Seit Jahren schreit die Wirtschaft nach flexibleren Arbeitszeiten, um den sogenannten Wirtschaftsstandort zu sichern. Bundeskanzler Kern hat jetzt zusätzlichen Druck in die Debatte gebracht, indem er angedroht hat, den 12-Stunden-Tag per Gesetz zu ermöglichen, wenn sich die sogenannten SozialpartnerInnen nicht selbst darauf einigen.
Als Kind der 1960er bin ich damit aufgewachsen, dass unter der Woche die Geschäfte um 18 Uhr schlossen. Am Samstag gingen die Rollläden um 12 Uhr runter. Sonntagsöffnung war ohnehin vollkommen unvorstellbar. Trotzdem musste ich in meiner Kindheit keinen Hunger leiden. Heute geht mensch noch schnell am Sonntag einkaufen, bloß weil die Lieblingswurst nicht mehr im Eiskasten ist. Hier muss die berechtigte Frage gestellt werden, ob es wirklich ein Drama ist, mal den einen oder anderen Tag ohne diese eine Sorte auszukommen. Oder aber, ob es wirklich nicht mehr möglich ist, den Einkauf gut zu planen.
Als Betriebsrat im Sozial- und Gesundheitsbereich arbeite ich in einer Branche, in der 24 Stunden am Tag gearbeitet wird und das an 365 Tagen im Jahr. Viele unserer Leistungen sind für manche Menschen im wahrsten Sinne des Wortes überlebensnotwendig. Ganz anders als im Handel. Der Schmäh, dass die KollegInnen durch längere Öffnungszeiten besser verdienen, ist längst widerlegt. Im Gegenteil. Denn kurz nach deren Verlängerung konnten sich die ach so armen Wirtschaftstreiber plötzlich die ach so hohen Samstagszuschläge usw. nicht mehr leisten.
Für wen?
Seit vielen Jahren wird uns nicht nur von den Herrschenden und ihrer Regierung, sondern auch von den Massenmedien eingeredet, dass es modern ist, immer und überall einsatzbereit und fit zu sein. Wer es nicht ist, ist alt, ausgebrannt, zu nichts nutze. Damit wird ein Bild vom Menschen geschaffen, das sich einzig an der Leistungsfähigkeit orientiert. Und dieses Bild wirkt in unseren Köpfen.
Klar wäre es toll, wenn wir uns die Arbeit flexibel nach unseren Bedürfnissen einteilen könnten. Die Realität sieht aber genau andersrum aus. Wir werden flexibel nach den Bedürfnissen unserer Firmen eingeteilt. Unsere eigene Flexibilität, also die freie Verfügung über unsere Freizeit, bleibt dabei auf der Strecke – zugunsten der niemals ausreichenden Profite.
Und hier schließt sich der Kreis zu „unserem Wirtschaftsstandort“, zur Verteidigung „unserer Arbeitsplätze“. Was davon gehört mir? Dir? Wir haben überhaupt nichts davon, wenn die Profite in Österreich auf Kosten anderer Länder gesteigert werden. Oder glaubt wirklich jemand, dass es einem Arbeitslosen in Rumänien, einer Arbeitslosen in Ruanda weniger schlecht geht, als jemandem, der bei uns keinen Job hat?
Was wir wollen?
Auf dem Bundesforum der GPA-djp 2015 haben wir die Forderungen nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich beschlossen. Diese halte ich für vollkommen richtig, auch wenn aus einer weltweiten Perspektive betrachtet für eine international faire Verteilung der vorhandenen Arbeit noch weniger Stunden pro Woche erforderlich wären. Aber es wäre aus vielen Gründen ein guter Anfang.
Nur durch eine massive Reduzierung der Arbeitszeit kann die Arbeitslosigkeit wirklich wirksam bekämpft werden. Durch einen zusätzlichen freien Tage – ich stelle mir vor, dass die meisten von uns wahrscheinlich die 30 Stunden in vier Tagen arbeiten wollen würden – wäre es möglich, den ständig zunehmenden Arbeitsdruck durch einen dreitätigen Freizeitblock besser zu verdauen. Das wiederum würde dazu führen, dass wir gesünder alt werden können.
Und schließlich würde durch eine Verringerung der Arbeitszeit auch die Möglichkeit zu mehr gesellschaftlichem Engagement geschaffen. Nur wenn wir selbst etwas tun, wird sich die Welt ändern. Solange wir aber nach der Arbeit nur mehr fertig auf die Couch fallen, wird die Welt bleiben wie sie ist.
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