Freitag, 28. März 2008

Arbeitszeit neu: Selbstbestimmung oder moderne Sklaverei?

In der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung hat es im alltäglichen Kampf mit dem Kapital zwei bestimmende Themen gegeben, die nichts von ihrer Aktualität verloren haben: Lohn und Arbeitszeit.

Geschichte der stetigen Verbesserungen?


Die Arbeitszeiten der Lohnabhängigen in Österreich haben sich bis in die späten 1970er kontinuierlich verbessert - von der Einführung des 8-Stunden-Tages nach dem 1. Weltkrieg über den freien Sonntag in den 1950ern und die Einführung der 40-Stunden-Woche bis zur Ausweitung des Urlaubes auf 5 Wochen in den 1970ern. Seit mittlerweile ungefähr 30 Jahren herrschte aber zumindest auf gesetzlicher Ebene Stillstand.
In den letzten Jahren hat es aber unter dem Deckmäntelchen der Arbeitsplatzsicherung zunehmend (erfolgreiche) Angriffe auf die erkämpften Arbeitszeitregelungen gegeben. Die Gegenoffensive der Unternehmen hatte begonnen! Im Sinne des Allheilmittels Flexibilisierung hat es zwar kaum reale Verlängerungen der Arbeitszeit gegeben, aber sehr wohl Veränderungen in der Lage und Gestaltung der Arbeitszeit. Beispiele dafür sind die Sonntagsöffnung während der Fußball-EM, die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten in mittlerweile zwei Novellen des Öffnungszeitengesetzes seit der Jahrtausendwende und die Aufweichung der Sonntagsruhe.
Gleichzeitig ermöglichte das neue Arbeitszeitgesetz unter anderem längere Durchrechnungszeiträume für Überstunden und die Verlängerung des Normalarbeitstages. Besonders dramatisch ist, dass diese im Gegensatz zu früher nicht mehr ausschließlich durch den Kollektivvertrag erfolgen können, sondern auch durch Betriebsvereinbarungen und unter bestimmten Bedingungen sogar durch Einzelvereinbarungen, was uns Lohnabhänge dem Druck der ChefInnen nahezu ohne kollektive Absicherung aussetzt. All dem hat die Gewerkschaft mit der Begründung zugestimmt, dass es sich dabei ohnedies nur um den Nachvollzug der Realität handeln würde.

Machtfrage


Tatsächlich handelt es sich dabei aber um die Frage, wer im Betrieb sagt, wo es lang geht. Kein Wunder also, dass die Arbeitszeitfrage von Anfang an im Mittelpunkt des Kampfes von Gewerkschaften, kämpferischen Belegschaften und BetriebsrätInnen gestanden ist.
Viel wichtiger als die Länge der Arbeitszeit ist aber für das Kapital die Verfügung über unsere Arbeitskraft zu den Zeiten, in denen dies im Rahmen der Konkurrenz für hohe Profite erforderlich ist. Keine besonders neue Erkenntnis, wenn wir bedenken dass Karl Marx dies schon vor ca. 150 Jahren mit den Worten "was der Kapitalist ... erhält, ist ...: Disposition über fremde Arbeit." Der Lohnabhängige hingegen "verkauft ... die Disposition über seine Arbeit ..." (Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 192f) sehr treffend beschrieben hat.
Bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit geht es also im wesentlichen darum, wer darüber entscheiden kann, wann wir Lohnabhängigen zu arbeiten haben. In letzter Konsequenz entscheiden darüber die Verwertungsbedingungen des Kapitals. Die abgedroschene Phrase, dass flexiblere Arbeitszeiten auch uns Beschäftigten eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und persönlichen Bedürfnissen ermöglichen würden, ist schlicht und einfach ein Märchen. Welcher Verkäuferin, die schon um 6 Uhr arbeiten muss, wenn der Kindergarten erst um 8 Uhr öffnet, nutzt das was?

Arbeitszeit ist Lebenszeit


Selbstverständlich wäre mehr Freizeit und eine höhere Verfügungsgewalt über diese für uns Lohnabhängigen zu begrüßen, ermöglicht diese doch mehr Freiheit, mehr persönliche Entwicklung, mehr Einmischung in politische Abläufe, mehr Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen. Auf den Punkt gebracht wurde dies auch bereits im oben genannten Werk: "Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d.h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums, ... Die freie Zeit, die sowohl Mußezeit als Zeit für höhre Tätigkeit ist …"

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen