Wenn wir uns fragen, was die beiden im Titel genannten Parteien
gemeinsam haben, dann werden wir wohl gleich sagen: Nichts – zumindest
auf den ersten Blick. Wenn wir aber eine Zeitmaschine hätten, dann wäre
das ganz anders. Und wenn wir zweimal hinschauen, dann finden wir sogar
heute eine ganze Reihe Gemeinsamkeiten.
Veranlasst zu diesen Gedanken hat mich die Formulierung „Und auch die
jüngsten Wahlen in Griechenland … bestärken uns darin, mit linker,
fortschrittlicher und solidarischer Politik können wir die Menschen für
uns gewinnen.“ im letzten Schreiben der SPÖ Wien an ihre Mitglieder
(Anfang Februar 2015) . Ich kann mich diesen Worten nur aus vollem
Herzen anschließen. Nur die „linke“ Politik kann ich leider nicht
erkennen, sosehr ich mich auch bemühe.
Auf den ersten Blick erscheint SYRIZA weitaus
radikaler, wenn wir z.B. ihre Forderungen betrachten. So fordert die
neue griechische Regierung z.B. Änderungen am EU-Schuldenregime, um
Finanzmittel im Sinne der vom Sozialabbau im Lande geplagten Menschen
frei zu machen. Der österreichische Bundeskanzler hingegen drückt zwar
in schönen Worten seine Solidarität mit den griechischen Massen aus,
betet dann aber das merkel’sche Mantra „Schulden müssen bezahlt werden“
nach bzw. formuliert dieses auf das gut österreichische „Strenge
Rechnung – gute Freunde“ um.
Auf den zweiten Blick akzeptieren beide Regierung die von der
(neo)konservativen Mehrheit in der EU diktierte Sparpolitik und
versuchen sie schönzufärben, indem sie bestimmte Worte vermeiden. So hat
es z.B. der neue griechische Finanzminister ausgedrückt, als er
begründete, warum die griechische Regierung keinen Schuldenschnitt mehr
fordert. Tatsächlich sind das aber keine anderen Worte, sondern es geht
um einen anderen Inhalt. Die Verlängerung der Laufzeit von Anleihen oder
niedrigere Zinsen sind ganz etwas anderes als eben eine Verringerung
der tatsächlichen Schulden.
Die SpitzenpolitikerInnen der SPÖ sind seit langem Weltmeister darin,
schöne Worte für Inhalte zu finden, die sie in Wahlkämpfen ablehnen
oder sogar prinzipiell falsch finden. Nein, wir privatisieren nicht. Wir
gliedern nur aus in Österreich. Wir gründen aus. Wir machen Public
Private Partnerships, weil „sonst so vieles nicht machbar wäre“. Das
böse Wort „Privatisierung“ darf selbstverständlich nicht verwendet
werden. Aber was bitte ist es anderes, wenn private KapitalgeberInnen
die Kontrolle über diese Betriebe und Einrichtungen haben, wenn selbst
Unternehmen, die sich noch im öffentlichen Besitz befinden z.B. nach der
Logik des Aktiengesetzes funktionieren müssen, da sie eben in eine AG
umgewandelt wurden?
Beide Parteien sind sich in ihrer Rhetorik also gleich darin, dass es
nichts gibt, was es nicht geben darf. Und um das zu beweisen, werden
halt die Dinge, die es nicht geben darf, mit anderen Namen belegt.
Kommen wir aber kurz zu unserer Zeitmaschine. War die SPÖ immer gegen
Schuldenschnitte? Nein. In den 1930ern war es eine klassische Forderung
der Sozialdemokratie, die Streichung von Schulden zu fordern, wenn das
private Kapital den vergebenen Kredit durch die Rückzahlung schon
zurückbekommen hat. Mit Zins und Zinseszins bekommen heute Banken von
Griechenland in der Regel ein Vielfaches der Summe zurück, welche sie
als Kredit vergeben haben. Jetzt werden manche sagen: Das waren ganz
andere Zeiten. Das kann doch mit heute wirklich nicht verglichen werden.
Naja … Sind die Bedürfnisse der Menschen heute wirklich so anders als
die in den 1930ern? Wenn wir einmal von der Qualität und der Fülle an
Produkten absehen, so sind diese eigentlich noch immer die gleichen. Ein
Job, von dem mensch gut leben kann. Eine menschenwürdige Arbeit ohne
Ausbeutung. Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Kulturangebote, die den
Menschen zu mehr als einer Arbeitsmaschine machen. Gutes und gesundes
Essen und Trinken. Spaß. Glück. Liebe. Aus dieser Perspektive
betrachtet, reduzieren sich die Unterschiede weitestgehend gegen Null.
Und dementsprechend reduzieren sich auch die Argumente, warum heute
politisch alles anders und ganz neu und natürlich viel besser gemacht
werden muss, auf das was sie sind: Intellektuelle Nullen. Nicht alles,
was neu ist, ist auch gut (oft im Gegenteil). Und manchmal können wir
aus der Vergangenheit ganz schön viel lernen. So auch aus dem Roten
Wien, das wirklich ernsthafte Vermögenssteuern eingeführt hat. Und damit
konnten Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Kulturangebote, Wohnungen,
Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und vieles mehr geschaffen werden,
die es in der damaligen Zeit mit der ganzen Welt aufnehmen konnten. Und
diese SPÖ ist weit, weit links von der heutigen SYRIZA gestanden. Damit
konnte sie die Menschen tatsächlich für sich gewinnen – und das wäre
auch heute wieder so!
Aber auch damals war nicht als Rot, was so aussah. Die damalige
Sozialdemokratie griff die Wurzel des Übels – unser kapitalistisches
System, das den Profit statt des Menschen in den Mittelpunkt stellt –
nur in Worten statt in Taten an. Heute ist das schon lange nicht mehr
der Fall, auch wenn es in internen Diskussionen und Sonntagsreden wieder
immer öfter vorkommt. Noch heute wie damals gilt, dass der Mensch im
Mittelpunkt von Politik stehen müsste und nicht der Profit. Doch das
wird nur möglich sein, wenn das Profitsystem als solches überwunden
wird. Und auch bei diesem Thema sind sich SPÖ und SYRIZA einig: Ein
Sturz des Kapitalismus steht bei beiden nicht auf der Tagesordnung – sie
wollen diesen bestenfalls menschenwürdiger gestalten.
Diese Ausführungen sollen nicht dazu führen, dass wir nicht mehr
erkennen, dass mit dem Wahlsieg ein großes Fenster für eine Politik im
Sinne der arbeitenden Menschen aufgegangen ist. Dieses gilt es zu
nutzen. Allerdings werden weder die SPÖ, noch die SYRIZA oder irgendeine
andere der ArbeiterInnenparteien mit ihrer derzeitigen Politik eine
solche Perspektive mit Leben erfüllen können. Die breiten Massen haben
die Geduld mit jenen Parteien verloren, die alles versprechen und in der
Praxis in Anbetracht der angeblichen Sachzwänge nichts halten. Solange
sie sich diesen unterordnen, werden sie nur einmal mehr den Boden für
die politische Rechte bereiten (siehe Pegida). Und das ist in
Wirklichkeit bereits auf den ersten Blick erkennbar. Wenn diese Parteien
eine Zukunft haben wollen, müssen sie zuerst all ihre Verbindungen mit
dem Kapital kappen und v.a. die Illusion über Bord werfen, dass dieses
System reformierbar sei. Und sie müssen den Kampf für eine neue Welt mit
den Menschen statt für diese führen. Sonst werden, die Menschen, die
sie mit „linker Politik“ gewinnen wollen, ganz schnell gegen diese
Parteien kämpfen. Aus heutiger Sicht können wir nur hoffen, dass sie das
tatsächlich mit einer linken Perspektive machen werden!
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