Leider auch in der ArbeiterInnenbewegung und den Gewerkschaften. Für uns MarxistInnen ist das ein unerträglicher Zustand, den es mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen gilt, auch und erst recht in den eigenen Reihen.
Ursachen
Selbstverständlich hat in einer Klassengesellschaft wie der unseren, wo eine verschwindende Minderheit von KapitalistInnen die riesengroße Mehrheit der Lohnabhängigen nicht nur ausbeutet, sondern auch unterdrückt jede Form sozialer Unterdrückung gesellschaftliche Ursachen. Dies gilt z.B. auch für den Rassismus und die Unterdrückung von Jugendlichen, Schwulen und Lesben.
Auf Basis von Familienstrukturen, Geschlechterrollen, Erziehung und der Tatsache unbezahlter Reproduktionsarbeit (Hausarbeit, private Pflege, Kindererziehung usw. usf.) entstehen strukturelle Formen der Frauenunterdrückung, die sich nicht nur an ihrem Ursprung, der bürgerlichen Kleinfamilie, finden, sondern auch in allen anderen Bereichen der Gesellschaft, insbes. im Arbeitsleben.
Diese strukturellen Formen sozialer Unterdrückung finden ihre Widerspiegelung in Sozialverhalten, Kultur, Sprache, zwischenmenschlichen Beziehungen usw. Auch die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung wie Gewerkschaften, SJ, SPÖ und andere sind leider nicht frei davon; können sie auch nicht, sind sie doch ebenfalls Produkte dieser Gesellschaft und all ihrer Unterdrückungsmechanismen, die nur dazu dienen, die Herrschaft der Herrschenden zu sichern, indem sie uns spalten.
Charakter
Ebenso wie Frauenunterdrückung und sexistische Strukturen findet selbstverständlich auch individuelles sexistisches Verhalten seine Widerspiegelung in der ArbeiterInnenbewegung. Daher muss der Kampf in den eigenen Reihen gegen Sexismus und Frauenunterdrückung ein integraler Bestandteil im Kampf zur Befreiung der gesamten Menschheit von Unterdrückung und Ausbeutung sein; nur so kann eine neue Gesellschaft frei von diesen Unterdrückungsformen begründet werden.
Tatsache ist, dass die offizielle ArbeiterInnenbewegung besondere Formen der sozialen Unterdrückung neben der Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse erst ziemlich spät erkannt hat. Dementsprechend hat auch die Auseinandersetzung mit diesen Ausdrucksformen der Klassengesellschaft verspätet begonnen.
Über lange Jahre wurde daher bürgerlichen oder kleinbürgerlichen politischen Kräften, wie z.B. aus der sog. dritten Frauenbewegung in den 1970ern entstandenen NGOs, in diesem Bereich das Feld überlassen. Ja, manche Teil der sog. Linken haben den wahren Charakter sozialer Unterdrückung bis heute nicht erkannt und sehen z.B. die Frauenunterdrückung im Vergleich zur Unterdrückung der ArbeiterInnenklasse als "Nebenwiderspruch". Diese Charakterisierung verkennt den Charakter sozialer Unterdrückung als integralen Bestandteil jeder Klassenherrschaft vollkommen. Für uns als MarxistInnen gibt es daher keine Haupt- und Nebenwidersprüche, sondern ein Unterdrückungssystem mit verschiedenen Ausprägungen von Unterdrückung. Keine davon ist weniger oder mehr wichtig, da sie alle gemeinsam die Herrschaft des Kapitalismus befestigen.
Individuelle Ausprägungen
Auch wenn sich die offizielle ArbeiterInnenbewegung in den letzten drei Jahrezehnten zunehmend mit der Frage der Frauenunterdrückung auseinandersetzt, so übersieht sie dabei nach wie vor eine wesentliche Ausprägung – individuelles (zumeist männliches) Verhalten.
Nicht nur geringere Löhne, Männerbünde, Ausbildungssystem, Hausarbeit, und viele andere strukturelle Formen der Unterdrückung, sondern auch individuelles männliches sexistisches Verhalten befestigen die Unterdrückung der Frau in dieser Gesellschaft.
Wesentlich in diesem Zusammenhang sind insbes. das Verhalten und die Sprache innerhalb von – zumeist männlich dominierten – Freundeskreisen. Wer von uns hat z.B. noch nie in einer Männerrunde die Aussage "Ich werde die Frauen nie verstehen" gehört. Nur all zu oft ist die Normalität solcher Aussagen so tief in das Alltagsbewusstsein eingedrungen, dass auch Frauen im Rahmen solcher sozialer Gruppen diese und ähnliche Bewertungen als "ganz normal" ansehen.
Auch wenn die oben genannte Aussage noch nichts wirklich Beleidigendes an sich hat, so bringt sie doch den wesentlich unterdrückerischen Charakter von individuellem Verhalten und persönlicher Kommunikation zum Ausdruck – den scheinbar unüberbrückbaren Unterschied zwischen den Geschlechtern. Sie ist auch die Grundlage einer Reihe von abwertenden typisch männlichen Kommunikationsmustern. Dazu zählen im wesentlichen verniedlichende Wörter ("Kleine"), aber auch solche, die Frauen zu einem Sexualobjekt reduzieren ("Schnitte", "Möse").
Uns allen schon aufgefallen wird auch eine weitere typisch männliche Verhaltensweise sein: Nur all zu oft unterbrechen auch Genossen aus den eigenen Reihen die Genossinnen. Die Kehrseite der Medaille ist es, dass sich Frauen zumeist seltener an politischen Diskussionen beteiligen. Egal ob Henne oder Ei – wir alle müssen uns da an der Nase nehmen! Dieses Verhalten ist Ausdruck der Tatsache, dass Frauen auch in der ArbeiterInnenbewegung, ja selbst in den marxistischen Strömungen daselbst zunächst als Frauen und erst dann als Mitglieder der gemeinsamen Organisation wahrgenommen werden. Nicht zuletzt ist diese wiederum Ausdruck der Unsicherheit im Umgang mit dem jeweils anderen Geschlecht, die wir alle kennen. Wäre es da nicht einfache, den/die Andere zuerst einmal als MitkämpferIn zu sehen?
Persönliche Verantwortung
Jede Klassengesellschaft braucht besondere Formen sozialer Unterdrückung zum Überleben wie der Verhungernde einen Bissen Brot. Frauenunterdrückung kann folglich erst mit der Überwindung des Kapitalismus endgültig verschwinden. Das darf uns aber nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass der Kampf gegen sie heute sinnlos ist. Im Gegenteil! Wie in so vielen anderen Bereichen kann auch hier im Kapitalismus eine Reihe von Verbesserungen erreicht werden.
Tatsache ist, dass im Kampf gegen den Sexismus auch Männer eine persönliche Verantwortung haben. Als Marxisten müssen sie jeden Tag einen individuellen und kollektiven Kampf gegen ihre sexistische Sozialisation führen. Das bringt uns auch zu einem Punkt, der uns deutlich von der reformistischen Ideologie der Führung der Massenorganisationen der ArbeiterInnenbewegung unterscheidet. Wir glauben nicht, dass Frauenreferate und Regeln zur Gleichstellung im Kampf gegen Frauenunterdrückung ausreichen. Ganz im Gegenteil: Dieser Kampf darf nicht ins Ghetto der Frauenreferate abgeschoben werden, die nur all zu oft als Rechtfertigung dafür dienen, warum die restliche Organisation, insbesondere die Männer, sich nicht darum kümmern müssen, da "wir ja eh ein Frauenreferat haben, dessen Aufgabe und Spezialität es ist, sich darum zu kümmern". Doch Frauenunterdrückung darf kein Thema für SpezialistInnen sein: Sie geht uns alle an! Daher müssen wir uns auch alle darum kümmern, alle gegen sie kämpfen!
In diesem Sinn gibt es auch hier eine individuelle Verantwortung: Wo immer die Hydra des Sexismus ihren Kopf erhebt, müssen wir ALLE ihr sofort eine aufs Haupt geben, genau so wie etwa auch dem Rassismus, wo dies schon viel üblicher ist! Hier ist auch die sofortige individuelle Intervention – insbes. von Männern – gefordert. Gerade auch am Wirtshaustisch oder im Freundeskreis, wo die oben geschilderten Aussagen und Wortmeldungen auftreten, ist es unsere Pflicht, aufzustehen und Nein zu sagen, zu argumentieren, warum mit solchen Verhaltensweisen die Frauenunterdrückung nur befestigt werden kann und diese daher abzulehnen sind!
Politische Strategie
Natürlich wird die Veränderung individuellen Verhaltens, so wichtig diese auch ist, nicht dazu ausreichen, die Frauenunterdrückung dorthin zu schicken, wo sie hingehört: Auf den Müllhaufen der Geschichte. Dazu ist es erforderlich, Sexismus in allen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung zum Thema zu machen und schließlich aus diesen zu vertreiben. Insbesondere muss dazu dieses Thema aus dem Frauenghetto heraus geholt und allen Mitgliedern bewusst gemacht werden, dass der Kampf gegen Sexismus und Frauenunterdrückung Aufgabe der gesamten Organisation und damit auch der Leitungsorgane ist.
Selbstverständlich erwarten wir uns von einer SPÖ-Alleinregierung unter Kontrolle der mobilisierten ArbeiterInnenbewegung, wie sie nach der nächsten Wahl anzustreben ist, ernsthafte Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation von Frauen, wie etwa eine echte eigenständige finanzielle Absicherung von Frauen statt des Kinderschecks und die flächendeckende Einführung von Kinderbetreuungseinrichtungen, die rund um die Uhr geöffnet sind.
Der Kampf gegen Frauenunterdrückung und Sexismus darf aber nicht an wen auch immer delegiert werden – er muss von uns Allen geführt werden: Immer und überall!
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