicht anecken bei der Politik, schließlich würde das die politischen Karrieren zahlreicher SpitzengewerkschafterInnen gefährden. Doch solange sich das nicht ändert, werden wir weiterhin zu einem Hungerlohn eine gesellschaftlich enorm wichtige Tätigkeit verrichten. Und ändern können wir das nur selbst – von unten! Auf die da oben und ihre plötzlich gefundene Planungs- und Handlungsfähigkeit brauchen wir nicht hoffen – das haben die Kollektivvertragsverhandlungen der letzten Jahre nachdrücklich bewiesen.
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